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»Den Versuch war es wert«, sagte Ken.

Ein Summer schnarrte laut in die Stille hinein. »Mein Vater«, sagte Zoe kurz im Aufstehen. »Ich muß gehen.«

»Ich würde Ihren Vater sehr gern kennenlernen«, sagte ich.

Sie zog die buschigen blonden Brauen hoch. »Dafür ist es fünf Jahre zu spät. Aber kommen Sie ruhig mit.«

Sie trat auf den Gang hinaus, und wir folgten ihr zurück in die Diele und durch eine Flügeltür in ein großes, prächtiges Wohnzimmer, dessen hintere Wand vom Boden bis zur Decke verglast war. Draußen vor der Glaswand befand sich ein Mühlrad, ein riesiges hölzernes Schaufelrad, mehr als zur Hälfte sichtbar, der untere Teil unter Fußbodenhöhe. Es war nur Dekoration; man sah keine Bewegung.

»Wo ist der Bach?« fragte ich, und mir fiel ein, was an dem Haus nicht stimmte. Kein dumpfiger Geruch von immerwährendem Wasser. Kein Laut vom sich drehenden Mühlrad.

»Der ist weg. Vor Jahren ausgetrocknet«, sagte Zoe und durchquerte das Zimmer. »Die haben am Grundwasserspiegel herumgepfuscht, zu viel für das verdammte Kraftwerk abgezweigt. Paps«, schloß sie und blieb bei einem Sessel mit hoher Rückenlehne stehen, »du hast Besuch.«

Der Sessel antwortete nicht. Ken und ich gingen um ihn herum und sahen uns dem Mann gegenüber, der einmal Mac Mackintosh gewesen war.

Kapitel 10

Mackintosh war klein und runzlig, ein vertrockneter alter Stecken von einem Pferdemenschen. Die blitzblauen Augen in dem wettergegerbten Gesicht sahen durchaus wach und intelligent aus, und erst nach und nach begriff man, daß die Gedanken dahinter in Unordnung waren wie ein durcheinandergewürfeltes Alphabet. Er saß dem stillstehenden Rad zugewandt und sah vermutlich durch es hindurch, auf die Wiese und die Hecke dahinter. Man gewann den Eindruck, daß er schon lange, gewohnheitsmäßig, dort saß. Die Armlehnen des Sessels waren da, wo seine Hände auflagen, verschlissen und mehrmals geflickt.

Er sagte mit einer kratzigen hohen Stimme: »Hast du den Abendstall vergessen?«

»Natürlich nicht, Paps«, sagte Zoe geduldig. »Das ist erst in einer halben Stunde.«

»Wen hast du da bei dir? Ich kann die Gesichter nicht gegen das Licht sehen.«

»Guten Tag, Mr. Mackintosh«, sagte Ken.

»Das sind Ken McClure«, teilte ihm Zoe mit, »und ein Freund von ihm.«

»Peter«, sagte Ken.

»Ich denke, du hast Ken gesagt«, maulte Mackintosh gereizt.

»Ich bin Peter«, sagte ich.

Zoe stellte uns noch einmal genau vor, doch ob es dem alten Mann einging, war zweifelhaft, denn er sah mich auch danach noch alle paar Sekunden verwirrt an.

»Du hast gesagt«, hielt er Zoe vor, »nur Carey würde kommen.«

»Ja, ich weiß, aber ich hab’s mir anders überlegt. Carey kommt noch zum Kartenspielen zu dir, aber Ken kümmert sich wieder um die Pferde.« Zu uns gewandt, fügte sie leise hinzu: »Sie spielen seit Jahren zusammen Karten, aber heutzutage ist das eine Farce. Carey tut nur noch so, und das ist nett von ihm.«

»Was hast du gesagt«, sagte Mackintosh ärgerlich. »Red doch laut.«

»Wo ist denn dein Hörgerät, Paps?« fragte Zoe.

»Das mag ich nicht. Es pfeift.«

Ken und ich standen beide vor ihm, zwischen ihm und dem Fenster, und es schien ihn zu stören, daß er das Rad nicht ganz sehen konnte, denn immer wieder bewegte er den Kopf, um an uns vorbei und hinter uns zu schauen. Ken empfand das wohl ebenso, denn er drehte sich zur Seite, als wollte er möglichst wenig die Aussicht versperren.

Das Hintergrundlicht vom Fenster fiel auf die eine Hälfte von Kens knochigem Gesicht, während der Rest im Schatten blieb, und Mackintosh setzte sich steil in seinem Sessel auf und starrte ihn freudig an.

»Kenny«, sagte er, »haben Sie das Zeug mitgebracht? Ich dachte, Sie wären ...« In banger Verwirrung brach er ab. »Tot«, sagte er schwach.

»Ich bin nicht Kenny«, sagte Ken bewegt.

Mackintosh ließ sich in den Sessel zurückfallen. »Wir haben das Geld verloren«, sagte er.

»Welches Geld?« fragte ich.

Zoe sagte: »Lassen Sie ihn. Sie bekommen doch keine vernünftige Antwort. Er redet von dem Geld, das er bei einer Immobilienspekulation verloren hat. Das läßt ihm keine Ruhe. Jedesmal, wenn ihn etwas beunruhigt oder er was nicht versteht, kommt er darauf zurück.«

Ich fragte Ken: »Ist das die Geschichte, von der Ihre Mutter gesprochen hat?«

»Josephine?« Zoe schnitt unwillkürlich ein Gesicht. »Die ist für ein saftiges Unglück auch immer zu haben. Tut mir leid, Ken, aber ist doch wahr.« Zu mir gewandt, setzte sie hinzu: »Paps hat ein kleines Vermögen verloren, aber er war nicht der einzige. Auf dem Papier sah das Projekt ganz gut aus, denn man brauchte kein bares Geld anzulegen, und gesunde Erträge winkten. Zig Leute haben für die Riesenanleihe gebürgt - für den Bau eines Freizeit-und Vergnügungszentrums zwischen Cheltenham und Tewkesbury, und das wurde auch gebaut -, aber die Lage und das Konzept waren voll daneben, so daß keiner hinging und keiner es kaufen wollte und die Bank alle Anleihen gekündigt hat. Wenn ich das blöde Ding nur schon sehe! Es ist immer noch nicht fertig und gammelt vor sich hin, und die Hälfte meiner Erbschaft steckt da drin.« Sie unterbrach sich reumütig. »Ich bin genauso schlimm wie Paps, wenn’s ans Quasseln geht.«

»Wie nannte sich das?« fragte ich.

»Unser ganzes Geld«, sagte Mackintosh mit seiner hohen Stimme.

»Porphyr-Park«, sagte Zoe lächelnd.

Ken nickte. »Ein großes, nutzloses Objekt, vorwiegend in Dunkelrot. Ich fahre manchmal daran vorbei. Böse Geschichte.«

»Ronnie Upjohn«, sagte Mackintosh frohlockend, »hat seine Strafe gekriegt.«

Zoe sah resigniert drein.

»Was meint er damit?« fragte ich.

»Ronnie Upjohn ist ein Steward«, erklärte sie. »Jahrelang hat er Paps dem Jockey-Club gemeldet und ihn beschuldigt, Schmiergeld von den Buchmachern zu nehmen, was Paps natürlich nie getan hat.«

Mackintosh kreischte vor Lachen, ein offensichtlich zufriedener Missetäter.

»Paps!« protestierte Zoe, und wie ich sah, wußte sie, daß die Vorwürfe stimmten.

»Ronnie Upjohn hat eine Masse Geld verloren.« Mackintosh schüttelte sich vor Schadenfreude, schien dann vor unseren Augen den Faden zu verlieren und fiel wieder in Verwirrung zurück.

»Steinback hat 100 zu 6 notiert.«

»Was meint er damit?« fragte ich Zoe wieder.

Sie zuckte die Achseln. »Alte Wetten. Steinback war ein Buchmacher, er ist seit Jahren tot. Paps erinnert sich an Sachen, bringt sie aber durcheinander.« Sie sah ihren Vater mit einem Ausdruck an, der sich zusammensetzte aus Zuneigung, starkem Unwillen und Angst; Angst vermutlich aus Sorge über die nicht allzu ferne Zukunft. Das hatten sie und Russet Eaglewood gemein: beides Töchter, die die zerfallende Existenz ihrer Väter zusammenhielten.

»Da Sie schon mal hier sind«, sagte Zoe zu Ken, »würden Sie gern mit auf den Stallrundgang kommen?«

Daß Ken die Einladung mit Freuden annahm, freute wiederum Zoe. Mein Rehabilitierungsversuch schien bei ihr ebenso geglückt zu sein wie bei Russet. Womit aber die Welt noch nicht erobert war.

»Komm, Paps«, sagte Zoe und half ihrem Vater auf die Beine. »Abendstallzeit.«

Der alte Mann war körperlich irgendwie viel kräftiger, als ich angenommen hatte. Untersetzt und leicht O-beinig, ging er gerade und mit großen Schritten quer durch das Zimmer. Zu dritt folgten wir ihm hinaus in die geflieste Diele und durch den Gang, vorbei an der offenen Tür von Zoes Zimmer. Sie streckte den Kopf dort hinein und pfiff, und die sechs Hunde kamen herausgeschossen und brachen sich fast die Ohren vor Aufregung.

Diese erweiterte Gruppe drängte sich in einen Landrover vor der Hintertür und fuhr eine Straße hinter dem Haus entlang, die zu einem etwa eine Viertelmeile entfernten Stallhof aus gekalkten Ziegeln führte. Aus einem einstöckigen weißen Gebäude auf der einen Seite kam der Futtermeister zu uns heraus, und ich wohnte zum erstenmal als geladener Gast dem Ritual der britischen Abendstallzeit bei.