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Ich lächelte unverbindlich. Vielleicht log er, dachte ich.

»Seriöse Versicherungsgesellschaft, ja?«

»Sie haben bezahlt, das ist die Hauptsache.« Er lachte aus vollem Halse und führte uns dann aus der Scheune heraus. »Ich lasse die Fünfjährige morgen in Worcester laufen«, sagte er zu Ken. »Wie wär’s mit einem Blutbild, um zu sehen, ob sie gut in Form ist?«

»Klar«, sagte Ken, und schon holte er die für eine

Blutabnahme nötigen Utensilien aus seinem Wagen und erklärte Fitzwalter, für die Auswertung werde er auf das Labor eines benachbarten Tierarztes zurückgreifen. »Unseres ist ja in Rauch aufgegangen«, sagte er, »wenn Sie sich erinnern.«

Fitzwalter nickte, dankte ihm und bot uns zu trinken an, doch auch hier lehnten wir ab. Er blickte Ken abwägend an, wie er es zwischendurch immer wieder getan hatte, und gab sich dann einen Ruck.

»Einer von meinen Stallburschen«, sagte er, »hat mir ein Gerücht erzählt, das ich kaum glauben kann.«

Ken sagte: »Was für ein Gerücht?«

»Daß einer von Ihren Leuten heute früh ermordet worden ist.« Er sah Ken prüfend ins Gesicht und erhielt die Bestätigung.

»Wer denn? Doch nicht etwa Carey!«

»Scott Sylvester, unser Anästhesist«, sagte Ken widerstrebend.

»Was ist passiert?«

»Wir wissen es nicht«, sagte Ken und vermied bewußt, auf Scotts Zustand einzugehen, »Es wird in den Nachrichten kommen ... und in den Zeitungen.«

»Sie scheint das ja nicht sehr zu kümmern«, rügte Fitzwalter. »Ich hatte erwartet, Sie würden es mir sagen. So dachte ich schon, es könnte nicht wahr sein. Wie ist er umgebracht worden?«

»Wir wissen es nicht«, sagte Ken verlegen. »Die Polizei untersucht es noch.«

»Das hört sich aber nicht gut an.«

»Es ist verheerend«, gab Ken zu. »Wir bemühen uns, normal weiterzumachen, aber ich weiß offen gestanden nicht, wie lange wir dazu noch in der Lage sind.«

Fitzwalters dunkle Augen blickten nachdenklich in die Ferne. »Ich werde mit Carey reden müssen«, sagte er.

»Carey ist sehr durcheinander. Scott war lange bei uns«, sagte Ken.

»Ja, aber warum wurde er umgebracht? Sie müssen doch mehr wissen, als Sie sagen.«

»Er lag tot in der Klinik, als wir heute morgen hinkamen«, sagte Ken zu ihm. »Im Operationssaal. Die Polizei kam und schaffte ihn weg und stellte uns Fragen, aber bis jetzt haben wir keine Antworten, und die Polizei hat uns ihre Mutmaßungen nicht mitgeteilt. Es ist einfach noch zu früh. Morgen werden wir mehr wissen.«

»Aber«, beharrte Fitzwalter, »ist er erschossen worden? War Blut da?«

»Ich glaube nicht«, sagte Ken.

»Kein Gewehr?«

Ken schüttelte den Kopf.

»Selbstmord?«

Ken schwieg. Ich antwortete an seiner Stelle: »Es war kein Selbstmord.«

Fitzwalter wandte mir erstmals seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu. »Woher wissen Sie das?«

»Ich habe ihn gesehen. Seine Hände und Füße waren gefesselt. Er kann sich nicht selbst umgebracht haben.«

Er akzeptierte meinen entschiedenen Ton. »Wer sind Sie eigentlich?« fragte er.

»Ein Bekannter von Ken.«

»Nichts mit der Praxis zu tun?«

»Nur zu Besuch.«

»Ein Tierarzt?«

»Aber nein«, sagte ich, »keineswegs.«

Er verlor das Interesse und wandte sich weder Ken zu. »Ich finde es merkwürdig, daß Sie mir das nicht gleich erzählt haben.«

»Ich versuche es zu verdrängen«, gestand Ken.

Verdrängen konnte er es, vergessen unmöglich. Ich würde Scotts Gesicht niemals vergessen. Die Erinnerung daran war den ganzen Tag mit Anfällen von Übelkeit zurückgekehrt. Ken war es bestimmt ähnlich ergangen.

Fitzwalter zuckte die Achseln. »Ich glaube, ich bin dem Mann nur mal begegnet, als das Pferd gestorben ist. Da dachte ich, er sei eingeschlafen und habe nicht richtig aufgepaßt, aber er hätte es wohl so oder so nicht retten können. Das ist der Mann, ja?«

Ken nickte.

»Tut mir leid.«

»Danke«, sagte Ken. Er seufzte tief. »Als es noch bloß um tote Pferde ging, war das Leben einfacher.«

»Ja, ich hörte, Sie hätten eine Epidemie gehabt.«

»Jeder hat davon gehört«, sagte Ken verzagt.

»Und einen Brand und noch eine Leiche. Ich kann mir nicht vorstellen, wie Hewett und Partner das überstehen wollen.«

Ken antwortete nicht. Je öfter jemand die Katastrophen aneinanderreihte, desto unmöglicher wurden die Aussichten. Selbst mit einer raschen Patentlösung für alles war der Schiffbruch vielleicht nicht aufzuhalten, und Patentlösungen gab es nun mal nur im Wolkenkuckucksheim.

»Zeit zu gehen«, sagte ich, und Ken nickte.

»Wie sieht es für uns aus?« fragte er Fitzwalter. »Für Sie und mich?«

Fitzwalter zuckte die Achseln. »Ich brauche einen Tierarzt. Sie kennen die Pferde. Ich werde Carey anrufen.

Mal sehen, was sich tun läßt.«

»Vielen Dank.«

Fitzwalter begleitete uns ein Stück bis zu unseren Wagen.

»Wenn Sie den alten Ford da mal verschrotten wollen«, sagte er zu Ken, »mach ich Ihnen ein Angebot.«

Kens Auto war altgedient und klapprig, was ihn nicht daran hinderte, es empört zu verteidigen: »In der Kiste stecken noch Hunderte von Meilen.«

Fitzwalter bedachte ihn mit einem mitleidigen Kopfschütteln und wandte sich ab. Ken tätschelte seinen alten Bus zärtlich und zwängte seine schlaksige Gestalt hinter das Lenkrad. Wir wurden beide in Thetford Cottage erwartet, doch anscheinend hatte er es damit ebensowenig eilig wie ich.

»Wie wär’s mit einem Halben?« fragte er. »Ich habe den ganzen Tag noch nichts gegessen, und mir ist so flau, daß ich offen gestanden nicht länger als fünf Minuten mit Greg reden könnte, ohne in Leichenstarre zu verfallen.«

Die letzten Worte hätte er am liebsten zurückgenommen. Scott war in unseren Köpfen allgegenwärtig.

»Ich fahre Ihnen nach«, sagte ich, und er nickte.

In der einsetzenden Dämmerung fuhren wir an dem Schrottplatz vorbei, die Serpentine hinunter und gelangten über die Feldwege zu einem ruhigen alten Pub, in dem nur die chronisch Durstigen bereits die Theke stützten.

Bier konnte ich jetzt keins sehen, und so trank ich einen Brandy mit viel Wasser: nicht unbedingt ideal auf nüchternen Magen, aber doch beruhigend für die Nerven.

»Es ist aussichtslos, nicht?« Ken starrte in sein Glas. »Als ich mit Fitz sprach, ist mir das klargeworden. Sie machen mir manchmal Hoffnung, aber das ist eine Illusion.« »Wie alt ist Nagrebb?« fragte ich.

»Nicht Nagrebb. Da gehe ich nicht hin.«

»Sechzig oder älter?«

»Er sieht nicht so aus, aber er hat einen über dreißigjährigen Sohn. Was liegt daran?«

»Alle Besitzer oder Trainer von den toten Pferden sind Männer um die Sechzig oder älter.«

Er starrte mich an. »Na und?«

»Und was weiß ich. Ich suche nur nach Ähnlichkeiten.«

»Sie kennen mich alle«, sagte Ken. »Das haben sie gemeinsam.«

»Kennen sie Oliver auch alle?«

Ken dachte darüber nach. »Ich wüßte nicht, daß Wynn Lees ihm schon untergekommen ist. Die anderen kennt er wahrscheinlich. Sie alle kennen natürlich Carey.«

»Na ja, klar. Aber sonst ... gibt es sonst noch etwas, was sie verbindet?«

»Ich verstehe nicht ganz, was das soll«, sagte er, »aber wahrscheinlich ist alles einen Versuch wert.«

Ich sagte: »Wir haben einen perversen Pferdeschinder, einen verkalkten alten Mann, einen Altmetallhändler, einen skrupellosen Springpferdetrainer, den tyrannischen alten Vater von Russet Eaglewood und einen Steward.«

»Was für einen Steward?«

»Ronnie Upjohn.«

»Aber sein Pferd hat doch überlebt.«

»Er hat das richtige Alter.«

»Das ist Unsinn«, sagte Ken. »So kommen Sie nie weiter. Ein Viertel der Bevölkerung ist über sechzig.«