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»Einleuchtend«, stimmte ich zu.

»Also«, sagte Brose, »habe ich den früheren Besitzer der Stute, die angeblich in Ihrer Klinik war, angerufen und ihn gefragt, wieso er sie an Wynn Lees verkauft hat. Er sagte, er sei wegen geschäftlicher Einbußen gezwungen gewesen, einige Sachen zu verkaufen. Seine Stute habe er auf das erste annehmbare Angebot hin verkauft. Er habe vorher noch nie etwas von Wynn Lees gehört, sagte er, und der Name fiel ihm auch erst wieder ein, als ich nachhalf. Völlig unkaufmännisch, kein Wunder, daß er in Schwierigkeiten steckte.«

»War die Stute tragend, als er sie verkauft hat?«

»Sagt er. Vielleicht war sie es, vielleicht auch nicht. Vielleicht dachte er, sie sei es, vielleicht hat er aber auch einen Vermögenswert veräußert, von dem er wußte, daß er nicht mehr bestand. Jedenfalls hat er an Wynn Lees verkauft.« Er hielt inne. »Haben Sie Gewebeproben von dem Fohlen besorgt?«

Ich nickte. »Haare. Auch Haare von der Stute. Sie sind zum Vergleich eingeschickt worden. Jetzt brauchen sie noch welche von Rainbow Quest.«

»Die besorge ich Ihnen«, sagte Brose. »Welches Labor macht die Vergleichsprobe?«

»Da muß ich Ken McClure fragen.«

»Fragen Sie ihn, und lassen Sie’s mich wissen.«

Ich bedankte mich sehr herzlich bei ihm. Er habe für Betrug nichts übrig, sagte er.

Higgins nickte und sagte: »Die Versuchung, ein versichertes Pferd zu töten, ist mit ein Grund für die hohen

Prämien. Betrug ist ein großes Problem. Manchmal ist der Schwindel offenkundig, aber wenn wir ein Pferd versichern und es bricht sich ein Bein, müssen wir zahlen, auch wenn wir glauben, daß jemand mit einer Eisenstange dahergekommen ist und draufgehauen hat.«

»Waren bei Ihrer Gesellschaft«, sagte ich, »auch schon Pferde versichert, die während oder nach chirurgischen Eingriffen gestorben sind?«

»In letzter Zeit nicht«, sagte er. »Sie sterben nicht oft bei Operationen. Ich kann nicht beschwören, daß noch nie so eins bei uns versichert war, aber ich wüßte nicht, daß wir dafür schon mal hätten zahlen müssen. Wohlgemerkt, ich kann hier nicht für andere Gesellschaften sprechen. Möchten Sie, daß ich mich umhöre?«

»Würden Sie das tun?«

»Für Brose immer.«

Brose sagte: »Danke, Higgs.«

Ich fragte: »Würden Sie ein Pferd auch speziell gegen den Tod bei einer Operation versichern?«

Higgins schürzte die Lippen. »Ja, wenn es bereits versichert wäre. Ich würde eine Zusatzprämie von einem Prozent verlangen und zahlen, wenn das Pferd stirbt.«

»Abscheulich, das alles«, meinte Annabel.

Brose und Higgins, groß und klein, schlank und dick, aufeinander eingespielt wie ein Komiker-Duo, stimmten ihr lächelnd zu. Higgins verabschiedete sich bald darauf und ging, doch Brose blieb und sagte sofort: »Erzählen Sie von dem Mord.«

Ich warf einen Blick auf Annabel.

»Sagen Sie es ruhig vor dem Mädchen«, ermunterte mich Brose, der mein Zögern offenbar richtig gedeutet hatte. »So eine zarte Pflanze ist sie nicht.« »Es ist aber ziemlich grausig«, gab ich zu bedenken.

»Wenn es zu blutig wird, stoppe ich Sie schon«, sagte sie.

»Da war kein Blut.«

Ich erklärte die Sache mit der Hebevorrichtung für betäubte Pferde. Brose nickte. Annabel hörte zu. Ich sagte ihnen, daß Scott auf den Operationstisch gehoben worden war und wie seine Arme und Beine in die Luft geragt hätten.

Brose kniff die Augen zusammen. Annabel blinzelte einige Male.

»Weiter«, drängte Brose, der mich beobachtete.

Ich erklärte, wie Tierärzte Wunden, auch Operationswunden, verklammerten. Ich beschrieb die kleinen Klammern. »Etwas anders als Heftklammern, aber das gleiche Prinzip. Wundklammern sind etwa drei Millimeter breit, nicht schmal wie normale Klammern. Wenn man den Klammerer an die Haut ansetzt und drückt, gehen die Klammern ziemlich tief rein, bevor sie umgebogen werden. Es ist schwer zu erklären.« Ich hielt inne. »Aus der Klammer wird ein kleiner eckiger Ring. Nur die Oberseite davon ist sichtbar. Der Rest liegt unter der Haut und zieht die beiden Seiten der Wunde zusammen.«

»Klar«, sagte Brose, doch Annabel war sich nicht so sicher.

»Die Klammern sind wie unpoliertes Silber in der Farbe«, sagte ich.

»Was soll das mit den Klammern?« wollte Annabel wissen.

Ich seufzte. »Scotts Mund war mit einer Reihe von Klammern verschlossen.«

Ihre Augen wurden schmal. Brose sagte: »Das ist ja ein Ding« und blickte nachdenklich drein.

»Vor oder nach dem Tod?« fragte er.

»Danach. Kein Blut.«

Er nickte. »Wie wurde er umgebracht?«

»Weiß ich nicht. Man konnte nichts sehen.«

»So wie die Pferde?«

»Wie die Stute vielleicht.«

»Passen Sie auf«, sagte Brose.

»Mhm.«

»Er ist doch nicht etwa in Gefahr«, fuhr Annabel erschrocken dazwischen.

»Wie nicht? Bei den ganzen Nachforschungen, die er betreibt?«

»Dann hören Sie damit auf«, sagte sie entschieden zu mir.

Brose betrachtete sie mit spöttischen Augen, und sie errötete ganz leicht. Ungebeten kamen mir all die schwierigen Wörter wieder in den Sinn. Es ist zu früh, es geht zu schnell, beharrte die Vernunft.

Brose richtete sich zu seiner vollen Größe auf, strich Annabel übers Haar und sagte zu mir, er werde von sich hören lassen. Annabel und ich blieben noch, als er gegangen war, und unterhielten uns lebhaft, wenn wir auch vieles unausgesprochen ließen.

Sie fragte nach meiner Zukunft im auswärtigen Dienst, und mir war, als hörte ich da das ferne Echo einer von ihrem Vater angeregten und gewünschten Sondierung.

»Haben Sie Ihren Eltern von mir erzählt?« fragte ich neugierig.

»Na ja, schon. So nebenbei. Ich hatte ihnen von den Japanern erzählt.« Sie hielt inne. »Also, wohin gehen Sie denn nach Ihrer Zeit in England?«

»Wohin man mich schickt.«

»Und schließlich werden Sie Botschafter?« »Kann ich noch nicht sagen.«

»Hängt die Beförderung zum Botschafter nicht bloß davon ab, daß man lange genug dabei ist?« Es klang nicht feindselig, aber ich nahm doch an, daß die Frage geradewegs vom Bischof stammte.

»Wer lange dabei ist«, sagte ich, »ist sehr kompetent.«

Ihre Augen lachten. »Keine schlechte Antwort.«

»In Japan«, sagte ich, »schleppen die Männer ihre Sachen in bunten Tragetüten herum statt in Jackentaschen oder Aktenmappen.«

»Wie in aller Welt kommen Sie jetzt darauf?«

»Nur so«, sagte ich. »Ich dachte, es wäre etwas, was Sie vielleicht gern wissen würden.«

»Ja, es bringt Licht in mein Leben, Haut mich glatt um.«

»In Japan«, sagte ich, »sind da, wo Westler nicht hinkommen, die Klos oft nur Löcher im Fußboden.«

»Sagenhaft. Weiter.«

»In Japan haben alle Einheimischen glattes schwarzes Haar. Alle Frauennamen enden mit -ko. Yuriko, Mitsuko, Yoko.«

»Und haben Sie auch auf dem Fußboden geschlafen und rohen Fisch gegessen?«

»Laufend«, stimmte ich zu. »Aber Fugu habe ich nie probiert.«

»Was in aller Welt ist Fugu?«

»Das ist der Fisch, der die meisten tödlichen Lebensmittelvergiftungen in Japan verursacht. Fugu-Restaurants bereiten ihn mit ungeheurer Sorgfalt zu, und trotzdem sterben Leute ...« Die Stimme versagte mir. Ich war stumm, wie versteinert.

»Was ist?« fragte Annabel. »Woran haben Sie gedacht?«

»Fugu«, sagte ich, und der Kloß in meinem Hals löste sich wieder, »ist einer der giftigsten Fische überhaupt. Sein Gift tötet schnell, da es das neuromuskuläre System lahmt und die Atmung stillstehen läßt. Bekannter ist er unter dem Namen Kugelfisch. Ich glaube, mir hat mal jemand gesagt, das Gift sei in so geringer Konzentration schon tödlich, daß es bei einer Obduktion praktisch nicht zu entdecken ist.«