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Der Mann auf dem Pferd und die Frau, sah ich, waren jung. Der ältere Mann, auffallend breitschultrig, mit zu

kurzen Beinen für den kräftigen Rumpf, stiefelte grimmig auf den Koppelzaun zu. Kahl, stechender Blick, kampflustig; ein Rottweiler von einem Mann. Ich stieg aus und ging ihm bis dicht vor den Zaun entgegen.

»Mr. Nagrebb?« fragte ich.

»Was wollen Sie?« Er blieb einige Schritte vor dem Zaun stehen und hob die Stimme.

»Nur kurz mit Ihnen reden.«

»Wer sind Sie? Ich habe zu tun.«

»Ich schreibe einen Artikel über die Todesursachen bei Pferden. Ich dachte, da könnten Sie mir vielleicht weiterhelfen.«

»Sie haben falsch gedacht.«

»Sie kennen sich doch so gut aus«, sagte ich.

»Was ich weiß, behalte ich für mich. Schwirren Sie ab.«

»Ich dachte, Sie könnten mir etwas über plötzlich auftretende akute Hufrehe erzählen«, sagte ich.

Seine Reaktion war an sich schon Beweis genug. Das jähe Erstarren, die unwillkürliche Anspannung der Gesichtsmuskulatur um die Augen. Ich hatte das schon oft beobachtet, wenn ich in diplomatischen Kreisen scheinbar harmlose Fragen nach einem heimlichen, unerlaubten Sexualleben gestellt hatte. Ich erkannte Alarmsignale, wenn ich sie sah.

»Wovon reden Sie?« wollte er wissen.

»Von überschüssigen Kohlehydraten.«

Er antwortete nicht.

Etwas an ihm mußte die beiden anderen alarmiert haben, denn die junge Frau kam angelaufen, und der Reiter trottete mit seinem Pferd zu uns herüber. Sie hatte wild blitzende Augen, eine Harpye, er war so dunkel und muskelbepackt wie sein Pferd.

»Was ist, Dad?« fragte er.

»Der Mann will was über akute Rehe wissen.«

»Sieh einer an.« Seine Stimme glich der des Vaters; hiesiger Gloucestershire-Dialekt und aggressiv. Auch er wußte, wovon ich redete. Bei dem Mädchen war ich mir nicht sicher.

»Ich brauche Berichte aus erster Hand«, sagte ich. »Es soll für den Durchschnittsleser sein, nicht für ein tiermedizinisches Fachpublikum. Sie brauchen nur mit Ihren eigenen Worten zu schildern, was Sie empfunden haben, als Sie feststellten, daß Ihr Pferd unheilbar geschädigt war.«

»Quatsch«, sagte der Sohn.

»Im vorigen September ist das gewesen, nicht?« fragte ich. »War es versichert?«

»Hau ab«, sagte der Sohn, brachte das Pferd ganz an den Zaun heran und hob warnend die respekteinflößende Peitsche.

Ich dachte, es sei vielleicht an der Zeit, auf ihn zu hören. Ich hatte mir über Nagrebb ein Urteil gebildet, und das war der Zweck meines Ausflugs gewesen, nämlich die Bildergalerie der alten Männer zu vervollständigen. Kens Ansicht über den Sohn würde ich mich jederzeit anschließen. War die junge Frau die Tochter, dann war sie das Produkt des Familienethos, aber wohl nicht die treibende Kraft.

»Wer hat Sie zu uns geschickt?« wollte Nagrebb wissen.

»Gerede«, sagte ich. »Faszinierend, was so alles erzählt wird.«

»Wie heißen Sie?«

»Blake Pasteur.« Ich sagte den erstbesten Namen, der mir einfiel; den Namen eines Legationsratskollegen in

Tokio. Ich nahm nicht an, daß Nagrebb die Personallisten des Auswärtigen Amtes durchsehen würde. »Freier Journalist«, sagte ich. »Schade, daß Sie mir nicht helfen können.«

»Verschwinden Sie«, sagte Nagrebb.

Ich trat versöhnlich den Rückzug an, und damit wäre die Sache auch erledigt gewesen, wäre in dem Augenblick nicht ein anderer Wagen um das Haus gefegt und neben meinem zum Stehen gekommen.

Der Fahrer stieg aus. Oliver Quincy, zu meiner Bestürzung.

»Tag«, sagte er überrascht zu mir. »Was zum Teufel machen Sie denn hier?« Sein Mißfallen war offensichtlich.

»Ich hatte mir Informationen für einen Artikel über den Tod von Pferden erhofft.«

»Kennen Sie den?« wollte Nagrebb wissen.

»Natürlich. Ein Freund von Ken McClure. Steckt in der Klinik überall seine Nase rein.«

Die Stimmung wendete sich merklich zum Schlechteren.

»Ich schreibe einen Artikel über die Klinik«, sagte ich.

»Für wen?« fragte Oliver argwöhnisch.

»Für zahlende Abnehmer. Und die finden sich schon.«

»Weiß Ken davon?« rief Oliver aus.

»Es wird eine nette Überraschung für ihn. Und was machen Sie hier?«

»Das geht Sie einen Dreck an«, sagte Nagrebb, und Oliver antwortete gleichzeitig: »Das Übliche. Sehnenzerrung.«

Ich versuchte in Oliver hineinzuschauen, doch es gelang mir nicht. Ich nahm an, daß ich für ihn mit Ken und mit Lucy Amhurst verbündet war, den treuen Bewahrern von Carey Hewett und Partnern, den Gegnern der

Veränderung. Er sah mich feindselig an.

»Sind Sie noch in der Partnerschaft?« fragte ich.

»Selbst wenn die Partnerschaft sich auflöst«, erwiderte Oliver, »brauchen Pferde noch Betreuung.«

»Das sagt Ken auch.«

Nagrebbs Sohn, der uns eher beobachtet als zugehört hatte, glitt plötzlich von seinem Pferd herunter, gab die Zügel seinem Vater und stieg unter dem Koppelzaun durch, um zu Oliver und mir herauszukommen. Aus der Nähe war die Aggressivität, die er verströmte, nahezu greifbar. Sein Vater hoch zwei, dachte ich.

»Sie sind lästig«, sagte er zu mir.

Er hielt seine Peitsche in der linken Hand. Ich fragte mich flüchtig, ob er Linkshänder war. Er bewies mehr oder minder, daß er keiner war, indem er mir sehr schnell und hart die rechte Faust in den Magen schlug.

Es war, als hätte mich ein Pferd getreten. Ich verlor, wie mir schien, die Fähigkeit zu atmen. Zusammengekrümmt, praktisch gelähmt, ging ich auf ein Knie hinunter. Da half es wenig, daß Nagrebbs Sohn mir seinen bestiefelten Fuß auf die vorgezogene Schulter setzte und mich hintenüberkippte.

Niemand erhob Einspruch. Ich blickte staubigem altem Gras ins Auge. Auch das war nicht tröstlich.

Langsam bekam ich wieder Luft, und die Atemnot wich ohnmächtigem Zorn, der zum Teil gegen mich selbst gerichtet war, da ich die Situation heraufbeschworen hatte. Jetzt meinerseits auf Nagrebb junior loszugehen war zwecklos, ich würde lediglich noch einmal umgebügelt werden. Worte waren meine Waffen, nicht die Hände. Ich hatte noch nie jemand im Zorn geschlagen.

Ich rappelte mich auf die Knie hoch und stand auf.

Nagrebb schaute wachsam drein und sein Sohn unerträglich überlegen. Oliver war ungerührt. Das Mädchen lächelte.

Ich bekam genug Luft, um zu sprechen. Rang nach Beherrschung.

»Sehr aufschlußreich«, sagte ich.

Nicht die klügste Bemerkung, zugegeben, aber meine einzige Waffe. Der Sohn schlug noch einmal nach mir, aber diesmal war ich bereit und fing seinen Stoß mit dem Handgelenk ab. Auch davon kriegte ich noch taube Finger. Das einzige Plus schien mir zu sein, daß ich nichts über kollagenzersetzende Enzyme ausgeplaudert hatte und nicht mit schußbereiten Kollagenase-Spritzen konfrontiert worden war.

»Hören Sie«, sagte ich. »Ich bin Zeitungsschreiber. Wenn Sie nicht wollen, daß über Sie geschrieben wird, dann hab ich das kapiert.«

Ich kehrte ihnen den Rücken, ging die wenigen Schritte zu meinem Wagen und zwang mich, nicht zu zittern.

»Kommen Sie nicht noch mal«, sagte Nagrebb.

Ganz bestimmt nicht, dachte ich. Unter keinen Umständen.

Ich öffnete die Wagentür und ließ mich ächzend auf den Fahrersitz sinken. Als die Faust in meinem Magen gelandet war, bekam ich für einen Moment keine Luft mehr, aber inzwischen waren die Schmerzen das Hauptproblem. Irgendwo unten an meinem Brustbein war ein Bereich, der mir empfindlich weh tat.

Sie versuchten nicht, mich aufzuhalten. Ich ließ den Motor an, stieß um Olivers Wagen herum zurück und fuhr schmählich besiegt schnurstracks die Zufahrt hinunter. Einen Feind, dachte ich, greift man nicht ohne Schild und

Rüstung an.

Als ich nach Thetford Cottage kam, blieb ich erst noch eine Weile im Auto sitzen, und Ken kam heraus, um nachzusehen, warum.