Выбрать главу

Er bückte sich, schaute durchs Fenster, und ich drehte die Scheibe herunter.

»Was ist los?« fragte er.

»Nichts weiter.«

»Offensichtlich doch.«

Ich seufzte. Fuhr zusammen. Lächelte schief. Zeigte auf meinen Bauch.

»Nagrebbs Sohn hat mir den Solarplexus auseinandergenommen«, sagte ich.

Er war verärgert. »Ich sagte Ihnen doch, Sie sollten da nicht hingehen.«

»Ja. Ganz allein meine Schuld.«

»Aber warum? Warum hat er Sie geschlagen?«

»Ich habe nach akuter Hufrehe gefragt.«

Er sah geschockt aus. »Das war doch verdammt blöd.«

»Mhm. Aber aufschlußreich die Reaktion, finden Sie nicht? Und Oliver war übrigens auch dort, wegen irgendeiner Sehnenzerrung. Nagrebb hatte ihn gerufen.«

»War Nagrebb selbst da?«

»Ja. Und eine grimmige junge Rothaarige, die es lustig fand, daß Nagrebbs Sohn mich niedergeschlagen hatte. Sie sind alle draußen auf der Koppel gewesen, als ich hinkam.«

Ken nickte. »Das war Nagrebbs Tochter. Ich hatte Sie gewarnt, daß der Sohn ein Giftbolzen ist.«

»Sie hatten recht.«

Gift, dachte ich. Ich war drauf und dran, Ken von Fugu zu erzählen, aber je mehr ich darüber nachdachte, desto weiter hergeholt kam es mir vor. Also kein Fugu. Wenn es aber ein nicht nachweisbares Gift gab, dann gab es vielleicht noch mehr von der Sorte. Warten wir, dachte ich, auf den Lieferschein von Parkway Chemicals.

Ich schob mich aus dem Wagen und richtete mich vorsichtig auf. Wenn ich im Film gesehen hatte, wie Leute fünf, sechs Schläge in den Magen bekamen, hatten sie das immer weggesteckt, als hätte eine Feder sie gestreift. Da ich die Behandlung nicht gewohnt war, fühlte ein Schlag sich an wie fünf, sechs Begegnungen mit einer Pfahlramme.

»Er hat ihnen wirklich weh getan«, meinte Ken besorgt.

»Na ja, wie Sie schon sagten, ich habe es ja herausgefordert.«

Als wir ins Haus gingen, bat ich ihn, mich vor Greg, Vicky und Belinda nicht in Verlegenheit zu bringen, und belustigt gab er mir sein Wort darauf.

Am Freitag morgen trafen zwei weitere Antwortbriefe ein, aber noch immer nicht der von Parkway Chemicals. Ich rief Parkway an, ließ mich zum Verkaufsleiter durchstellen und fragte, ob die Kopien für uns abgeschickt worden seien.

»Aber ja«, bestätigte er, »die sind gestern rausgegangen.«

»Vielen Dank.«

Er verstand nicht, daß ich so dahinter her war, und ich konnte es nicht erklären. Ob die Kopien einen Tag früher oder später eintrafen, mußte ihm belanglos erscheinen. Noch mehr Geduld war gefordert. Fürchterlich.

Ich erreichte Ken über sein Telefon und sagte ihm, daß noch zwei Pharma-Antworten gekommen seien.

»Bin gleich da«, sagte er.

Als er kam, erkundigte er sich nach meinen Blessuren.

»Es wird schon besser«, sagte ich. »Was haben wir heute?«

Er ging die gebündelten Rechnungen durch, Belege über sechs Monate von beiden Firmen. Er nickte, zog die Brauen hoch, nickte und ließ die Brauen wieder sinken.

»Nichts Ungewöhnliches«, bemerkte er zum ersten Stoß.

Der zweite Stapel versetzte ihn in Erregung.

»Jesses«, sagte er. »Sehen Sie sich das mal an!«

Er schob die Papiere über den Küchentisch und wies mit dem Zeigefinger auf eine Zeile.

»Insulin! Wir haben Insulin bestellt! Nicht zu fassen.«

»Wer genau hat es bestellt?«

»Weiß der Himmel.« Er runzelte die Stirn. »Wir haben keinen Extraapotheker, die Praxis ist nicht - war nicht -groß genug dafür. Wir stellen verschiedene Dinge in der Apotheke selbst her. Scott hat das oft gemacht. Jeder von uns. Was wir zur Verwendung entnehmen, schreiben wir auf. Die Herstellerfirmen werden mit eingetragen, wo es sich nicht um Ringerlösung, Schmerzmittel oder andere Dinge des täglichen Bedarfs handelt, die wir vom Großhändler beziehen. Die Sekretärin gibt die Liste in den Computer ein und ordert, sofern sie keine anderen Anweisungen hat, automatisch alles nach, wenn die Bestände knapp werden.«

»Demnach«, sagte ich, »könnte jeder Insulin als verwendet notieren, und die Sekretärin würde es automatisch mitbestellen?«

»Gott«, sagte er entsetzt.

»Wer nimmt die Lieferungen in Empfang?«

»Eine Sprechstundenhilfe schafft die Pakete in die Apotheke. Irgendeiner von uns packt die Sachen dann aus und ordnet sie ins Regal ein. Die meisten Sachen haben einen Stammplatz in den Regalen und werden viel gebraucht. Zum Beispiel Impfstoffe und Salben. Alles Ungewöhnliche oder Heikle steht in einem besonderen Fach. Stand, vielmehr. Ich sehe die Apotheke immer noch so vor mir, wie sie war, und vergesse, daß sie hinüber ist.«

»Wenn also jemand Insulin auspacken würde, dann käme das in eben dieses Sonderfach und wäre für den, der es bestellt hat, griffbereit?«

»Ein Klacks«, sagte er.

Er ging weiter die Rechnungen durch und stieß auf etwas, was ihm fast so gründlich den Atem verschlug wie mir die Faust von Nagrebbs Sohn.

»Das ist beängstigend«, sagte er tonlos. »Wir haben Kollagenase bestellt.«

»Wer hat sie bestellt?«

»Läßt sich nicht sagen.« Er schüttelte den Kopf. »Wenn die Sekretärin die Liste in den Computer eingegeben hat, vernichtet sie den Zettel vorsichtshalber im Shredder, damit ihn niemand aus unseren Papierkörben fischt und die Informationen benutzt, um Medikamente für sich zu bestellen. Wir müssen aufpassen mit Amphetaminen und beispielsweise auch den Wirkstoffen von LSD.«

»Weiß die Sekretärin, wer von Ihnen was bestellt hat?«

Er nickte. »Sie kennt unsere Unterschriften. Wir zeichnen immer ab, was wir entnehmen. Andernfalls fragt sie nach.«

»Ob sie sich wohl erinnert, wer Insulin und Kollagenase abgezeichnet hat?«

»Wir könnten sie fragen, aber sie hätte ja keinen Grund gehabt, sich das zu merken.« Er sah auf die Listen. »Insulin wurde vor sechs Monaten bestellt. Das paßt. Wynn Lees’ Pferd ist vergangenen September gestorben, kurz nachdem das Insulin hier eingetroffen sein dürfte. Da ist nicht lange gefackelt worden.«

»Und die Kollagenase?«

Er schaute das Datum nach. »Dito. Sie wurde ein paar Tage nachdem Nagrebbs Pferd sich das Bein durchbohrt hatte, geliefert.« Verwirrt blickte er auf. »Niemand hätte ein Pferd vorsätzlich so zurichten können.«

»Wie lange dauert es gewöhnlich, bis die Bestellungen kommen?«

»Nicht lange. Zwei, drei Tage, zumal wenn wir einen Sonderauftrag mit der Kennzeichnung >Eilt< aufgeben.«

»Ich könnte mir denken, daß in der Woche zwischen der Verarztung des durchbohrten Beins und der Auflösung der Sehne das Springpferd als gesund versichert und die Kollagenase per Eilauftrag angefordert worden ist.«

Ken rieb sich das Gesicht.

Ich sagte: »Was hindert jemanden daran, sich einen Bogen Briefpapier von der Praxis zu greifen, Insulin und Kollagenase zu bestellen und sich das Zeug an seine Privatanschrift schicken zu lassen? So wie ich die ganzen Briefe hierher geleitet habe.«

»Keine dieser Firmen würde irgendeine Substanz woanders hinschicken als an den Hauptsitz der Gemeinschaft«, überlegte er. »Die würden das nie tun. Dafür gibt es strenge Vorschriften.«

Ich seufzte. Viel weiter waren wir noch nicht, außer daß mit jedem langsamen Schritt die Gewißheit zunahm, daß jemand die Mittel und Wege der Ärztegemeinschaft für betrügerische Zwecke genutzt hatte.

»Bestellen alle Gemeinschaftspraxen nach dem gleichen Verfahren wie Sie?« fragte ich.

»Glaub ich nicht. Wir fallen da wahrscheinlich eher raus.

Aber bis jetzt war es bequem und unproblematisch.«

»Was ist mit Atropin?«

»Das brauchen wir ständig nach Augenoperationen, um die Pupille zu erweitern. Es wird naturgemäß ab und zu in kleinen Mengen auf den Rechnungen auftauchen.«

Wie gestern mußte ich erst eine Weile herumtelefonieren, bis ich Kommissar Ramsey erreichte.