»Was gibt’s?« fragte er ein wenig gereizt.
»Antworten von Pharma-Produzenten.«
Eine kurze Pause, dann: »Klinikbüro, heute nachmittag um drei.«
»Gut«, sagte ich.
Schließlich traf ich mich dann allein mit ihm, da Ken trotz der massiven Gerüchte, die wie Wespen durch die Gegend schwirrten, von einem Stammkunden gerufen worden war, einem Galopprenntrainer, der das Blutbild mehrerer potentieller Starter überprüft haben wollte. Er und Oliver, sagte Ken, seien ständig mit dieser Prozedur beschäftigt.
Der Kommissar schien ebenfalls allein zu sein, denn sein Wagen war der einzige auf dem Parkplatz. Ich parkte neben ihm, ging über den leeren Asphalt und in das verlassene Gebäude: keine Hunde, keine Katzen, keine Ärzte. Ramsey erwartete mich im Büro und hatte sich die Türen offenbar mit einem großen Schlüsselbund, wie auch Ken eins besaß, aufgeschlossen. Sein schütteres Haar war vom Wind zerzaust: Mehr denn je sah er aus wie ein Mensch, der viel im Freien war.
Wir setzten uns an den Schreibtisch, und ich gab ihm die Rechnungen und erklärte, was es mit Insulin und Kollagenase auf sich hatte und wie sie bestellt werden konnten.
Er kniff die Augen zusammen. »Sagen Sie das bitte noch mal.«
Als ich es wiederholt hatte, sah er nachdenklich drein. Ich erzählte ihm auch noch von der Teppichnadel und erwähnte Broses Theorie über die Vaterschaft des toten Fohlens.
Er kniff noch einmal die Augen zusammen. »Sie waren fleißig«, sagte er.
»Ich habe mir vorgenommen, Kens Namen reinzuwaschen.«
»Hm. Und Sie erzählen mir das jetzt alles«, sagte er auf seine unverblümte Art, »weil ich, wenn ich herausfinde, wer die Pferde umgebracht hat, dann auch weiß, wer Scott Sylvester umgebracht hat?«
»Ja.«
»Sie sagten, Sie haben noch die Teppichnadel, die in dem Darmstück steckt, und Sie haben Haarproben von der Stute, dem Fohlen und dem Hengst zum Chromosomenvergleich an ein Speziallabor geschickt. Ist das richtig? Und diese Stute hat Wynn Lees gehört?«
Ich nickte.
»Was noch?« fragte er.
»Atropin«, sagte ich und gab Kens Auffassung wieder.
»Sonst noch etwas?«
Ich zögerte. Er bat mich, weiterzureden. Ich sagte: »Ich habe die Besitzer und Trainer sämtlicher unter verdächtigen Umständen gestorbenen Pferde besucht oder mit ihnen gesprochen. Ich wollte ihnen mal auf den Zahn fühlen, wollte wissen, ob sie Schurken sind oder nicht. Herausbekommen, ob sie selbst in den Tod ihrer Pferde verwickelt gewesen sind.«
»Und?«
»Zwei sind Schurken, einer definitiv nicht, einer wahrscheinlich und einer vielleicht, aber der weiß nichts davon.«
Er fragte mich nach dem zuletzt Genannten, und ich erzählte ihm von dem alten Mackintosh und seinem sich ein- und ausblendenden Gedächtnis.
»Er erinnert sich«, sagte ich, »an die Reihenfolge, in der vor langer Zeit einmal Rennpferde in den Boxen auf seinem Stallhof gestanden haben. Die hat er mir vorgebetet wie eine Zauberformel. Sechs, sagte er, sei Vinderman. Nun, eines von den Pferden, bei denen man wahrscheinlich durch Atropin eine Kolik erzeugt hat, war in Box Nr. 6 untergebracht. Ich dachte, wenn man Mackintosh vielleicht einen Apfel oder eine Möhre in die Hand drückte - er gibt seinen Pferden täglich Mohrrüben - und ihn ausdrücklich bäte, sie an Vinderman zu verfüttern, dann würde er auf den Hof laufen und sie dem Pferd in Box Nr. 6 geben.«
Er sagte zweifelnd: »Sind Sie da sicher?«
»Natürlich bin ich mir nicht sicher, aber ich halte es für möglich. Es könnte auch sein, daß der Futtermeister weiß, wer Box 6 - und Box 16 - mit Geschenken für die Insassen beehrt hat. Der Futtermeister weiß mehr, als er sagt.« Dann setzte ich aus keinem anderen Grund als dem, daß es mir gerade durch den Kopf ging, hinzu: »Mackintosh wohnt in einer alten Mühle, die mal einer Familie Travers gehört hat.«
Selbst erfahrene Polizeibeamte haben ihre Muskulatur nicht ganz unter Kontrolle. Die leichte Haltungsänderung, die unwillkürliche Bewegungslosigkeit, die konnte er so wenig verbergen wie kürzlich Nagrebb. Ich hatte ihn überrumpelt.
»Travers«, wiederholte ich. »Was sagt Ihnen das?«
Er antwortete nicht direkt. »Kennen Sie jemand namens Travers?« fragte er.
Ich schüttelte den Kopf. Der Travers, mit dem ich als Kind gespielt hatte, war nur ein Name, an den meine Mutter sich entsann, nicht jemand, den ich kannte.
Er überlegte eine ganze Zeitlang, sagte aber nichts. Er stand auf und gab mir damit zu verstehen, daß das Gespräch hiermit vorbei und der einseitige Informationsfluß vorübergehend beendet war. Sollte ich noch weitere Auskünfte über Arzneimittel bekommen, sagte er, dann wäre er dafür sehr empfänglich.
»Wo kann ich Sie morgen erreichen?« fragte ich. »Wir haben nämlich zufällig herausgefunden, daß Scott zu einem Chemiewerk gefahren ist, um persönlich etwas abzuholen, was nicht mit der Post versandt werden darf. Morgen dürften wir wissen, was es war. Die Firma hat den Bescheid gestern abgeschickt.«
Ohne Zeit zu vergeuden, setzte er sich wieder hin, schrieb eine Nummer auf einen Notizzettel, gab sie mir und sagte, über die sei er immer zu erreichen.
»Der Postbote kommt um zehn«, sagte ich. »Ich werde Ken rufen müssen, damit er die Namen der Chemikalien in Worte übersetzt, die ich verstehe. Danach könnte ich Sie anrufen.«
»Ja, bitte«, nickte er.
»Erzählen Sie mir von Travers«, sagte ich überredend. »Vor langer Zeit gab es mal irgendeine Finanzierungsgesellschaft, die Upjohn & Travers hieß. Der jetzige Upjohn, Ronnie, ist so um die Sechzig. Er fungiert als Steward auf der Rennbahn von Stratford-upon-Avon. Vor etwa einem Jahr hatte er ein verletztes Pferd, das Ken einschläfern sollte. Ken sagte, er könne das Pferd retten, und hat es Upjohn zu nicht viel mehr als dem Fleischpreis abgekauft. Nach der fachmännischen chirurgischen Behandlung durch Ken hat das Pferd dann inzwischen ein
Rennen gewonnen, worüber Upjohn alles andere als erbaut ist. Unlogisch, aber so sind die Leute eben. Jedenfalls hatte der Vater von Ronnie Upjohn einen Partner namens Travers. Alles, was ich über ihn weiß, weiß ich aus zweiter Hand von Kens Mutter, Josephine, die den alten Travers als steinreich und als fürchterlichen Lüstling bezeichnet hat. Er wäre jetzt mindestens neunzig, schätze ich, wenn er noch lebte.«
Ramsey schloß die Augen, wie um zu verhindern, daß ich seine Gedanken las. »Sonst noch etwas?« fragte er.
»Hm ... Porphyr-Park.«
»Die scheußliche rote Bauruine auf dem Weg nach Tewkesbury? Was ist damit?«
»Der alte Mackintosh hat Geld da hineingesteckt und es verloren. Ronnie Upjohn und viele andere Leute hier aus der Gegend ebenfalls.«
Er nickte etwas grimmig, und ich fragte mich flüchtig, ob er selbst zu den Unglücklichen zählte.
Im Gesprächston fuhr ich fort: »Man muß nicht der Besitzer eines Pferdes sein, um es zu versichern. Es kann ohne Wissen des Besitzers versichert werden. Die von der Versicherung in gutem Glauben geleistete Zahlung läuft dann am Besitzer vorbei, der völlig ahnungslos bleibt.«
Seine Augen öffneten sich. Ich sah, daß er die Bedeutung des Gesagten durchaus verstand.
»Es ist sehr fraglich«, sagte ich, »aber vielleicht haben da einige eine Idee gehabt, wie sie ihre Verluste von Porphyr-Park wieder wettmachen könnten.«
Seine Hand fuhr zum Mund.
»Könnten Sie«, fragte ich, »irgendwoher eine Liste von den Leuten bekommen, die durch Anleihegarantien bei dem Projekt Geld verloren haben?«
»Sagen Sie bloß«, meinte er, bei aller Schulung doch ironisch, »das haben Sie noch nicht selbst geschafft?«
»Ich weiß nicht, wen ich fragen soll, und hätte wenig Aussicht, daß man es mir sagt.«
»Stimmt.« Ein Lächeln flackerte kurz auf. Er sagte nicht, ob er sich eine Liste besorgen und wenn ja, ob er sie mir zeigen würde. Die Polizei war nirgends auf der Welt dafür bekannt, daß sie ihre Informationen teilte.