tropischen Gewässern und kann seinen Körper mit Wasser oder mit Luft kugelförmig aufblasen, wobei die Stacheln in der Haut sich aufrichten ...«
So weit, so gut. Das dicke Ende war es, was mir die Luft verschlug.
»... gehört zur Familie der Tetraodontidae.«
Kugelfisch.
Also doch mein alter Freund Fugu.
Kapitel 12
»Kugelfisch?« sagte Ramsey.
Der Kommissar hatte sich wieder allein mit uns in der leeren Klinik getroffen. Es war fast so, als wollte er seine Sitzungen mit Ken und mir von den anderen Ermittlungen, die er durchführte, getrennt halten.
Ken hatte sein Buch über Gifte von zu Hause geholt.
»Tetrodotoxin«, las er vor, »ist eines der stärksten bekannten Gifte überhaupt. Es wird aus dem Kugelfisch gewonnen und führt durch Lähmung des neuromuskulären Systems zu Atem- und Herzstillstand. Die letale Dosis ist überaus gering; nur Mikrogramm pro Kilo Körpergewicht. Bei gerichtsmedizinischen Untersuchungen ist es daher kaum zu entdecken.«
»Lassen Sie mich das mal lesen«, sagte Ramsey.
Ken gab ihm das Buch, und wir warteten, während er die schlechte Nachricht verdaute. Dann ergriff er den Lieferschein und las ihn zum zweiten- oder drittenmal durch.
»Sie wollen mir also erzählen«, sagte er, »daß ein Milligramm von diesem Pulver ein Pferd umbringt? Ein Tausendstel Gramm?«
»Ja, mit Leichtigkeit«, sagte Ken. »Ein Rennpferd wiegt so ungefähr 450 Kilo. Ein Mikrogramm ist ein millionstel Gramm. Über den Daumen gepeilt, reicht eine von den Ampullen aus, um vier Pferde zu töten. Bis jetzt sind erst zwei tot, Fitzwalters angeknackstes Knie und die Zuchtstute.«
Betroffenes Schweigen trat ein, während wir uns, jeder für sich, ausrechneten, daß noch eine ganze Menge von dem Zeug herumliegen konnte.
»Streut man das Pulver dem Pferd aufs Futter?« fragte
Ramsey.
»Das könnte man schon«, meinte Ken zweifelnd, »aber normalerweise würde man es in Wasser auflösen und spritzen, am besten intravenös.«
»Und dabei Gummihandschuhe tragen«, tippte ich an.
»Mein Gott, ja.«
»Scott«, sagte ich, »muß gewußt haben, wer ihn gebeten hat, so weit zu fahren, um das Päckchen abzuholen. Er muß gewußt haben, wem er es gegeben hat. Er hat nicht unbedingt gewußt, was drin war.« Ich schwieg und setzte hinzu: »Das hat er wahrscheinlich am eigenen Leib erfahren.«
»Jesses«, sagte Ken leise.
»Sagen Sie’s uns«, bat ich Ramsey. »Sagen Sie nur ja oder nein. Haben Sie Einstichspuren von einer Nadel bei Scott entdeckt?«
Er schürzte die Lippen. Besah sich die Frage von Nord bis Süd. Ging einen ungeschriebenen Verhaltenskodex durch.
»Sie haben uns erheblich weitergeholfen«, sagte er schließlich. »Die Antwort ist ja.« Er konsultierte noch einmal sein Gewissen und rang sich zu einigen weiteren Sätzen durch. »Unsere viertägigen Untersuchungen haben ergeben, daß sich das Dreifache der normalen Dosis eines Schlafmittels, eingenommen in Kaffee, in dem Körper befand. Sonst sind bisher keinerlei Giftstoffe gefunden worden. Der Einstich ging in eine Vene auf dem Handrücken.«
Wenigstens hatte Scott geschlafen, als er starb, dachte ich. Und das war wahrscheinlich auch nötig gewesen. Diese ganze geballte Muskelkraft mußte auf einen, der sich mit einer todbefrachteten Spritze an ihn heranpirschen wollte, ziemlich abschreckend gewirkt haben. Da war die
Gefahr einfach zu groß, daß der Spieß umgedreht wurde.
Das symbolische Verschließen von Scotts Mund, dachte ich, war eine unbewußte Offenlegung des Motivs. Ich hatte noch nie mit einem Mord zu tun gehabt und verstand wenig von dem überwältigenden Drang zu töten, doch der makabre Zustand von Scotts Leiche deutete unmißverständlich auf einen überaus starken Zwang. Es hatte nicht genügt, ihn einfach stumm zu machen: Die barbarische Inszenierung mußte aus unbezähmbaren Trieben geboren worden sein. In den Tiefen der Seele versagte die Logik, Vorsicht galt nichts mehr, Besessenheit fegte alle Zurückhaltung weg.
Scott konnte ein Komplize gewesen sein, der schließlich Einwände erhoben hatte. Er konnte Unregelmäßigkeiten entdeckt und damit gedroht haben, sie zu enthüllen. Er konnte eine gefährliche kleine Erpressung versucht haben. Die Brutalität der Klammern war die gewalttätige Antwort darauf gewesen.
Ramsey plauderte, nachdem er einmal damit angefangen hatte, weiter aus der Schule: »Es kann wohl nicht schaden, wenn ich Ihnen mitteile, was heute noch der Presse bekanntgegeben werden wird. Wir haben die Person identifiziert, die nach dem Brand hier gefunden worden ist.«
»Wirklich?« rief Ken aus. »Wer war das?«
Aufreizenderweise beantwortete Ramsey die Frage im Krebsgang. »Normalerweise erhalten wir Meldung, wenn jemand vermißt wird. In diesem Fall wurde der Betroffene nicht als vermißt gemeldet, da seine Familie glaubte, er sei auf einem mehrtägigen Angelausflug und einer Handelskonferenz. Als er am vergangenen Donnerstag abend nicht zur erwarteten Zeit wiederkam, stellte die Familie fest, daß er gar nicht auf der Konferenz gewesen war. Sie war beunruhigt und verständigte uns sofort. Zum
Teil wegen Ihrer Informationen und Ihrer Andeutungen, Sir«, sagte er zu mir, »haben wir vermutet, der Vermißte und der unidentifizierte Leichnam könnten ein und dieselbe Person sein. Anhand seines Gebisses ist uns jetzt der Nachweis gelungen.«
Er schwieg. Ken sagte genervt: »Kommen Sie schon, wer war’s?«
Ramsey genoß seine Enthüllungen. »Ein Mann von zweiunddreißig, auf nicht allzu gutem Fuß mit seiner Frau, die nicht erwartet hatte, daß er sie von der Konferenz aus anrufen würde. Ein Versicherungsagent.« Er schwieg. »Sein Name«, sagte er schließlich, »war Travers. Theodore Travers.«
Ich merkte, wie mir die Kinnlade herunterfiel.
Theo, dachte ich. Der Travers, mit dem ich gespielt hatte, der Travers von der Mühle, hieß Theo.
Guter Gott, dachte ich. Vielleicht sollte man nie an den Ort seiner Kindheit zurückkehren, vielleicht nie das Schicksal seiner Freunde in Erfahrung bringen. Als Fremder in die Zukunft des eigenen früheren Lebens zurückzukehren, ein Abenteuer, das mir anfangs gefallen und mich gefangengenommen hatte, erschien mir jetzt als ein gefährliches Spiel, von dem man am besten die Finger ließ.
Es war zu spät, mir zu wünschen, ich wäre nie zurückgekommen. Da ich durch eine Verkettung seltener Zufälle nun einmal hier gelandet war, konnte ich nur noch versuchen, Kennys Sohn in einer besseren Verfassung zurückzulassen, als wenn ich mich aus all dem herausgehalten hätte.
»Upjohn und Travers«, sagte ich.
Ramsey nickte. »Wir haben das überprüft, nachdem Sie gestern davon gesprochen hatten. Die Firma existiert nicht mehr, schon seit vielen Jahren nicht, aber in den Tagen des geilen alten Travers war es eine Versicherungsagentur. Sie löste sich auf, als Travers und auch Upjohn starben.« Er sah mir gerade ins Gesicht. »Wo haben Sie von Upjohn und Travers gehört, Sir?«
»Ich weiß nicht«, sagte ich schwach.
Ken warf mir einen scharfen Blick zu, immer noch vertrauensvoll, aber zunehmend verwirrt.
Ich mußte den Namen der alten Firma wohl bei Theo zu Hause gehört haben. Ich wußte nicht, wieso er mir im Gedächtnis geblieben war.
»Weshalb«, fragte ich, »sollte ein Versicherungsagent sich spät abends in der Tierarztpraxis aufhalten?«
»Nun, weshalb?« fragte Ramsey, als wisse er die Antwort.
»Jemand hat ihn hereingelassen, um über Versicherungspläne zu sprechen«, sagte ich. »Vielleicht über die widerrechtliche Versicherung von Pferden. Vielleicht kam es dabei zu einem Streit, der zum Unfalltod oder zur vorsätzlichen Tötung von Travers geführt hat. Vielleicht wurde der Brand gelegt, um das zu vertuschen.«