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Am 12. Juni warteten sie darauf, daß die Übersetzer ihre Arbeit am Quellenmaterial beendeten. Die geprüften Übersetzungen sollten innerhalb von zwei Tagen vorliegen. Allerdings würde eine Reise nach Afrika für Amy und zwei Mitglieder der Gruppe mindestens dreißigtausend Dollar kosten - ein erheblicher Teil des gesamten Jahresetats, ganz abgesehen davon, daß für den Transport eines Gorillas um den halben Erdball eine verwirrende Vielzahl von Verwaltungs- und Zollvorschriften zu beachten war.

Sie brauchten die Hilfe von Experten. Aber an wen sollten sie sich wenden? Und dann, am 13. Juni, rief eine der Einrichtungen an, von denen ihr Projekt finanziert wurde, der Earth Resources Wildlife Fund in Houston, und eine gewisse Karen Ross erklärte, sie breche in zwei Tagen mit einer Expedition in den Kongo auf. Zwar zeigte sie keinerlei Interesse daran, Peter Elliot oder Amy mitzunehmen, doch vermittelte sie ihm - zumindest über das Telefon -das Gefühl einer beruhigenden Vertrautheit mit der praktischen Planung und der Führung von Expeditionen in abgelegene Gegenden der Erde.

Als sie Dr. Elliot fragte, ob sie ihn in San Francisco treffen könne, erwiderte er, es werde ihm ein Vergnügen sein, er stehe ihr jederzeit zur Verfügung.

3. Juristische Probleme

Peter Elliot blieb der 14. Juni des Jahres 1979 als ein Tag plötzlicher Wendungen im Gedächtnis. Es begann um acht Uhr morgens in der Anwaltssozietät Sutherland, Morton & O'Connell in San Francisco, wo er sich wegen der angedrohten Klage seitens der Vereinigung zum Schutz der Primaten auf Entzug des Sorgerechts über Amy eingefunden hatte - eine Angelegenheit, die nun um so wichtiger wurde, als er vorhatte, Amy mit außer Landes zu nehmen. Er traf mit John Morton in der holzgetäfelten Bibliothek der Kanzlei zusammen, von der aus man auf die Grant Street blickte.

Morton machte sich Notizen in einem gelben Heft mit perforierten Blättern. »Ich glaube nicht, daß Ihre Lage besonders problematisch ist«, meinte der Anwalt, »aber ich sollte ein paar Einzelheiten wissen. Amy ist also ein Gorilla?« »Ja, ein Berggorilla-Weibchen.« »Wie alt?« »Sieben.«

»Also noch ein Kind?«

Elliot erklärte ihm, daß Gorillas zwischen dem sechsten und dem achten Lebensjahr zur Geschlechtsreife gelangten, so daß Amy in der Spätpubertät und einem sechzehnjährigen Mädchen vergleichbar war.

Morton machte sich wieder Notizen. »Wir könnten also sagen, daß sie noch minderjährig ist?« »Ist das in unserem Interesse?« »Ich glaube schon.«

»Ja, sie ist noch minderjährig«, sagte Elliot. »Woher kommt sie? Ich meine ursprünglich.« »Eine Touristin namens Swenson fand sie in Bagimindi, einem Dorf in Afrika. Amys Mutter war von hungrigen Eingeborenen getötet worden. Mrs. Swenson kaufte Amy, die noch ein ganz junges Tier war.«

»Sie ist also nicht in Gefangenschaft geboren worden«, sagte Morton und blickte von seinen Notizen auf. »Nein. Mrs. Swenson nahm sie mit in die Vereinigten Staaten und schenkte sie dem Zoo von Minneapolis.« »Sie verzichtete also auf ihre Ansprüche an Amy?« »Das vermute ich«, sagte Elliot. »Wir haben versucht, mit ihr Verbindung aufzunehmen, um Einzelheiten über Amys früheres Leben zu erfahren, aber sie ist zur Zeit nicht erreichbar. Anscheinend reist sie viel - gegenwärtig ist sie in Borneo. Auf jeden Fall habe ich damals, als Amy nach San Francisco geschickt wurde, den Zoo von Minneapolis angerufen, um zu fragen, ob ich sie für Studienzwecke behalten könne. Der Zoo stimmte dem zu und überließ sie mir für drei Jahre.« »Haben Sie etwas dafür bezahlen müssen?«

»Nein.«

»Gibt es einen schriftlichen Vertrag darüber?« »Nein, ich habe einfach den Zoodirektor angerufen.« Morton nickte. »Mündlich getroffene Vereinbarung...« sagte er und schrieb wieder. »Und nach Ablauf der drei Jahre?« »Das war im Frühjahr 1976. Ich bat den Zoo um eine Verlängerung um sechs Jahre, die mir auch gewährt wurde.« »Wieder mündlich?« »Ja, am Telefon.« »Gibt es keine Korrespondenz?«

»Nein. Sie schienen bei meinem Anruf nicht besonders interessiert. Um die Wahrheit zu sagen, ich glaube, sie hatten Amy schon ganz vergessen. Der Zoo hat im übrigen vier Gorillas.« Morton runzelte die Brauen. »Ist ein Gorilla nicht ein ziemlich teures Tier? Ich meine, wenn man sich einen als Hausgenossen oder für einen Zirkus kaufen möchte?«

»Gorillas gehören zu den von der Ausrottung bedrohten Arten. Man kann sie nicht als Haustiere kaufen. Wenn das ginge, wären sie natürlich ziemlich teuer.« »Wie teuer?«

»Nun, es gibt keinen festgelegten Marktwert, aber so um zwanzig- oder dreißigtausend Dollar.«

»Und in all diesen Jahren haben Sie Amy eine Sprache beigebracht?«

»Ja«, sagte Peter Elliot. »Ameslan, die Zeichensprache, mit der sich hier in Amerika die Taubstummen verständigen. Sie beherrscht gegenwärtig sechshundertzwanzig Wörter.« »Ist das viel?«

»Mehr als jeder bekannte Primat.«

Morton nickte und machte sich wieder Notizen. »Und Sie arbeiten täglich mit ihr an Ihrem Forschungsprojekt?« »Ja.«

»Gut«, sagte Morton. »Das war bisher bei allen Fällen von Sorgerecht für Tiere sehr wichtig.«

Seit über hundert Jahren gab es in den westlichen Ländern organisierte Bewegungen zur Abschaffung von Tierversuchen.

An ihrer Spitze standen die Gegner der Vivisektion und die Tierschutzvereine. Ursprünglich hatten sich diese Organisationen aus tierliebenden Fanatikern zusammengesetzt, die jede Art von Tierversuchen unterbinden wollten.

Im Laufe der Jahre hatten die Naturwissenschaftler eine den Gerichten annehmbar erscheinende Standardrechtfertigung entwickelt. Als Ziel ihrer Experimente gaben die Forscher verbesserte Bedingungen für das gesundheitliche und allgemeine Wohlergehen der Menschen an, das über dem Wohlergehen der Tiere rangierte. Im übrigen wiesen sie darauf hin, daß niemand je gegen den Gebrauch von Tieren als Last- und Arbeitstiere protestiert habe - ein mühsames und schweres Los, das den Tieren seit Jahrtausenden beschieden war. Die Nutzung von Tieren für wissenschaftliche Experimente sei lediglich eine konsequente Weiterentwicklung der Idee, daß Tiere die Diener menschlicher Unternehmungen seien.

Außerdem waren Tiere unwissend. Sie waren sich ihrer selbst nicht bewußt und wußten nichts von ihrer Existenz in der Natur. Das bedeutete, um es mit den Worten des Philosophen George H. Mead zu sagen, daß »Tiere keine Rechte haben. Es steht uns frei, ihrem Leben ein Ende zu setzen.. In einem solchen Fall geschieht kein Unrecht. Das Tier büßt dabei nichts ein...« Viele Menschen zeigten sich von diesen Anschauungen beunruhigt, doch bei dem Versuch, Richtlinien zu erarbeiten, stieß man rasch auf Schwierigkeiten. Am eindeutigsten war das der Fall, wenn es um die Sinneswahrnehmungen von Tieren ging, die sich weiter unten auf der stammesgeschichtlichen Leiter befanden. Nur wenige Forscher arbeiteten mit Katzen, Hunden und anderen Säugern, ohne sie zu anästhesieren. Wie aber war es mit Ringelwürmern, Krebsen, Igeln und Tintenfischen? Machte sich nicht, wer diese Tiere überging, einer Art »Gattungsdiskriminierung« schuldig? Wenn aber diese Tiere es wert waren, daß man über sie nachdachte, mußte es dann nicht auch verboten sein, lebende Hummer in einen Topf mit siedendem Wasser zu werfen? Auch die Tierschutzvereinigungen trugen dazu bei, daß über die Frage, was »Tierquälerei« bedeutete, Unklarheit herrschte. In einigen' Ländern kämpften sie sogar gegen die Ausrottung der Ratten. Und 1968 wurde ein seltsamer Fall aus Australien berichtet. Man hatte in Westaustralien eine neue Arzneimittelfabrik errichtet, in der alle Dragees auf ein Förderband kamen. Eine Arbeitskraft mußte das Band beobachten und Knöpfe drücken, um die Dragees nach Farbe und Größe in verschiedene Behälter zu sortieren. Ein Forscher der Skinner-Schule wies darauf hin, daß es einfach sei, Tauben so abzurichten, daß sie die Dragees beobachteten und mit dem Schnabel farbig gekennzeichnete Knöpfe betätigten, um so das Sortieren zu besorgen. Die Unternehmensleitung stimmte skeptisch einem Test zu. Es zeigte sich, daß die Tauben die Arbeit tatsächlich zuverlässig verrichteten. Und so wurden sie an dem Förderband eingesetzt. Bald darauf schaltete sich der australische Tierschutzbund ein und erwirkte eine einstweilige Verfügung mit der Begründung, es handle sich um Tierquälerei. Die Aufgabe wurde wieder einer menschlichen Arbeitskraft übertragen, für die sie offenbar keine Quälerei bedeutete. Angesichts solcher Widersprüche zögerten die Gerichte, etwas gegen Tierexperimente zu unternehmen. Praktisch konnten die Forscher tun, was sie für richtig hielten. Die Tierversuche erreichten ein ungeheures Ausmaß. In den siebziger Jahren unseres Jahrhunderts wurden allein in den Vereinigten Staaten jährlich vierundsechzig Millionen Tiere für Forschungsvorhaben getötet.