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Der Legende nach war eine den Juden aus der Zeit König Salomons bekannte Stadt eine Quelle unermeßlichen Reichtums an Diamanten gewesen. Die Karawanenstraße zu dieser Stadt wurde stets eifersüchtig bewacht und die Kenntnis davon als heiliges Geheimnis durch Generationen hin vom Vater an den Sohn weitergegeben. Aber die Diamantenvorkommen waren erschöpft, und die Stadt lag nunmehr in Schutt und Trümmern, irgendwo im dunklen Herzen Afrikas. Die beschwerlichen Karawanenwege waren längst vom Urwald überwuchert, und der letzte Händler, dem der Weg bekannt gewesen war, hatte sein Geheimnis schon vor Jahrhunderten mit ins Grab genommen. Diesen rätselhaften Ort nannten die Araber die tote Stadt Zinj. Doch trotz ihres fortdauernden Nachruhms hatte Sarah Johnson nur wenig über sie in Erfahrung bringen können. 1187 berichtete Ibn Baratu, ein Araber aus Mombasa: »Die hiesigen Eingeborenen sprechen von einer toten Stadt weit im Landesinnern, die sie Zinj nennen. Ihre schwarzen Bewohner lebten dereinst in Reichtum und Luxus, und selbst die Sklaven schmückten sich mit Juwelen, vor allem mit blauen Diamanten, von denen es dort eine Unzahl gibt.«

1292 erwähnte ein Perser namens Mohammed Said, daß »ein Diamant von der Größe einer geballten Männerfaust in den Straßen von Sansibar zur Schau gestellt wurde. Es heißt, er komme aus dem Landesinnern, wo man die Ruinen einer Stadt namens Zinj finden kann. Dort gebe es überall im Boden und ebenso in Flüssen eine Fülle solcher Diamanten...« 1334 berichtete ein Araber, Ibn Mohammed: »Unsere Gruppe traf Anstalten, die Stadt Zinj zu suchen, aber wir gaben unsere Suche auf, als wir erfuhren, daß sie seit langem verlassen ist und in Trümmern liegt. Es heißt, das Aussehen der Stadt sei wunderlich und fremd, denn Türen und Fenster hätten die Rundung eines Halbmonds, und die Gebäude würden inzwischen von gewalttätigen haarigen Menschen bewohnt, die keine der bekannten Sprachen sprechen... «

Dann kamen die Portugiesen, diese unermüdlichen und unerschrockenen Forscher. Um 1544 wagten sie sich von der Westküste, dem mächtigen Kongo folgend, ins Landesinnere vor, doch stießen sie bald auf all die Hindernisse, die noch jahrhundertelang jeglicher Erforschung Zentralafrikas im Wege stehen sollten. Der Kongo war lediglich bis zu den ersten Stromschnellen befahrbar, gut dreihundert Kilometer ins Landesinnere, bis dahin, wo die heutige Stadt Kinshasa liegt, das ehemalige Leopoldville. Die Eingeborenen waren Kannibalen und den Weißen feindlich gesonnen. Dazu kam, daß der vor Hitze dampfende Dschungel Ursprung zahlreicher Krankheiten war - Malaria, Schlafkrankheit, Bilharziose und Schwarzwasserfieber -, welche die fremden Eindringlinge dezimierten.

Die Portugiesen gelangten nie ins Innere des Kongo-Gebiets, und auch die Engländer hatten 1644 unter Captain Brenner kein Glück - die gesamte Expedition ging verloren. Der Kongo widersetzte sich zweihundert Jahre lang der Erforschung und blieb ein weißer Fleck auf den immer genaueren Weltkarten. Doch berichteten auch die frühen Eroberer die Legenden über das Landesinnere, darunter die Geschichte von Zinj. Ein spanischer Maler portugiesischer Herkunft, Juan de Valdes Leal, zeichnete 1642 ein später weithin bekannt gewordenes Bild von der toten Stadt Zinj. »Allerdings«, fügte Sarah Johnson hinzu, »zeichnete er auch Bilder von geschwänzten Menschen und von Affen, die sich mit Eingeborenenfrauen vergnügen.« Jemand stöhnte auf.

»Valdes war offenbar verkrüppelt«, fuhr sie fort. »Er verbrachte sein ganzes Leben in Setubal, wo er mit den Matrosen trank und das, was er von ihnen hörte, malte.«

Afrika wurde erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts gründlich erforscht: von Burton und Speke, Baker und Livingstone, und vor allem von Stanley. Keiner von ihnen fand je eine Spur von der toten Stadt Zinj, und auch in den hundert Jahren seit ihren Forschungsreisen hatte niemand etwas von der geheimnisvollen Stadt gesehen.

Die Stimmung der Projektgruppe Amy war jetzt sehr gedämpft. »Ich habe Ihnen ja gleich gesagt, daß es keine gute Nachricht sein würde«, sagte Sarah Johnson.

»Soll das heißen«, fragte Peter Elliot, »daß dieses Bild ausschließlich auf einer Beschreibung basiert und daß wir gar nicht wissen, ob es die Stadt wirklich gegeben hat?«

»So ist es, fürchte ich«, antwortete Sarah Johnson. »Es gibt keinen Beweis dafür, daß die Stadt auf dem Bild je existiert hat. Es ist wohl einfach nur eine Geschichte.«

4. Entschluß

Da Peter Elliot sich stets auf klare Tatsachen verließ - Zahlen, Daten, Kurven -, traf ihn die Eröffnung, das Bild in dem Buch könne mit all seinen Einzelheiten Ausfluß der Phantasie eines hemmungslosen Zeichners sein, völlig unvorbereitet. Es war ein harter Schlag.

Auf einmal erschienen ihm alle Pläne, Amy in den Kongo zu bringen, kindlich und naiv. Die Ähnlichkeiten zwischen ihren flüchtigen, schematischen Bildern und der Zeichnung von Valdes aus dem Jahre 1642 waren also ein bloßer Zufall. Wie waren sie je darauf verfallen, daß eine tote Stadt Zinj etwas anderes sein könne als der Gegenstand einer alten Legende? Dem 17. Jahrhundert mit seiner Welt der sich weitenden Horizonte und der neuen Wunder mußte die Vorstellung einer solchen Stadt absolut vernünftig und sogar zwingend erschienen sein. Doch in unserem computerisierten 20. Jahrhundert war die tote Stadt Zinj etwas so Unwahrscheinliches wie König Artus' Camelot oder das zauberische Kloster Shangri La im fernen Tibet. Wie albern, daß sie je ernsthaft darüber nachgedacht hatten. »Es ist also nichts mit der toten Stadt«, sagte er.

»Auf jeden Fall gibt es sie«, bekam er zur Antwort. »Daran besteht kein Zweifel.«

Elliot blickte rasch auf, und dann sah er, daß die Antwort nicht von Sarah Johnson gekommen war.

Am anderen Ende des Raums stand eine ihm unbekannte Frau, schlank, hochgewachsen, Anfang Zwanzig. Man hätte sie als schön bezeichnen können, hätte sie nicht so viel Kühle und Distanz ausgestrahlt. Sie trug ein strenges Kostüm und hielt einen Aktenkoffer in der Hand, den sie jetzt auf den Tisch stellte und öffnete. »Ich bin Dr. Ross«, erklärte sie, »vom Wildlife Fund, und ich hätte gern Ihre Ansicht zu diesen Bildern gehört.« Sie reichte eine Serie von Fotos herum, die von den Angehörigen der Projektgruppe mit Pfeifen und Seufzen zur Kenntnis genommen wurden. Elliot wartete am Kopfende des Tischs ungeduldig, bis die Bilder zu ihm kamen.

Es waren grobkörnige Schwarzweißbilder, über die waagerechte Streifen liefen. Man hatte sie von einem Bildschirm fotografiert, aber was sie darstellten, war unverkennbar: eine Ruinenstadt im Dschungel. Über den Türen und Fenstern der Häuser wölbten sich seltsame halbmondförmige Bogen.

5. Amy

»Über Satellit?« fragte Elliot noch einmal und hörte die Spannung in seiner eigenen Stimme.

»Richtig. Die Bilder sind uns vor zwei Tagen aus Afrika über Satellit übermittelt worden.« »Sie kennen also die Lage dieser Ruinen?« »Selbstverständlich.«

»Und Ihre Expedition bricht in wenigen Stunden auf?« »In genau sechs Stunden und dreiundzwanzig Minuten«, sagte Karen Ross mit einem raschen Blick auf ihre Digitaluhr. Elliot vertagte die Arbeitssitzung und sprach über eine Stunde unter vier Augen mit Karen Ross. Später behauptete Elliot, Karen Ross habe ihn über das Ziel der Expedition und die den Teilnehmern drohenden Gefahren »getäuscht«. Aber er wollte unbedingt mit, und die wahren Hintergründe der Expedition und die möglichen Gefahren interessierten ihn zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich nicht besonders. Auf Grund seiner großen Erfahrung in der Kunst, Gelder für seine Arbeit lockerzumachen, waren ihm seit langem Situationen vertraut, wo sich das Geld anderer und seine eigenen Motive nicht genau zur Deckung bringen ließen. Das war die zynische Seite der    Wissenschaft.    Wieviel    reine Grundlagenforschung war in den vergangenen dreißig Jahren finanziert worden, weil sie vielleicht ein Heilmittel gegen Krebs erbringen würde? Ein Forscher versprach das Blaue vom Himmel herunter, um Geld für seine Arbeit zu bekommen.