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Aber Karen Ross ging es nicht um diese Gesichtspunkte des Sekundärwalds, sondern lediglich um seine Albedo. Da es im Sekundärwald anders geartete Pflanzen gab, mußte seine Albedo von der des Primärwalds abweichen. Sie ließ sich nach dem Alter abstufen: Da im Unterschied zu den Hartholzbäumen des Primärwalds, die ein Alter von Jahrhunderten erreichten, die Weichhölzer des Sekundärwalds nur etwa zwanzig Jahre alt wurden, mußte an die Stelle der frühen Form des Sekundärwalds eine andere und später noch eine andere Ausprägung treten. Durch Überprüfung von Gebieten, in denen sich im allgemeinen später Sekundärwald fand - wie zum Beispiel an den Ufern großer Flüsse, wo der Boden für zahlreiche menschliche Ansiedlungen gerodet worden war, die man später wieder aufgegeben hatte -, stellte sie fest, daß die Computer der ERTS tatsächlich die auftretenden geringen Unterschiede in der Reflexion messen konnten.

Sie gab daraufhin den Auftrag, daß die ERTS-Abtastgeräte auf einer Fläche von fünfzigtausend Quadratkilometer Regenwald an den Westhängen der Virunga-Vulkane im Abstand von jeweils hundert Metern oder weniger nach Albedounterschieden von 0,03 oder darunter suchen sollten. Diese Aufgabe hätte eine aus fünfzig Luftfotografieauswertern bestehende Gruppe einunddreißig Jahre lang beschäftigt - der Computer tastete hundertneunundzwanzigtausend Satelliten-und Luftaufnahmen in knapp neun Stunden ab. Und er fand die Stadt.

Im Mai 1979 verfügte Karen Ross über ein Computer-Bild, das ein sehr altes SekundärwaldMuster von geometrischer Gitterform zeigte. Es lag zwei Grad nördlich des Äquators, auf dreißig Grad östlicher Länge an den Westhängen des noch tätigen Vulkans Muhavura. Der Computer schätzte das Alter des Sekundärwalds auf fünf- bis achthundert Jahre.

»Und dann haben Sie eine Expedition hingeschickt?« fragte Elliot. Karen Ross nickte. »Vor drei Wochen. Sie wurde von einem Südafrikaner, einem gewissen Krüger, geführt und bestätigte die Diamantenvorkommen. Als sie ihnen auf der Suche nach dem Ursprungsort nachging, fand sie die Ruinen der Stadt.« »Und was geschah dann?« fragte Elliot.

Er sah sich das Videoband ein zweites Mal an. Auf dem Bildschirm waren die SchwarzweißAufnahmen des zerstörten Lagers zu erkennen, aus dessen schwelenden Resten Rauch aufstieg, sowie mehrere Leichen mit zermalmten Schädeln. Dann fiel ein Schatten über die Leichen, die Kamera ging zurück auf Totale und zeigte den Umriß des ungestalten Schattens. Elliot gab zu, daß er wie der Schatten eines Gorillas aussah, beharrte aber: »Das können keine Gorillas gewesen sein. Gorillas sind friedliche Pflanzenfresser.«

Sie sahen sich die Aufzeichnung zu Ende an und betrachteten anschließend das letzte vom Computer. aufbereitete Bild, das deutlich den Kopf eines Gorillamannes erkennen ließ. »Da, sehen Sie selbst«, sagte Karen Ross. Elliot war nicht überzeugt. Er ließ die letzten drei Sekunden des Bildmaterials noch einmal durchlaufen und betrachtete prüfend den Kopf des Tiers. Das Bild war unscharf, geisterhaft, aber trotz allem stimmte etwas daran nicht, ohne daß er genau hätte sagen können, was. Nicht nur das Verhalten, das Karen Ross ihm geschildert hatte, war artuntypisch, sondern da war auch ... Er drückte den Standbildknopf und starrte auf das Bild vor ihm. Behaarung und Gesicht waren grau, da gab es keinen Zweifel.

»Können wir den Kontrast noch etwas verstärken?« fragte er Ross. »Das Bild ist so verwaschen.«

»Mal sehen«, sagte Ross und betätigte mehrere Knöpfe. »Ich finde das Bild übrigens ziemlich kontrastreich.« Sie konnte es nicht dunkler bekommen.

»Das Exemplar hier ist ziemlich grau«, sagte er. »Gorillas sind sehr viel dunkler.«

»Also für Video ist dieser Kontrastbereich in Ordnung.«

Elliot war sicher: Das Tier war zu hell, es konnte kein Berggorilla sein. Wenn er keine neue Unterart vor sich sah, war es eine neue Art. Eine neue Spezies von Herrentieren, ein angriffslustiger grauer Menschenaffe, den man im östlichen Kongo entdeckt hatte... Er hatte sich der Expedition angeschlossen, um Amys Träume an Hand der Wirklichkeit zu überprüfen - und es war eine großartige psychologische Einsicht, die er sich da versprochen hatte - nun plötzlich war sein Ziel weit höher gesteckt. Karen Ross fragte: »Sie glauben also nicht, daß es ein Gorilla ist?«

»Es gibt Möglichkeiten, das zu prüfen«, sagte er und blickte mit gerunzelter Stirn auf den Bildschirm, während die Maschine durch die Nacht flog, immer weiter nach Osten.

2. B-8-Aufgaben

»Was soll ich tun?« fragte Tom Seamans, den Hörer zwischen Hals und Schulter geklemmt, und wälzte sich auf die Seite, um einen Blick auf seinen Wecker zu werfen. Es war drei Uhr früh. »In den Zoo gehen«, wiederholte Elliot. Seine Stimme klang verfremdet, als spreche er unter Wasser. »Peter, von wo rufst du eigentlich an?«

»Von irgendwo über dem Atlantik«, sagte Elliot. »Wir sind auf dem Weg nach Afrika.« »Ist wirklich alles in Ordnung?«

»Sogar in bester Ordnung«, sagte Elliot. »Aber geh bitte unbedingt gleich nach dem Aufstehen in den Zoo.« »Und was soll ich da?«

»Mit einer Videokamera die Gorillas aufnehmen. Sieh zu, daß sie sich bewegen, das ist für die Ausarbeitung der Merkmalsunterschiede sehr wichtig.«

»Das schreibe ich mir besser auf«, sagte Seamans. Als demjenigen, der den Computer für die Projektgruppe Amy programmierte, war es ihm nichts Neues, ungewöhnliche Aufträge zu erhalten -wenn auch nicht gerade mitten in der Nacht. »Eine Unterscheidungsfunktion für welche Merkmale?« »Wenn du schon dabei bist, sieh dir alle Filme an, die wir über Gorillas haben - beliebige Gorillas, wilde, im Zoo lebende, was auch immer. Je mehr Muster du dir ansiehst, desto, besser, vorausgesetzt, die Tiere bewegen sich. Als Vergleichsbasis nimm am besten Schimpansen. Alles, was wir über Schimpansen haben. Übertrag es auf Band und untersuch es mit der Funktion.«

»Was für eine Funktion denn bloß?« gähnte Seamans. »Die, die du noch schreiben sollst«, sagte Elliot. »Ich brauche eine mehrfach variable Unterscheidungsfunktion, beruhend auf vollständigem Bildmaterial -«

»- du meinst also eine VerhaltensmusterErkennungsfunktion?« Seamans hatte MusterErkennungsfunktionen für Amys Sprachgebrauch programmiert, mit deren Hilfe man ihre Zeichen vierundzwanzig Stunden am Tag überwachen und auswerten konnte. Auf dieses Programm war er sehr stolz, es stellte auf diesem Gebiet einen beachtlichen Durchbruch dar. »Strukturiere sie, wie du es für richtig hältst«, sagte Elliot. »Auf jeden Fall brauche ich eine Funktion, die Gorillas von anderen Primaten, zum Beispiel von Schimpansen, unterscheidet. Also eine artendifferenzierende Funktion.«

»Ist das dein Ernst?« fragte Seamans. »Das ist eine B-8-Auf-gabe.« Auf dem noch in den Kinderschuhen steckenden Gebiet der ComputerProgramme für Mustererkennung waren sogenannte B-8-Aufgaben die schwierigsten. Ganze Forschergruppen hatten Jahre mit dem vergeblichen Versuch zugebracht, Computern den Unterschied zwischen einem »B« und einer »8« beizubringen -eben weil er so ins Auge springt. Was aber das menschliche Auge sofort erkennt, ist für die Abtasteinrichtung des Computers keineswegs klar -ihr muß man das mitteilen. Es zeigte sich, daß die dafür erforderlichen Anweisungen weit schwieriger waren, als sich das jemand hätte träumen lassen, vor allem natürlich bei handschriftlichen Texten. Dann verlangte Elliot noch ein Programm, das in der Lage war, ähnliche Bilder von Gorillas und Schimpansen zu unterscheiden. Seamans konnte sich die Frage nicht verkneifen: »Wozu das denn? Das ist doch klar. Ein Gorilla ist ein Gorilla, und ein Schimpanse ist ein Schimpanse.« »Tu es einfach«, sagte Elliot.