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Aber als Gegenleistung durfte sie nichts darüber sagen, was an Bord der Maschine geschehen war. Die fünf hätten sich in das Dodekaeder gesetzt, miteinander geredet und wären dann wieder herausgekommen. Wenn sie auch nur ein einziges anderes Wort ausplauderte, würde das gefälschte psychiatrische Persönlichkeitsprofil seinen Weg in die Medien finden, und man würde sie mit Bedauern entlassen müssen. Ellie überlegte, ob man auch versucht hatte, sich Peter Valerians, Waygays und Eda Abonnebas Schweigen zu erkaufen. Sie verstand nicht, wie man hoffen konnte, dieses Stillschweigen für immer zu bewahren — wenn man nicht die Wissenschaftler von fünf Nationen und vom Weltkonsortium erschießen wollte, die die Einsatzbesprechung durchgeführt hatten. Es war nur eine Frage der Zeit. Offensichtlich wollte man sich Zeit kaufen.

Es überraschte sie, wie mild die Strafen waren, mit denen man ihr drohte. Aber Verletzungen der Übereinkunft würden, wenn überhaupt, nicht mehr während Kitz’ Dienstzeit vorkommen. Kitz würde in Kürze zurücktreten. In einem Jahr sollte die Lasker-Administration nach der verfassungsgemäßen Höchstzeit von zwei Legislaturperioden aus dem Amt scheiden. Kitz hatte sich entschieden, Teilhaber einer Anwaltskanzlei in Washington zu werden, die für ihre Klienten aus der Rüstungsindustrie bekannt war. Aber Ellie vermutete, daß Kitz noch nicht mit der ganzen Sache fertig war. Über ihre Berichte von dem, was im Zentrum der Galaxis geschehen war, schien er sich zwar nicht weiter Gedanken zu machen. Sie war aber sicher, daß die Möglichkeit ihm Kopfzerbrechen bereitete, der Tunnel könne immer noch zur Erde hin, wenn schon nicht von ihr weg, offenstehen. Ellie glaubte, daß man die Anlage in Hokkaido bald abbauen würde. Die Ingenieure würden wieder in ihre Betriebe und Universitäten zurückkehren. Was würden sie dort erzählen? Vielleicht würde das Dodekaeder in der Wissenschaftsstadt von Tsukuba ausgestellt werden. Nach einiger Zeit, wenn sich die Aufmerksamkeit der Welt wieder anderen Dingen zugewandt hatte, würde es vielleicht auf dem Maschinengelände zu einer Explosion kommen — zu einer nuklearen Explosion, falls Kitz eine plausible Erklärung für so etwas einfiel. Wenn es sich um eine nukleare Explosion handelte, war die Verseuchung durch Strahlen ein ausgezeichneter Grund, das gesamte Gebiet zum Sperrgebiet zu erklären. Die Strahlung würde das Gelände zumindest vor unerwünschten Beobachtern abschirmen und vielleicht sogar die Mündung des Tunnels abschütteln. Aber wahrscheinlich würde die Empfindlichkeit der Japaner gegenüber Kernwaffen, auch wenn sie unterirdisch zur Explosion gebracht wurden, Kitz dazu zwingen, sich mit einer gewöhnlichen Explosion zufriedenzugeben. Vielleicht würde man sie als eines der vielen Grubenunglücke von Hokkaido tarnen. Aber Ellie bezweifelte, daß eine Explosion, ob nuklear oder konventionell, die Erde vom Tunnel lösen konnte. Aber vielleicht hatte Kitz nichts von alledem im Sinn. Vielleicht dachte sie schlechter von ihm, als er war. Schließlich mußte auch er von Machindo beeinflußt worden sein. Sicher hatte er eine Familie, Freunde, jemanden, den er liebte. Irgendwann einmal mußte auch er Gefühle gehabt haben.

Am nächsten Tag verlieh die Präsidentin ihr in einer öffentlichen Feierstunde im Weißen Haus den Freiheitsorden. In dem in eine weiße Marmorwand eingebauten Kamin brannten die Scheite. Die Präsidentin hatte viel politisches und finanzielles Kapital in das Maschinenprojekt gesteckt und war entschlossen, vor der Nation und der Welt das Gesicht zu wahren, so gut es ging. Die Investitionen, die die Vereinigten Staaten und andere Nationen für die Maschine geleistet hatten, so wurde immer wieder beteuert, hätten sich in vollem Umfang ausgezahlt. Neue Technologien und Industrien blühten, und das Volk würde davon mindestens ebenso viele Vorteile haben wie von den Erfindungen Thomas Edisons. Die Menschheit habe entdeckt, daß sie nicht allein sei, daß weit fortgeschrittenere Intelligenzen dort draußen im Weltraum existierten. Das, so die Worte der Präsidentin, hätte für alle Zeiten die Vorstellung des Menschen von sich selbst verändert. Von sich persönlich könne sie sagen — und sie glaube, daß sie damit für die meisten Amerikaner spreche —, daß die Entdeckung ihren Glauben an Gott gefestigt habe, von dem nun offenbar geworden sei, daß er auf vielen Welten Leben und Intelligenz erschaffen habe. Die Präsidentin war sicher, daß diese Schlußfolgerung sich harmonisch zu allen Religionen fügen würde. Der größte Erfolg des Projekts aber sei der Geist, den die Maschine auf die Erde gebracht habe — das zunehmende Verständnis der Menschen untereinander, das Gefühl, daß wir alle gemeinsam auf einer gefährlichen Reise durch Raum und Zeit seien, und das Ziel einer globalen Einheit der Zwecke, die auf dem ganzen Planeten als Machindo bekannt sei. Die Präsidentin stellte Ellie vor die Kameras der Leute von Presse und Fernsehen und sprach von ihrer Beharrlichkeit während zwölf langer Jahre, von dem Genie, mit dem sie die BOTSCHAFT entdeckt und entschlüsselt habe, und von ihrem Mut, an Bord der Maschine zu gehen. Niemand habe gewußt, was die Maschine tun werde. Frau Dr. Arroway habe bereitwillig ihr Leben aufs Spiel gesetzt. Es sei nicht Frau Dr. Arroways Schuld, daß nichts passierte, als die Maschine gestartet wurde. Sie habe das Menschenmögliche getan. Sie verdiene den Dank aller Amerikaner und der ganzen Menschheit. Ellie sei sehr bescheiden. Trotz ihrer natürlichen Zurückhaltung habe sie, als dazu die Notwendigkeit bestand, die Last auf ihre Schultern genommen, der Öffentlichkeit den Inhalt der BOTSCHAFT und die Konstruktion der Maschine zu erklären. Sie habe sogar eine Geduld im Umgang mit der Presse gezeigt, die sie, die Präsidentin, besonders bewundere. Man solle Frau Dr. Arroway jetzt wirklich ein wenig Ruhe gönnen, damit sie ihre wissenschaftliche Arbeit weiterverfolgen könne. Es habe Pressemitteilungen, Einsatzbesprechungen und Interviews mit Verteidigungsminister Kitz und dem wissenschaftlichen Berater des Weißen Hauses, Der Heer, gegeben. Die Präsidentin hoffte, daß die Presse Frau Dr. Arroways Wunsch respektieren werde, keine Pressekonferenz zu geben. Es gebe jedoch Gelegenheit zum Photographieren. Als Ellie Washington verließ, war sie sich immer noch nicht im klaren, wieviel die Präsidentin eigentlich wußte.

In einer kleinen, schnittigen Düsenmaschine des Joint Military Airlift Command wurde Ellie zurückgeflogen. Mit einer Zwischenlandung in Janesville war man einverstanden gewesen. Ihre Mutter trug den alten gesteppten Morgenrock. Jemand hatte ihr etwas Rouge auf die Wangen gelegt. Ellie drückte das Gesicht neben ihre Mutter ins Kopfkissen. Die alte Frau konnte wieder sprechen, auch wenn es ihr Mühe bereitete, und außerdem ihren rechten Arm soweit gebrauchen, daß sie Ellie ein paarmal sanft über die Schulter streichen konnte.

„Mama, ich muß dir etwas erzählen. Du wirst staunen. Aber versuche, ruhig zu bleiben. Ich möchte dich nicht aufregen. Mama. ich habe Papa gesehen. Ich habe ihn gesehen. Er läßt dir viele Grüße sagen.“

„Ja.“ Die alte Frau nickte langsam. „War gestern hier.“ Ellie wußte, daß John Staughton das Pflegeheim am Tag zuvor besucht hatte. Er hatte sich entschuldigt, daß er Ellie heute nicht begleiten könne. Er hatte es mit einem Übermaß an Arbeit begründet, aber vielleicht wollte er auch einfach in diesem Augenblick nicht stören. Dennoch hörte sie sich mit einiger Gereiztheit sagen: „Aber nein. Ich rede von Papa.“

„Sag ihm.“, war die schleppende Stimme der alten Frau zu hören, „sag ihm, Chiffonkleid. Reinigung bringen. Heimweg vom Geschäft.“

Im Universum ihrer Mutter hatte ihr Vater offensichtlich immer noch das Haushaltswarengeschäft. In Ellies auch.

Der lange Bogen des Zauns schnitt von Horizont zu Horizont durch die Steppenwüste. Gebraucht wurde er nicht mehr. Ellie war froh, wieder zurück zu sein. Sie freute sich darauf, ein neues Forschungsprogramm entwickeln zu können, wenn auch in viel kleinerem Rahmen. Jack Hibbert war zum geschäftsführenden Direktor der Argus-Station ernannt worden, und sie fühlte sich von den Verwaltungsaufgaben entlastet. Weil sehr viel Teleskopzeit freigeworden war, seit das Signal von der Wega nicht mehr empfangen wurde, gab es einen ungestümen Fortschritt in einem Dutzend Unterdisziplinen der Radioastronomie, die lange Zeit dahingesiecht waren. Keiner ihrer Mitarbeiter glaubte wie Kitz, daß die BOTSCHAFT gefälscht war. Sie überlegte, was wohl Der Heer und Valerian ihren Freunden und Kollegen über die BOTSCHAFT und die Maschine erzählt hatten.