Ellie bezweifelte, daß Kitz außerhalb seines Verstecks im Labyrinth des Pentagon, das er bald räumen mußte, auch nur ein Wort davon verraten hatte. Sie war einmal dort gewesen. Ein Marinesoldat mit einer Waffe im ledernen Halfter und hinter dem Rücken gefalteten Händen bewachte steif das Portal für den Fall, daß ein Passant in dem Gewirr konzentrischer Gänge Geduld und Verstand verlieren sollte. Willie hatte selbst den Thunderbird von Wyoming geholt, er würde also für sie bereitstehen. Verabredungsgemäß durfte sie ihn nur auf dem Gelände fahren, das aber groß genug für Vergnügungsfahrten war. Die Landschaften des westlichen Texas konnte sie so freilich nicht mehr sehen. Sie hatte keine Hasen mehr als Ehrenwache und konnte keine Fahrten in die Berge unternehmen, um einen südlichen Stern zu beobachten. Das war das einzige, was sie an der Abgeschiedenheit bedauerte.
In der folgenden Zeit belagerte eine größere Truppe Presseleute die Gegend in der Hoffnung, ihr eine Frage zurufen oder sie mit einem Teleobjektiv photographieren zu können. Aber Ellie ließ sich nicht blicken. Die neu eingestellten Mitarbeiter der Presseabteilung waren sehr erfolgreich und sogar ein wenig rücksichtslos, wenn es galt, Anfragen abzuwimmeln. Schließlich hatte die Präsidentin um Ruhe für Frau Dr. Arroway gebeten. Während der folgenden Wochen und Monate schrumpfte das Bataillon von Reportern auf eine Kompanie und schließlich auf die Größe eines Zugs zusammen. Jetzt war nur noch eine Gruppe der beharrlichsten übrig, von denen die meisten zum World Hologram und anderen Sensationsblättern und chiliastischen Zeitschriften gehörten, sowie der einsame Vertreter einer Publikation, die sich Wissenschaft und Gott nannte. Niemand wußte, zu welcher Sekte das Blatt gehörte, und der Reporter verriet es auch nicht.
Als die Artikel geschrieben waren, berichteten sie von zwölf Jahren engagierter Arbeit, die ihren Höhepunkt in der folgenschweren Entschlüsselung der BOTSCHAFT und dem Bau der Maschine gefunden hatte. Auf dem Gipfel der Erwartungen der ganzen Welt hatte sie leider versagt. Die Maschine war nirgendwohin geflogen. Natürlich war Frau Dr. Arroway enttäuscht, sie litt, so die Spekulation der Blätter, möglicherweise sogar an Depressionen. In vielen Leitartikeln wurde die Zwangspause positiv beurteilt. Die atemberaubende Geschwindigkeit, mit der die neuen Entdeckungen gemacht worden waren, und die offensichtliche Notwendigkeit einer religiösen und philosophischen Neuorientierung mache eine Zeit der Besinnung und des überlegten Neubeginns notwendig. Vielleicht sei die Erde noch nicht bereit für den Kontakt mit fremden Zivilisationen. Die Soziologen und einige Pädagogen behaupteten, es werde mehrere Generationen lang dauern, bis man das bloße Vorhandensein außerirdischer Intelligenzen, die weiter fortgeschritten waren als die Menschen, richtig verarbeitet habe. Das sei ein schwerer Schlag für die menschliche Selbstachtung, sagten sie. Es sei fürs erste genug. Ein paar Jahrzehnte später werde man die Prinzipien, die der Maschine zugrunde lagen, viel besser verstehen. Man werde sehen, welche Fehler man gemacht habe. Dann werde man darüber lachen, wie klein das Versehen gewesen sei, das damals 1999 den ersten Start der Maschine verhindert hatte. Religiöse Kommentatoren machten geltend, daß das Versagen der Maschine die Strafe für die Sünde des Stolzes, die Anmaßung des Menschen sei. Billy Joe Rankin behauptete in einer im ganzen Land ausgestrahlten Fernsehansprache, daß die BOTSCHAFT tatsächlich direkt aus einer Hölle namens Wega gekommen sei, was seinen früheren Standpunkt in der Angelegenheit maßgeblich bestätige. Die BOTSCHAFT und die Maschine seien ein moderner Turm zu Babel. Die Menschen hätten auf dumme und tragische Weise danach getrachtet, den Thron Gottes zu erreichen. Vor Tausenden von Jahren sei eine Stadt der Unzucht und Gotteslästerung mit Namen Babylon erbaut worden, die Gott zerstört habe. In der heutigen Zeit gebe es wieder eine solche Stadt mit dem gleichen Namen. Diejenigen, die sich dem Wort Gottes verschrieben hatten, hätten seinen Willen auch dort erfüllt. Die BOTSCHAFT und die Maschine stellten einen neuen Angriff des Bösen auf die Gerechten und Gottesfürchtigen dar. Aber wieder sei das Wirken des Dämons im Ansatz vereitelt worden — in Wyoming durch einen gottgegebenen Unfall, im gottlosen Rußland durch die Verwirrung kommunistischer Wissenschaftler durch göttliche Gnade. Aber trotz dieser klaren Hinweise auf den Willen Gottes, fuhr Rankin fort, hätten die Menschen ein drittes Mal versucht, die Maschine zu bauen. Gott habe sie gewähren lassen. Dann habe er still und leise die Maschine versagen lassen, die Absicht des Dämons vereitelt und damit einmal mehr Fürsorge und Interesse für seine irregeleiteten und sündigen und, um die Wahrheit zu sagen, unwürdigen Kinder bewiesen. Es sei an der Zeit, daß die Menschen aus ihrer Sündhaftigkeit und den von ihnen begangenen Greueln die Lehre zogen. Noch vor der Jahrtausendwende, vor dem wirklichen Beginn des neuen Jahrtausends am 1. Januar 2001 sollten die Menschen sich und ihren Planeten wieder Gott weihen.
Die Maschine sollte vernichtet werden mit all ihren Teilen. Der Vorstellung, die Menschen könnten eher durch den Bau einer Maschine als dadurch, daß sie ihre Herzen reinigten, ins Reich Gottes gelangen, müsse mit Stumpf und Stiel ausgemerzt werden, bevor es zu spät sei. In ihrer kleinen Wohnung ließ Ellie Rankin zu Ende reden. Dann schaltete sie den Fernseher ab und fuhr fort, ihren Computer zu programmieren.
Telefonanrufe nach außen waren ihr nur in das Pflegeheim in Janesville, Wisconsin, gestattet. Alle ankommenden Gespräche mit Ausnahme derer aus Janesville wurden abgefangen. Man entschuldigte sich dafür höflich bei ihr. Die Briefe von Der Heer, Valerian und ihrer alten Schulfreundin Becky Ellenbogen legte sie ungeöffnet ab. Als Eilpost und dann mit Kurier kamen Briefe von Palmer Joss aus South Carolina. Sie war versucht, sie zu lesen, aber dann tat sie es doch nicht. Sie schickte ihm eine Notiz, in der nur stand: „Lieber Palmer, jetzt nicht. Ellie“, und gab sie ohne Absender zur Post. Sie wußte nicht, ob sie ankommen würde. In einer Fernsehsendung über ihr Leben, die ohne ihr Einverständnis gedreht worden war, hieß es, daß sie ein noch weltabgeschiedeneres Leben führe als Neil Armstrong oder sogar Greta Garbo. Ellie nahm alles mit fröhlichem Gleichmut hin. Sie war anderweitig beschäftigt. Sie arbeitete Tag und Nacht.
Das Kommunikationsverbot mit der Außenwelt erstreckte sich nicht auf rein wissenschaftliche Zusammenarbeit, und über asynchrone Telekommunikation organisierte sie mit Waygay zusammen ein langfristiges Forschungsprojekt. Zu den Untersuchungsgegenständen gehörten die unmittelbare Umgebung von Sagittarius A im Zentrum der Galaxis und die großartige außergalaktische Radioquelle Cygnus A. Die Teleskope von Argus wurden als Teil einer zeitlich aufeinander abgestimmten Anordnung in Verbindung mit den sowjetischen Teleskopen in Samarkand eingesetzt. Der Gesamteffekt der amerikanisch-sowjetischen Anordnung war der eines einzigen Radioteleskops von der Größe der Erde. Sie arbeiteten mit einer Wellenlänge von einigen Zentimetern und konnten Radioquellen, die so klein waren wie das innere Sonnensystem, noch in einer Entfernung, die der zum Zentrum der Galaxis entsprach, bestimmen. Ellie fürchtete, daß das nicht genug sein könnte und daß die beiden kreisenden Schwarzen Löcher noch wesentlich kleiner waren. Trotzdem konnte ein ständiges Überwachungsprogramm etwas ergeben. Was sie wirklich brauchten, war ein Radioteleskop, das mit einem Raumfahrzeug auf die andere Seite der Sonne gebracht wurde und mit den Radioteleskopen auf der Erde in einer Reihe arbeitete. So konnten Menschen ein Teleskop schaffen, das effektiv die Größe der Erdumlaufbahn hatte. Damit, so rechnete sie, konnte man einen Körper von der Größe der Erde im Zentrum der Galaxis ausmachen. Oder vielleicht von der Größe der Grand Central Station.