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Die meiste Zeit schrieb sie an neuen Programmen für den Cray 21 und an einem Bericht über die wichtigsten Vorkommnisse, die sich in den zwanzig Minuten Erdzeit nach Aktivierung der Maschine ereignet hatten. Der Bericht sollte so genau wie möglich werden. Etwa nach der Hälfte wurde sie sich bewußt, daß sie ihren Bericht ja nie würde veröffentlichen dürfen. Sie schrieb sozusagen im Samisdat, im Selbstverlag, und ihre Technologien waren Schreibmaschine und Kohlepapier. Sie schloß das Original und zwei Kopien zu einem vergilbenden Exemplar der Hadden Decision in ihren Safe, versteckte den dritten Durchschlag hinter einem losen Brett in der Elektronikzelle des Teleskops 49 und verbrannte das Kohlepapier. Es verursachte einen schwarzen, beißenden Rauch. Sechs Wochen darauf war die Neufassung der Programme fertig, und als Ellie gerade wieder an Palmer Joss dachte, tauchte er persönlich am Tor von Argus auf. Der Weg war ihm durch einige Telephonanrufe eines Sonderbeauftragten der Präsidentin freigemacht worden, die Joss ja schon seit Jahren kannte. Sogar hier im Südwesten mit seinen lockeren Kleidungsvorschriften trug er, wie immer, Jackett, weißes Hemd und Krawatte. Ellie gab ihm den Palmwedel zurück, dankte ihm für den Anhänger und erzählte ihm trotz Kitz’ Ermahnungen, ihre Halluzinationen für sich zu behalten, sofort alles.

Sie übernahmen die Gepflogenheit von Ellies sowjetischen Kollegen, die jedesmal, wenn etwas politisch Unorthodoxes gesagt werden mußte, das dringende Bedürfnis für einen Spaziergang an der frischen Luft verspürten. Ein entfernter Beobachter hätte sehen können, wie Joss gelegentlich anhielt und mit lebhaften Gebärden auf Ellie einsprach. Jedesmal nahm sie dann seinen Arm, und sie gingen weiter.

Er hörte mitfühlend und verständnisvoll zu und war ausnehmend tolerant — vor allem für jemanden, dessen Grundsätze von ihrem Bericht in den Grundfesten erschüttert werden mußten. wenn Joss ihm überhaupt Glauben schenkte. Nachdem er damals, als die BOTSCHAFT zum erstenmal empfangen worden war, nicht hatte kommen wollen, zeigte sie ihm jetzt endlich Argus. Er war umgänglich, und sie stellte fest, daß sie sich freute, ihn zu sehen. Sie wünschte, sie wäre nicht so beschäftigt gewesen, als sie ihn das letzte Mal in Washington getroffen hatte.

Scheinbar ziellos kletterten sie die schmale metallene Außentreppe hinauf, die auf dem Sockel des Teleskops 49 aufsaß. Der Anblick von 130 Radioteleskopen, die auf eigenen Eisenbahnschienen bewegt werden konnten, war einzigartig auf der Welt. In der Elektronikzelle schob sie das Brett zurück und zog einen dicken Umschlag mit Joss’ Namen heraus. Er steckte ihn in die Innentasche seiner Jacke, wo er deutlich als Ausbuchtung zu sehen war Ellie erzählte ihm von den Beobachtungsprotokollen über Sagittarius A und Cygnus A und von ihrem Computerprogramm.

„Es ist sehr zeitraubend, Pi etwa bis zur zehn hoch zwanzigsten Stelle auszurechnen. Auch der Cray braucht dazu seine Zeit. Und wir wissen nicht, ob das, wonach wir suchen, in Pi zu finden ist. Die Außerirdischen haben eher angedeutet,

daß es dort nicht ist. Es könnte genausogut in e sein oder einer anderen Zahl aus der Familie der transzendenten Zahlen, von der sie Waygay erzählt haben. Es könnte eine völlig andere Zahl sein. Zu versuchen, ein Ergebnis zu erzwingen, indem man einfach bis in alle Ewigkeit transzendente Zahlen berechnet, wäre Zeitverschwendung. Aber hier in Argus gibt es sehr anspruchsvolle Entschlüsselungsalgorithmen. Sie wurden dafür entwickelt, Muster in einem Signal festzustellen, und sie zeigen alles an, was nicht nach Zufall aussieht. Also habe ich die Programme umgeschrieben.“ Als sie seinen Gesichtsausdruck sah, fürchtete sie, sich nicht klar ausgedrückt zu haben, und schloß deshalb eine weitere Erklärung an.

„… aber nicht, um die Kommastellen einer Zahl wie Pi zu berechnen, sie auszudrucken und zur Begutachtung vorzulegen. Dazu ist nicht genug Zeit. Statt dessen rast das Programm über die Ziffern von Pi weg und auch zum Nachdenken hält es nur an, wenn eine anormale Folge von Nullen und Einsen auftritt. Verstehen Sie, worauf ich hinauswill? Auf etwas nicht Zufälliges. Natürlich gibt es rein zufällig ein paar Nullen und Einsen. Zehn Prozent der Ziffern werden Nullen sein und weitere zehn Prozent Einsen. Im Durchschnitt. Je mehr Ziffern wir durchgehen, desto längere Folgen aus Nullen und Einsen werden wir durch Zufall bekommen. Das Programm weiß, wie viele statistisch zu erwarten sind, und berücksichtigt nur unerwartet lange Folgen. Und es sucht nicht nur im Dezimalsystem.“

„Das verstehe ich nicht. Wenn man nur lange genug zufällige Zahlenfolgen untersucht, stößt man dann nicht schon durch Zufall auf jedes gewünschte Muster?“

„Sicher. Aber man kann errechnen, wie wahrscheinlich das ist. Wenn man zu einem sehr frühen Zeitpunkt eine sehr komplexe Botschaft erhält, weiß man, daß es kein Zufall sein kann. Der Computer arbeitet also jeden Tag in den frühen Morgenstunden an diesem Problem. Es werden keine Daten von außen eingegeben. Und bis jetzt sind auch noch keine Daten herausgekommen. Das Programm durchläuft nur die optimale Reihenentwicklung für Pi und beobachtet, wie die Ziffern vorbeifliegen. Nichts sonst. Bis es etwas findet, spricht es nur, wenn es gefragt wird. Es hält eine Art Nabelschau.“

„Ich bin weiß Gott kein Mathematiker. Können Sie mir ein Beispiel geben?“

„Sicher.“ Sie suchte in den Taschen ihres Overalls nach einem Stück Papier, fand aber keines. Sie überlegte, ob sie den Umschlag aus seiner Brusttasche holen sollte, den sie ihm gerade gegeben hatte, um darauf zu schreiben. Sie entschied aber, daß das hier im Freien zu riskant war. Als er merkte, was sie suchte, zog er einen kleinen Spiralblock heraus. „Danke. Pi beginnt mit 3,1415926. Sie sehen, die Ziffern wechseln ganz zufällig. Gut, unter den ersten vier Ziffern taucht zweimal die Eins auf, aber wenn man eine Weile weitermacht, gleicht sich das wieder aus. Jede Zahl von eins bis zehn erscheint fast genau an zehn Prozent der Stellen, wenn man genügend Ziffern zusammenkommen läßt. Gelegentlich bekommt man einige aufeinanderfolgende gleiche Ziffern, wie zum Beispiel 4444, aber nicht häufiger, als statistisch zu erwarten ist. Nehmen Sie jetzt einmal an, Sie gingen fröhlich diese Ziffern durch und fänden plötzlich nur noch Vieren. Hunderte von Vieren in einer Reihe. Das braucht zwar noch keine Information zu enthalten, aber ist auch kein statistischer Zufall mehr. Man könnte die Ziffern von Pi Äonen lang berechnen, aber wenn sie wirklich zufällig aufeinanderfolgen, würde man nie dahin kommen, daß man hundert aufeinanderfolgende Vieren findet.“

„Es ist wie bei Ihrer Suche nach der BOTSCHAFT. Mit diesen Radioteleskopen.“

„Ja. In beiden Fällen haben wir nach einem Signal gesucht, das nicht nur ein statistischer Zufall ist.“

„Es würde also um mehr gehen als nur hundert Vieren, ist das richtig? Es könnte auch zu uns sprechen?“

„Ja. Stellen Sie sich vor, wir bekämen nach einiger Zeit eine lange Folge von Nullen und Einsen. Dann könnten wir genauso wie bei der BOTSCHAFT ein Bild herausziehen, falls eines darin ist. Sie verstehen, es könnte alles mögliche dabei herauskommen.“

„Sie meinen, Sie könnten ein Bild entschlüsseln, das in Pi versteckt ist, und es könnte ein Text in hebräischen Buchstaben sein?“

„Sicher. Große schwarze Buchstaben. In Stein gemeißelt.“ Er musterte sie forschend.

„Verzeihen Sie, Eleanor, aber meinen Sie nicht, daß Sie vielleicht eine Spur zu. indirekt sind? Sie gehören keinem buddhistischen Schweigeorden an. Warum gehen Sie nicht einfach mit Ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit?“