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waren die, die später die Verwalter der Galaxis werden sollten, zu verlassenen Kindern geworden. Wie Ellie selbst.

Sie dachte über Edas Hypothese nach, daß die Tunnel Wurmlöcher seien, die in zweckmäßigen Abständen auf unzählige Sterne dieser und anderer Galaxien verteilt waren. Sie ähnelten den Schwarzen Löchern, aber sie hatten abweichende Eigenschaften und einen anderen Ursprung. Sie waren nicht ganz masselos, Ellie hatte gesehen, wie sie Gravitationsrinnen im kreisenden Schutt des Systems der Wega hinterlassen hatten. Durch sie hindurch reisten viele Arten von Wesen mit ihren Raumschiffen durch die Räume der Galaxis.

Wurmlöcher. Im vielsagenden Jargon der theoretischen Physik war das Universum ein Apfel, und jemand hatte ihn durchbohrt, das Innere mit Tunneln durchlöchert, die das Kernhaus durchkreuzten. Für einen Bazillus, der an der Oberfläche lebte, war das ein Wunder. Aber ein Wesen, das außerhalb des Apfels stand, war davon weniger beeindruckt. Von seinem Standpunkt aus waren die Tunnelbauer nur ärgerlich. Aber wenn die Erbauer der Tunnel Würmer waren, wer waren dann die Menschen? Der Computer von Argus war tief in rt eingedrungen, tiefer als irgend jemand auf der Erde, ob Mensch oder Maschine, je eingedrungen war, jedoch nicht annähernd so tief, wie die Verwalter gekommen waren. Also konnte es noch nicht die seit langem unentschlüsselte Botschaft sein, von der ihr Theodore Arroway an den Ufern jenes nirgends verzeichneten Meeres erzählt hatte. Vielleicht war es nur ein Auftakt, eine Vorschau auf kommende Wunder, ein Zeichen, damit die Menschen nicht den Mut verlören. Was es auch sein mochte, es konnte unmöglich die Botschaft sein, die zu entschlüsseln sich die Verwalter bemühten. Vielleicht waren einfache Botschaften und schwierige Botschaften in den verschiedenen transzendenten Zahlen eingeschlossen, und der Argus-Computer hatte die einfachste gefunden. Mit ihrer Hilfestellung.

Auf der Station hatte sie Demut gelernt. Sie war daran gemahnt worden, wie wenig die Bewohner der Erde wirklich wußten. Vielleicht gab es so viele Stufen von fortgeschritteneren Wesen als den Menschen wie zwischen uns und den Ameisen, oder möglicherweise sogar wie zwischen uns und den Viren standen. Aber Ellie war deshalb nicht niedergeschlagen. Statt entmutigter Resignation hatte sie ein zunehmendes Gefühl der Verwunderung in sich gespürt. Es gab jetzt so viel mehr, wonach man streben konnte. Es war wie der Schritt von der High School zum College, von einer Situation, in der einem alles mühelos zuflog, zu der Notwendigkeit, ausdauernd und diszipliniert zu lernen, um den Stoff überhaupt zu verstehen. In der High School hatte sie den Unterrichtsstoff schneller begriffen als die anderen. Im College hatte sie gemerkt, daß es viele Leute gab, die schneller waren als sie. Sie hatte das gleiche Gefühl zunehmender Schwierigkeit gehabt, als sie auf die Universität kam und als sie Astronomin wurde. Auf jeder Stufe hatte sie Wissenschaftler getroffen, die mehr konnten als sie selbst, und jede Stufe war aufregender gewesen als die vorangegangene. Laß die Offenbarungen kommen, dachte sie, als sie auf den Telefax-Apparat schaute. Sie war bereit.

ÜBERTRAGUNGSPROBLEM. S/N10. BITTE WARTEN.

Sie war über einen Satelliten namens Defcom Alpha mit dem Argus-Computer verbunden. Vielleicht war ein Lagekontrollproblem entstanden, oder das Programm hatte einen Knoten. Bevor sie noch weiter darüber nachdenken konnte, merkte sie, daß sie den Umschlag geöffnet hatte. HAUSHALTSWAREN ARROWAY, stand auf dem Briefkopf, und natürlich war es das Schriftbild der alten Royal- Schreibmaschine, die ihr Vater daheim stehen hatte, um geschäftliche und private Rechnungen zu schreiben. „13. Juni 1964“ war in die rechte obere Ecke getippt. Damals war sie fünfzehn gewesen. Ihr Vater konnte das nicht geschrieben haben, er war damals schon seit Jahren tot. Am unteren Ende der Seite erkannte sie in der Unterschrift die saubere Handschrift ihrer Mutter.

Meine liebste Ellie,

jetzt, wo ich tot bin, hoffe ich, daß Du mir verzeihen kannst. Ich weiß, daß ich Dir gegenüber eine Sünde begangen habe, und nicht nur Dir gegenüber. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, wie Du mich hassen würdest, wenn Du die Wahrheit wüßtest. Deshalb habe ich nie den Mut aufgebracht, es Dir zu sagen, während ich noch lebte. Ich weiß, wie sehr Du Ted Arroway geliebt hast, und ich möchte, daß Du weißt, daß auch ich ihn liebte. Und immer noch liebe. Aber er war nicht Dein richtiger Vater. Dein richtiger Vater ist John Staughton. Ich habe etwas sehr Falsches getan. Ich hätte es nicht tun sollen, ich war schwach, aber wenn ich es nicht getan hätte, wärst Du nicht auf der Welt. Sei also bitte nachsichtig, wenn Du an mich denkst. Ted wußte es, und er hat mir verziehen, und wir verabredeten, es Dir nie zu sagen. Aber jetzt schaue ich gerade aus dem Fenster und sehe Dich im Hof. Du sitzt da und denkst über Sterne und Dinge nach, die ich nie verstehen werde, und ich bin so stolz auf Dich. Dir ist die Wahrheit so wichtig, ich denke, es ist richtig, daß Du diese Wahrheit über Dich selbst erfährst. Über Deine Herkunft, meine ich. Wenn John noch lebt, hat er dir diesen Brief gegeben. Ich weiß, daß er es tun wird. Er ist ein besserer Mensch, als du denkst, Ellie. Ich hatte Glück, daß ich ihn wiedergefunden habe. Vielleicht haßt Du ihn so sehr, weil etwas in Dir die Wahrheit herausgefunden hat. Aber in Wirklichkeit haßt du ihn, weil er nicht Theodore Arroway ist. Das weiß ich.

Du sitzt immer noch dort draußen. Du hast Dich nicht gerührt, seit ich diesen Brief begonnen habe. Du denkst einfach nach. Ich hoffe und bete, daß Du finden wirst, was Du suchst. Vergib mir. Ich war nur ein Mensch.

In Liebe, Mama

Ellie hatte den Brief in einem Zug durchgelesen und las ihn sofort noch einmal. Sie hatte Schwierigkeiten zu atmen. Ihre Hände waren feucht. Der falsche Vater hatte sich als der richtige erwiesen. Fast ihr ganzes Leben lang hatte sie ihren eigenen Vater abgelehnt, ohne die leiseste Ahnung zu haben, was sie tat. Welche Charakterstärke hatte er bei all den pubertären Ausbrüchen gezeigt, wenn sie ihm vorwarf, daß er nicht ihr Vater sei und also kein Recht habe, ihr etwas vorzuschreiben.

Der Telefax-Apparat klingelte wieder, zweimal. Er forderte sie auf, jetzt die RETURN-Taste zu drücken. Aber sie hatte keine Gedanken frei. Er mußte warten. Sie dachte an ihren Va. an Theodore Arroway, an John Staughton und an ihre Mutter. Sie hatten ihr viel geopfert, und sie war zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, um es auch nur zu bemerken. Sie wünschte sich, daß Palmer bei ihr wäre. Der TelefaxApparat klingelte wieder, und der Wagen bewegte sich vorsichtig. Sie hatte den Computer darauf programmiert, beharrlich zu sein, sogar ein bißchen erfinderisch, wenn es galt, ihre Aufmerksamkeit zu erregen, und wenn er meinte, in p etwas gefunden zu haben. Aber jetzt war sie viel zu sehr damit beschäftigt, die Teile ihres Lebens neu zusammenzusetzen. Ihre Mutter mußte am Schreibtisch im großen oberen Schlafzimmer gesessen und aus dem Fenster geschaut haben, als sie überlegt hatte, wie sie den Brief formulieren sollte. Ihr Blick hatte dabei auf der fünfzehn Jahre alten Ellie geruht, die linkisch und aufsässig gewesen war.

Ihre Mutter hatte ihr ein letztes Geschenk gemacht. Durch diesen Brief war Ellie in die Vergangenheit zurückversetzt worden und auf ihr früheres Selbst gestoßen. Es gab noch so viel zu erfahren.

Über dem Tisch, auf dem der ratternde Telefax-Apparat stand, hing ein Spiegel. In ihm sah sie eine Frau, die weder jung noch alt war, weder Mutter noch Tochter. Sie hatten recht gehabt, ihr die Wahrheit zu verheimlichen. Sie war noch nicht weit genug gewesen, um das Signal zu empfangen, geschweige denn, es zu entschlüsseln. Sie hatte ihr Leben mit dem Versuch zugebracht, mit den fernsten und fremdartigsten aller Fremden Kontakt aufzunehmen, während sie im eigenen Leben mit fast niemandem Kontakt aufgenommen hatte. Sie war fanatisch dabeigewesen, die Schöpfungsmythen anderer Leute zu entlarven, während sie der Lüge in ihrem eigenen Leben gegenüber blind gewesen war. Sie hatte ihr ganzes Leben lang das Universum erforscht, seine deutlichste Botschaft jedoch übersehen: Für kleine Geschöpfe wie die Menschen ist die Unendlichkeit nur durch die Liebe zu ertragen.