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„Frau Dr. Arroway? Hören Sie mich?“ Der Ingenieur beugte sich über sie und sah, daß ihre Lider unruhig zuckten und sie flach atmete. Ellie blinzelte zweimal, nahm die Kopfhörer ab und lächelte ihn entschuldigend an. Manchmal mußten ihre Kollegen sehr laut sprechen, wenn sie das verstärkte kosmische Radiorauschen übertönen wollten. Sie schrie dann zurück — bei kurzen Gesprächen hatte sie keine Lust, die Kopfhörer abzunehmen —, um die Lautstärke des Rauschens zu übertönen. Wenn sie mit ihren Gedanken ganz woanders gewesen war und dann plötzlich eine zwanglos oder gar lustig gemeinte Bemerkung machte, wirkte das auf einen Außenstehenden inmitten der Stille der weitläufigen Radiostation manchmal wie ein Teil eines hitzigen, grundlosen Streites. Aber jetzt sagte sie nur: „Tut mir leid. Ich war gerade ganz woanders.“

„Dr. Drumlin ist am Telephon. Er sitzt in Jacks Büro und sagt, daß er mit Ihnen verabredet sei.“

„Ach du liebe Güte, das hab ich völlig vergessen.“ Drumlin war noch immer ein brillanter Kopf, aber er hatte jetzt noch mehr Spleens, die damals, als Ellie kurze Zeit bei ihm studiert hatte, noch nicht so deutlich gewesen waren. Zum Beispiel hatte er die peinliche Angewohnheit, immer, wenn er sich unbeobachtet glaubte, nachzusehen, ob er seine Hose wirklich ordentlich zugemacht hatte. Auch war er mit den Jahren immer mehr zu der Überzeugung gekommen, daß es keine extraterrestrischen Lebewesen gab oder sie zumindest zu selten und zu weit entfernt waren, um von den Menschen entdeckt zu werden. Er war nach Argus gekommen, um das wissenschaftliche Kolloquium abzuhalten, das einmal die Woche stattfand. Aber Ellie stellte fest, daß er noch aus einem anderen Grund gekommen war. Drumlin hatte einen Brief an die National Science Foundation geschrieben, in dem er darauf drängte, daß Argus seine Suche nach extraterrestrischen Intelligenzen einstellte und sich ganz der konventionellen Radioastronomie widmete. Er zog den Brief aus seiner Jackettasche und bestand darauf, daß Ellie ihn las.

„Aber wir sind doch erst viereinhalb Jahre dabei. Wir haben uns noch nicht einmal ein Drittel der nördlichen Hemisphäre angesehen. Es ist der erste Durchgang, der das Radiorauschen auf einer Milliarde Kanälen untersucht. Warum sollen wir jetzt damit aufhören?“

„Es wird immer so bleiben wie jetzt, Ellie. Auch nach Jahren wird man überhaupt nichts entdeckt haben. Dann werden Sie vorschlagen, daß man eine Argus-Station für einige hundert Millionen Dollar in Australien oder Argentinien baut, um die südliche Hemisphäre abzuhorchen. Und wenn das auch nichts bringt, werden Sie davon reden, ein Paraboloid mit frei schwebender Antenne in die Erdumlaufbahn zu schicken, damit man auch Millimeterwellen empfangen kann. Es wird immer noch eine Art der Beobachtung geben, die man noch nicht ausprobiert hat. Und Sie werden immer eine Erklärung zur Hand haben, warum die extraterrestrischen Wesen gerade dort senden könnten, wo wir noch nicht hingesehen haben.“

„Ach, Dave, wir haben doch schon hundertmal darüber gesprochen. Wenn wir keinen Erfolg haben, dann wissen wir zumindest, wie selten intelligente Wesen sind — zumindest intelligente Wesen, die so denken wie wir und die mit rückständigen Zivilisationen wie der unseren in Verbindung treten könnten. Und wenn wir Erfolg haben, wird es die Sensation der Astronomie. Ich kann mir keine großartigere Entdeckung vorstellen.“

„Es gibt erstklassige Projekte, für die kein Teleskop zur Verfügung steht. Es gibt Forschungsarbeiten über die Evolution der Quasare, über binäre Pulsare, über die Chromosphäre benachbarter Sterne und über diese merkwürdigen interstellaren Proteine. Solche Projekte müssen warten, nur weil diese Anlage, die die beste ihrer Art auf der Welt ist, fast ausschließlich für SETI genutzt wird.“

„Zu fünfundsiebzig Prozent, Dave. Fünfundzwanzig Prozent gehen an Routineversuche.“

„Sprechen Sie nicht von Routine, Ellie. Wir können bis in die Zeit der Entstehung der Galaxien und vielleicht sogar noch weiter zurückschauen. Wir können die Kerne gigantischer Molekülwolken und die Schwarzen Löcher in den Zentren der Galaxien untersuchen. Da ist eine Revolution in der Astronomie im Gange, und Sie stehen ihr im Weg.“

„Dave, versuchen Sie nicht, das ganze nur auf mich zu schieben. Argus wäre niemals gebaut worden, wenn die Öffentlichkeit SETI nicht unterstützt hätte. Argus war nicht meine Idee. Sie wissen ganz genau, daß man mich zum Direktor gemacht hat, als die letzten vierzig Reflektoren noch im Bau waren. Die NSF steht geschlossen — “

„Nicht ganz, und überhaupt nicht, wenn ich etwas zu sagen hätte. Das Ganze ist doch Effekthascherei und Stoff für billige UFO-Geschichten in den Comic Strips, für die die jungen Leute so anfällig sind.“

Jetzt brüllte Drumlin geradezu, und Ellie fühlte den unwiderstehlichen Drang, ihm einfach das Wort abzudrehen. Es lag an der Art ihrer Arbeit und ihrer vergleichsweise hohen Stellung, daß sie immer wieder Situationen ausgesetzt war, in denen sie, von den Serviererinnen und den Stenotypistinnen einmal abgesehen, die einzige Frau unter lauter Männern war. Trotz ihrer Bemühungen würde es wohl immer zahllose männliche Wissenschaftler geben, die sich nur mit männlichen Kollegen unterhielten und Ellie in Gesprächen hartnäckig unterbrachen oder einfach ignorierten, was sie zu sagen hatte. Ab und zu gab es auch solche wie Drumlin, die geradezu eine persönliche Antipathie zeigten. Aber Drumlin behandelte sie immerhin wie viele andere Männer auch. In seinen Wutausbrüchen war er unparteiisch und suchte beide Geschlechter gleichermaßen heim. Nur ganz wenige ihrer männlichen Kollegen blieben in ihrer Gegenwart natürlich. Mit ihnen sollte sie eigentlich mehr Zeit verbringen. Mit Menschen wie Kenneth Der Heer, dem Molekularbiologen vom Salk- Institut, der erst vor kurzem zum Wissenschaftsberater im Weißen Haus ernannt worden war. Und natürlich mit Peter Valerian.

Ellie wußte, daß viele Astronomen Drumlins ablehnende Haltung Argus gegenüber teilten. Auch auf der Station hatte sich nach den ersten zwei Jahren eine gewisse Ermüdung eingeschlichen. Es gab leidenschaftliche Diskussionen bei der Essensausgabe oder während der langen, ereignislosen Stunden, in denen man vor den Apparaten auf Zeichen außerirdischer Wesen wartete. Vielleicht waren die da draußen völlig anders als die Menschen. Es war schon schwierig genug, die Gedanken der Abgeordneten in Washington zu durchschauen; wie mochten da erst die Gedanken grundsätzlich anders gearteter Wesen aussehen, die auf physikalisch anders zusammengesetzten Welten Hunderte oder Tausende von Lichtjahren entfernt lebten? Einige glaubten, daß ihre Signale überhaupt nicht im Radiospektrum, sondern im Infrarotbereich, im sichtbaren Bereich oder sonst irgendwo zwischen den Gammastrahlen übermittelt werden würden. Oder vielleicht schickten die Außerirdischen schon die ganze Zeit wie verrückt Signale, aber mit einer Technik, die wir in tausend Jahren noch nicht erfunden haben würden.

Astronomen an anderen Instituten machten aufregende Entdeckungen in der Sternenwelt und den Galaxien, wenn sie Objekte untersuchten, die aufgrund welchen Mechanismus auch immer intensive Radiowellen erzeugten. Andere Astronomen veröffentlichten wissenschaftliche Abhandlungen, nahmen an Konferenzen teil und machten Karriere, weil sie ein Ziel und eine gute Nase hatten. Die Astronomen von Argus dagegen publizierten wenig. Und wenn die Einladungen zu Vorträgen für die Jahresversammlung der American Astronomical Society oder den alle drei Jahre stattfindenden Symposien und Plenarsitzungen der International Astronomical Union verschickt wurden, wurden sie in der Regel übergangen. Deshalb hatte die Leitung von Argus nach Rücksprache mit der National Science Foundation 25 Prozent der Beobachtungszeit für Projekte reserviert, die nichts mit der Suche nach außerirdischem Leben zu tun hatten. Einige bedeutende Entdeckungen waren gemacht worden — bei extragalaktischen Objekten, die sich paradoxerweise schneller als Licht fortzubewegen schienen, bei der Oberflächentemperatur von Neptuns großem Mond Triton und bei der dunklen Materie in den äußeren Sphären benachbarter Galaxien, in der keine Sterne zu sehen waren. Die Stimmung wurde besser. Die Argus-Mannschaft hatte wenigstens ab und zu das Gefühl, wichtige Beiträge zur astronomischen Forschung zu leisten. Zwar verlängerte sich so die Zeit, die man brauchte, um den Himmel vollständig abzusuchen, aber die beruflichen Karrieren der Mitarbeiter waren abgesichert. Vielleicht hatten sie keinen Erfolg, Signale anderer intelligenter Lebewesen aufzuspüren, aber dafür entrissen sie der unerschöpflichen Natur andere Geheimnisse. Von diesen 25 Prozent abgesehen, bestand die Suche nach extraterrestrischer Intelligenz (SETI) — einige Wissenschaftler sprachen sogar optimistisch von der Kommunikation mit extraterrestrischer Intelligenz (KETI) — im wesentlichen aus ziemlich stumpfsinniger Beobachtungsroutine. Daneben hatte man einige Stunden für Astronomen von anderen Institutionen reserviert. Obwohl sich die Stimmung gebessert hatte, teilten viele Drumlins Meinung. Sehnsüchtig malten sie sich aus, wie sie die 131 Radioteleskope, ein Wunder der Technik, für ihre eigenen, ebenfalls wichtigen Programme verwenden könnten.