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„Ja, ja, habe ich schon gehört. Die verstehen sowieso nicht.“

Er verstummte, als ein Alarmlicht auf dem Pult vor ihnen aufleuchtete. Auf der Anzeige, auf der die Intensität gegen die Frequenz aufgetragen war, zeigte sich eine steile Spitze. „Schau mal an, ein monochromatisches Signal.“ Auf einer anderen Anzeige, auf der die Intensität gegen die Zeit aufgetragen war, konnte man eine Serie von Pulsen sehen, die sich von links nach rechts über den Schirm bewegten und dann verschwanden.

„Das sind Zahlen“, sagte Willie zögernd. „Sie geben die Wellenlänge eines Senders an.“

„Wahrscheinlich eine Störung durch die Air Force. So etwas habe ich einmal mit dem AWACS-Frühwarnsystem von Kirtland erlebt. Vielleicht will uns hier jemand auf den Arm nehmen.“

Es gab vertragliche Vereinbarungen, nach denen wenigstens einige Funkfrequenzen für die Astronomie freigehalten werden sollten. Aber gerade weil diese Frequenzen störungsfrei waren, konnten die Militärs manchmal der Versuchung nicht widerstehen, sie zu benutzen. Sollte ein Weltkrieg ausbrechen, würden vielleicht die Radioastronomen als erste davon erfahren, da ihre Fenster zum Kosmos dann mit strategischen Befehlen, den Daten der Überwachungssatelliten im geostationären Orbit und der Übermittlung verschlüsselter Abschußkommandos an weit entfernte strategische Stützpunkte überflutet sein würden. Aber auch ohne den militärischen Nachrichtenverkehr mußten die Astronomen beim gleichzeitigen Abhören von einer Milliarde Frequenzen mit Unterbrechungen rechnen. Blitze, startende Autos, Direktübertragungen des Rundfunks und Fernsehens über Satelliten verursachten Störgeräusche. Aber die Computer konnten solche Signale identifizieren und ignorierten sie systematisch. Auf zweideutigere Signale hörten die Computer genauer, bis sichergestellt war, daß es sich um keinen der Datensätze handelte, die sie gespeichert hatten. Immer wieder passierte es auch, daß ein elektronisch gesteuerter Flugkörper während eines Tests vorbeiflog — manchmal mit einem als fliegende Untertasse getarnten Radarschirm. Argus entdeckte dann plötzlich unverkennbare Zeichen intelligenten Lebens. Aber jedesmal entpuppten sich solche Zeichen als Leben einer ganz bestimmten Art, intelligent bis zu einem gewissen Grad, jedoch kaum außerirdisch. Vor einigen Monaten war in 260 km Höhe eine F-29E mit einer elektronischen Abwehranlage vorbeigeflogen und hatte sämtliche 131 Teleskope in Alarmzustand versetzt. Für die nicht militärisch geschulten Augen der Astronomen hätten die komplexen Radiosignale genausogut die Botschaft einer außerirdischen Zivilisation sein können. Aber dann hatten sie festgestellt, daß das westlichste Radioteleskop das Signal eine ganze Minute vor dem östlichsten empfangen hatte. Damit war klar gewesen, daß es sich um ein Objekt handelte, das in der Atmosphäre der Erde flog, und nicht um den Funkspruch einer geheimnisvollen Zivilisation aus den Tiefen des Alls. Auch diesmal würde es sich mit ziemlicher Sicherheit um etwas Ähnliches handeln.

Die Finger ihrer rechten Hand hatte sie in die fünf genau passenden Löcher eines flachen Kästchens auf ihrem Schreibtisch gesteckt. Seit es diese Erfindung gab, sparte sie jede Woche eine halbe Stunde. Viel anfangen konnte sie mit dieser halben Stunde allerdings auch nicht. „Ich habe Mrs. Yarborough alles erzählt. Sie liegt jetzt im Bett neben mir, seit Mrs. Wertheimer gestorben ist. Ich will ja nicht mein eigenes Loblied singen, aber ich rechne mir das, was du gemacht hast, als großes Verdienst an.“

„Ja, Mutter.“

Ellie prüfte den Glanz ihrer Fingernägel und fand, daß sie noch eine, vielleicht auch anderthalb Minuten brauchten. „Manchmal denke ich an die Zeit zurück, als du in der vierten Klasse warst — weißt du noch? Als es in Strömen goß und du nicht zur Schule wolltest? Ich sollte dir für den nächsten Tag eine Entschuldigung schreiben. Aber ich wollte nicht. Ich habe zu dir gesagt: Ellie, habe ich gesagt, eine gute Schulbildung ist neben der Schönheit das Wichtigste auf der Welt. Schönheit hat man oder man hat sie nicht, aber für die Bildung kann man etwas tun. Geh zur Schule. Du weißt nie, was du heute versäumst. Stimmts?“

„Ja, Mutter.“

„Das habe ich damals gesagt.“

„Ja, ich erinnere mich, Mama.“

Die Finger waren fertig, nur der Daumen hatte noch eine matte Stelle.

„Dann hab ich deine Überschuhe und deinen Regenmantel geholt — eine gelbe Regenjacke, du hast darin richtig niedlich ausgesehen, klein wie du warst — und dich in die Schule gescheucht. Und war nicht das der Tag, an dem du in Mathematik bei Mr. Weisbrod eine Frage nicht beantworten konntest? Du warst so wütend, daß du zur Collegebibliothek marschiert bist und soviel darüber nachgelesen hast, bis du mehr wußtest als Mr. Weisbrod. Er war sehr beeindruckt. Das hat er mir hinterher erzählt.“

„Wirklich? Das wußte ich gar nicht. Wann hast du denn mit ihm gesprochen?“

„An einem Elternabend. Er hat zu mir gesagt: Ihre Tochter ist ein Hitzkopf. Sie war so wütend auf mich, daß sie gelernt hat, bis sie eine Expertin auf diesem Gebiet war. Eine Expertin, hat er gesagt. Aber das habe ich dir ganz sicher schon einmal erzählt.“

Ellie legte die Füße auf eine Schreibtischschublade und lehnte sich in ihrem Drehstuhl zurück. Halt gaben ihr jetzt nur noch die Finger in der Nagellackmaschine. Den Summton spürte sie fast eher, als sie ihn hörte. Mit einem Ruck saß sie aufrecht.

„Mama, ich muß aufhören.“

„Ich bin mir sicher, daß ich dir die Geschichte früher schon mal erzählt habe. Aber du hörst mir ja nie zu, wenn ich dir etwas sage. Mr. Weisbrod war so ein netter Mensch. Du hast seine guten Seiten nie sehen wollen.“

„Mama, ich muß jetzt wirklich aufhören. Wir haben einen Bogey aufgefangen.“

„Einen Bogey? Was ist denn das?“

„Das weißt du doch, Mama. Etwas, das ein Signal sein könnte. Wir haben doch darüber geredet.“

„Da haben wir es wieder, wir denken beide, daß die andere nicht zuhört. Mutter wie Tochter.“

„Tschüß, Mama.“

„Ich laß dich erst gehen, wenn du mir versprichst, daß du mich gleich hinterher anrufst.“

„Okay, Mama. Ist versprochen.“

Die ganze Unterhaltung über waren Ellie das Elend und die Einsamkeit ihrer Mutter so deutlich vor Augen gestanden, daß sie das Gespräch am liebsten gleich beendet hätte und davongelaufen wäre. Dafür schämte sie sich.