was gesendet wird, eine lange Sequenz von Primzahlen zu sein, also ganzen Zahlen, die nur durch sich selbst und eins teilbar sind. Es ist unwahrscheinlich, daß ein astrophysikalischer Vorgang Primzahlen erzeugt. Deshalb würde ich meinen — mit aller Vorsicht, natürlich — aber ich würde meinen, alles spricht dafür, daß wir auf einer heißen Spur sind. Aber es gibt noch ein Problem, wenn es sich hier um eine Botschaft von Wesen handelt, die sich auf einem Planeten in der Nähe der Wega entwickelt haben. Sie müßten sich sehr schnell entwickelt haben. Der Planet besteht erst seit ungefähr vierhundert Millionen Jahren. Er ist damit ein unwahrscheinlicher Ort für die nächstgelegene Zivilisation. Deshalb ist die Untersuchung der Eigenbewegung sehr wichtig. Aber ich würde auch die Möglichkeit, daß es sich um einen Scherz handelt, noch genauer überprüfen.“
„Seht mal“, sagte einer der Quasarforscher, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte. Mit dem Kinn machte er eine Bewegung zum westlichen Horizont, wo ein zarter rosafarbener Schein die Stelle anzeigte, an der die Sonne untergegangen war. „Auch die Wega geht in ein paar Stunden unter. In Australien ist sie wahrscheinlich schon aufgegangen. Können wir nicht einfach in Sydney anrufen und die Leute dort bitten, sich das mal anzusehen, und zwar jetzt, wo wir die Wega auch noch sehen.“
„Gute Idee. In Sydney ist es jetzt früher Nachmittag. Und mit Sydney haben wir eine Basislänge, die lang genug für eine Untersuchung der Eigenbewegung ist. Geben Sie mir mal den Computerausdruck aller Daten, und ich schicke sie von meinem Büro aus per Telefax nach Australien.“ Bewußt gelassen verließ Ellie die Gruppe, die sich um das Schaltpult drängte, und ging in ihr Büro zurück. Sorgfältig schloß sie die Tür hinter sich. „Ich glaub, ich werd’ verrückt“, flüsterte sie.
„Ian Broderick, bitte. Hier spricht Eleanor Arroway vom Projekt Argus. Ja, es ist dringend. Danke, ich bleibe dran. Hallo, Ian? Vielleicht hat es nichts zu bedeuten, aber wir haben hier einen Bogey. Könntet ihr das für uns mal nachprüfen? Um neun Gigahertz mit einigen hundert Hertz Bandbreite. Ich gebe Ihnen jetzt die Daten mit Telefax rüber. Ihr habt eine Antenne im Spiegel, die neun Gigahertz gut empfängt? So ein Glück. Ja, die Wega liegt direkt in der Mitte des Blickfeldes. Und so, wie es aussieht, empfangen wir Pulse in Primzahlen. Wirklich? Okay, ich bleibe dran.“ Ellie mußte wieder einmal daran denken, wie rückständig die astronomische Zusammenarbeit weltweit war. Ein gemeinschaftliches Datenbanksystem existierte immer noch nicht. Schon eine asynchrone Übertragung. „Hören Sie, Ian, würden Sie sich, solange sich das Teleskop dreht, einmal das Amplituden-ZeitDiagramm ansehen? Bezeichnen wir doch die Pulse mit niedriger Amplitude als Punkte und die mit hoher Amplitude als Striche. Dann kriegen wir. Ja genau, das ergibt das gleiche Bild, das wir seit einer halben Stunde sehen. Vielleicht. Es ist das Vielversprechendste in den letzten fünf Jahren, aber ich muß auch immer daran denken, wie furchtbar die Sowjets 1974 mit dem Big-Bird-Satelliten an der Nase herumgeführt worden sind. Soweit ich es mitbekommen habe, handelte es sich damals um eine amerikanische RadarHöhenmessung der Sowjetunion für die Flugbahn von Cruise Missiles. Sozusagen ein Satellit als Landvermesser. Und die Sowjets haben mit ihren Drehantennen Signale aufgefangen. Sie konnten nicht feststellen, woher aus dem All sie kamen. Alles, was sie herausfanden, war, daß sie immer um die gleiche Morgenstunde dieselbe Pulssequenz empfingen. Ihre eigenen Experten waren davon überzeugt, daß es sich nicht um militärische Funkübertragungen handelte; deshalb dachten sie natürlich, das alles sei außerirdisch. nein, wir haben eine Satellitenübertragung bereits ausgeschlossen. Ian, können wir euch zumuten, die Signale so lange zu verfolgen, wie sie sich in eurem Bereich befinden? Über die Interferometrie mit langen Basislängen reden wir später noch. Ich versuche noch mit anderen Radioobservatorien Verbindung aufzunehmen, die gleichmäßig in geographischer Länge verteilt sind und dem Signal folgen können, bis es hier wieder auftaucht. Ich weiß allerdings nicht, ob man so einfach nach China telephonieren kann. Vielleicht sollte ich ein IAU-Telegramm schicken.. Gut. Vielen Dank, Ian.“ Auf dem Flur zum Kontrollraum hielt Ellie inne — natürlich war es Ironie, den Raum Kontrollraum zu nennen; die Computer, die diese Arbeit leisteten, standen ganz woanders — und sah mit Sympathie auf die kleine Gruppe von Wissenschaftlern, die dort angeregt über die Daten diskutierte und humorvoll Mutmaßungen über die Beschaffenheit des Signals anstellte. Die Wissenschaftler waren nicht nach der Mode gekleidet und sie sahen auch nicht im herkömmlichen Sinn gut aus. Aber sie hatten etwas unwiderstehlich Anziehendes. Sie leisteten hervorragende Arbeit, und wenn es um eine neue Entdeckung ging, gingen sie ganz in ihrer Arbeit auf. Als Ellie zu ihnen trat, verstummten sie und schauten sie erwartungsvoll an. Die Zahlen wurden jetzt automatisch vom Binärsystem ins Dezimalsystem übertragen. 881, 883, 887, 907. es waren wirklich nur Primzahlen. „Willie, bringen Sie mir bitte eine Weltkarte. Und verbinden Sie mich mit Mark Auerbach in Cambridge, Massachusetts. Er müßte zu Hause sein. Geben Sie ihm diese Meldung für ein IAU-Telegramm an alle Observatorien durch, insbesondere die großen Radioobservatorien. Und lassen Sie sich die Telephonnummer von dem Observatorium in Peking geben. Und dann verbinden Sie mich mit dem Wissenschaftsberater der Präsidentin.“
„Und die National Science Foundation wollen Sie übergehen?“
„Nach Auerbach verbinden Sie mich bitte mit dem Wissenschaftsberater der Präsidentin.“
Ellie bildete sich ein, inmitten des lautstarken Protests der anderen einen Freudenschrei zu hören.
Mit dem Fahrrad, kleinen Lieferwagen, von Postboten zu Fuß oder per Telephon wurde die Nachricht allen astronomischen Zentren der Welt zugestellt. Einige der größeren Radioobservatorien — zum Beispiel in China, Indien, der Sowjetunion oder Holland — bekamen sie per Fernschreiber. Wenn sie hereintickte, überflog sie ein Sicherheitsbeamter oder ein zufällig vorbeikommender Wissenschaftler, riß sie ab und trug das Papier ins Büro. Die Nachricht lautete:
UNGEWÖHNLICHE PERIODISCHE RADIOQUELLE MIT DEN KOORDINATEN: REKTASZENSION 18h 34m, DEKLINATION PLUS 38 GRAD 41 MINUTEN, ENTDECKT VON SYSTEMATISCHER HIMMELSBEOBACHTUNGSSTATION ARGUS. FREQUENZ 9.24176684 GIGAHERTZ, BANDBREITE CIRCA 430 HERTZ. ZWEI VERSCHIEDENE AMPLITUDEN MIT CIRCA 174 UND 179 JANSKY. MIT DER AMPLITUDENMODULATION IST PRIMZAHLENSEQUENZ KODIERT.
BEOBACHTUNGSSTANDORTE ÜBER DIE GANZE LÄNGE DRINGEND BENÖTIGT. BITTE UM RÜCKRUF FÜR WEITERE INFORMATIONEN ZUR KOORDINATION DER BEOBACHTUNGEN.
5
Entschlüsselungsalgorithmus
O sprich noch einmal, holder Engel!
Die Gästezimmer waren bereits von den prominentesten Wissenschaftlern der SETI belegt. Als die offiziellen Delegationen aus Washington eintrafen, gab es für sie keine passende Unterbringung auf dem Argus-Gelände mehr, und man mußte sie in Motels im benachbarten Socorro einquartieren. Kenneth Der Heer, der Wissenschaftsberater der Präsidentin, war die einzige Ausnahme. Er kam einen Tag nach der Entdeckung der Zeichen auf den dringenden Anruf von Eleanor Arroway hin angereist. In den darauffolgenden Tagen kamen nacheinander die Delegierten der National Science Foundation, der NASA, des Verteidigungsministerium, des Wissenschaftsrates der Präsidentin, des Nationalen Sicherheitsrates und der Nationalen Sicherheitsbehörde.