„Und Sie sind der Ansicht, daß es dann bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs keine Fernsehübertragungen mehr gab?“ fragte die Präsidentin.
„Nichts, was der Rede wert gewesen wäre. In England gab es eine Sendung über die Krönung Georgs VI. und noch ein paar andere kleinere Übertragungen. Die große Zeit der Fernsehübertragungen setzte erst Ende der vierziger Jahre ein. All diese Programme verließen die Erde mit Lichtgeschwindigkeit. Stellen Sie sich vor, hier ist die Erde“ — Der Heer versuchte, seine Argumente mit Gesten zu veranschaulichen — „und hier eine Kugelwelle, die mit Lichtgeschwindigkeit von ihr wegläuft. Sie startet 1936 und entfernt sich immer weiter von der Erde. Früher oder später erreicht sie die nächste Zivilisation. Die ist überraschend nah, nur sechsundzwanzig Lichtjahre entfernt, auf einem Planeten der Wega. Die Bewohner dort zeichnen sie auf und schicken sie zu uns zurück. Aber es dauert nochmals sechsundzwanzig Jahre, bis die Olympischen Spiele wieder zur Erde zurückkehren. Daraus läßt sich schließen, daß die Wegianer unsere Signale schnell verstanden haben. Sie müssen damals geradezu eine fertig aufgebaute und genau eingestellte Empfängeranlage gehabt haben, die nur noch auf unsere ersten Fernsehsignale gewartet hat. Sie haben die Signale also entdeckt, aufgezeichnet und nach einer Weile an uns zurückgeschickt. Wenn sie nicht schon einmal hier gewesen sind — auf einer Beobachtungsmission vor ein paar hundert Jahren etwa — können sie nicht gewußt haben, daß wir das Fernsehen gerade erst erfunden hatten. Deshalb ist Frau Dr.
Arroway der Ansicht, daß diese Zivilisation alle benachbarten Planetensysteme überwacht, um festzustellen, ob ihre Nachbarn hochentwickelte Technologien besitzen.“
„Ken, vieles von dem, was Sie sagen, ist hochinteressant. Sind Sie sicher, daß diese — wie nennen Sie sie, Wegianer? — also, daß diese Wegianer nicht verstehen, worum es in dem Fernsehprogramm ging?“
„Frau Präsidentin, ganz ohne Zweifel sind die Wesen auf der Wega sehr gescheit. Das Signal von 1936 war sehr schwach. Ihre Detektoren müssen ungeheuer empfindlich sein, wenn sie es auffangen konnten. Aber ich kann mir nicht denken, daß sie seinen Inhalt verstanden haben. Wahrscheinlich sehen diese Wesen ganz anders aus als wir und haben eine andere Geschichte und auch andere Sitten. Sie können gar nicht wissen, was ein Hakenkreuz ist oder wer Adolf Hitler war.“
„Ausgerechnet Adolf Hitler! Ken, das macht mich rasend. Vierzig Millionen Menschen mußten sterben, um seinen Größenwahnsinn zu besiegen. Und jetzt ist er der Star der ersten Fernsehübertragung zu einer anderen Zivilisation? Er vertritt die ganze Erde. Damit sind die kühnsten Träume dieses Verrückten wahr geworden.“
Sie hielt inne und fuhr mit ruhigerer Stimme fort: „Sie wissen, daß ich schon immer der Ansicht war, daß Hitler den Hitlergruß nie richtig zustande gebracht hat. Er hat den Arm nie gerade ausgestreckt, immer hing er schief in der Luft. Das ergab dann diesen markigen Gruß mit gekrümmtem Ellbogen. Wenn jemand anders sein Heil Hitler so schlecht ausgeführt hätte, wäre er sicher an die russische Front geschickt worden.“
„Aber Hitler erwiderte ja nur den Gruß der anderen. Er wünschte sich nicht selber Heil Hitler.“
„O doch, das tat er“, widersprach die Präsidentin. Mit einer Geste geleitete sie Der Heer aus dem Rosenzimmer hinaus und einen Flur entlang. Plötzlich blieb sie stehen und sah ihn an.
„Was wäre gewesen, wenn die Nazis 1936 kein Fernsehen gehabt hätten?“ fragte sie.
„Dann hätten die Wegianer vermutlich die Krönung Georgs VI. oder eine Sendung über die Weltausstellung in New York 1939 empfangen, wenn die Sendestärke stark genug gewesen sein sollte. Oder irgendwelche Fernsehsendungen Ende der vierziger, Anfang der fünfziger Jahre. Zum Beispiel Howdy Doody, Milton Berle oder die antikommunistischen Hetzkampagnen McCarthys — alles wahrhaft erlesene Früchte intelligenten Lebens der Erde.“
„Und solche Sendungen sind unsere Botschafter im Weltraum. die Abgesandten der Erde.“ Nachdenklich hielt die Präsidentin einen Moment inne. „Mit seinen Botschaftern sollte man sich von der besten Seite zeigen. Und wir haben in den letzten vierzig Jahren vor allem Mist in den Weltraum geschickt. Ich würde zu gerne wissen, was die Rundfunk- und Fernsehintendanten dazu sagen würden. Und dann dieser Wahnsinnige, Hitler. Das sind also die ersten Nachrichten von der und über die Erde? Was werden sie nur von uns denken?“
Als Der Heer und die Präsidentin den Kabinettsaal betraten, verstummten die dort versammelten Politiker und Wissenschaftler, und einige, die bereits saßen, machten Anstalten, sich zu erheben. Mit einer kurzen Handbewegung bedeutete die Präsidentin ihnen, sitzen zu bleiben, und begrüßte dann mit einem kurzen Händedruck den Außenminister und einen Vertreter des Verteidigungsministeriums. Dann musterte sie bedächtig den Kreis der Anwesenden. Einige erwiderten ihren Blick erwartungsvoll. Andere, die eine gewisse Verdrossenheit im Gesicht der Präsidentin entdeckten, schlugen die Augen nieder.
„Ken, ist Ihre Astronomin denn nicht hier? Frau Arrowsmith? Oder Arrowroot?“
„Arroway, Frau Präsidentin. Sie und Dr. Valerian sind bereits gestern abend angekommen. Vielleicht sind sie durch den Verkehr aufgehalten worden.“
„Frau Dr. Arroway hat aus ihrem Hotel angerufen, Frau Präsidentin“, meldete sich unaufgefordert ein gepflegter junger Mann zu Wort. „Sie sagte, sie bekomme gerade neue Daten per Telefax mitgeteilt, die sie gleich zur Sitzung mitbringen wolle. Wir sollten ruhig ohne sie anfangen.“ Entsetzt beugte sich Michael Kitz vor und fragte ungläubig: „Man schickt diese neuen Daten über eine normale, nicht gesicherte öffentliche Telephonleitung in ein Hotelzimmer in Washington?“
Der Heer antwortete so leise, daß Kitz sich noch weiter vorbeugen mußte, um ihn zu verstehen: „Mike, das Telefax ist ganz sicher zumindest mit einem der gängigen Codes verschlüsselt. Außerdem gibt es, wie Sie selbst wissen, keine Sicherheitsvorschriften in dieser Angelegenheit. Aber ich bin davon überzeugt, daß Frau Dr. Arroway zur Zusammenarbeit bereit ist, wenn es zu solchen Vorschriften kommen sollte.“
„Also, lassen Sie uns jetzt anfangen“, sagte die Präsidentin. „Es handelt sich hier um ein informelles Treffen des Nationalen Sicherheitsrates und der eigens zu diesem Anlaß gebildeten Sonderkommission. Ich möchte Sie alle nachdrücklich darauf hinweisen, daß nichts, absolut nichts von dem, worüber in diesem Raum gesprochen wird, an hier nicht anwesende Personen weitergegeben werden darf. Davon ausgenommen sind natürlich der Verteidigungsminister und der Vizepräsident, die sich in Übersee befinden. Gestern hat Dr. Der Heer den meisten von Ihnen schon eine kurze Einführung über die unglaubliche Fernsehsendung von der Wega gegeben. Dr. Der Heer und andere sind der Ansicht“ — die Präsidentin hielt inne und ließ ihren Blick über die Anwesenden schweifen — „daß es reiner Zufall ist, daß in der ersten Sendung, die zur Wega gelangte, gerade Adolf Hitler die Hauptrolle spielt. Trotzdem bringt es uns in. na ja, Verlegenheit. Ich habe den Direktor des CIA gebeten, eine Einschätzung möglicher Folgen für die nationale Sicherheit auszuarbeiten. Besteht die Möglichkeit einer direkten Bedrohung von uns durch die Sender dieser Botschaft, wer auch immer sie sein mögen? Bekommen wir Schwierigkeiten, wenn eine neue Botschaft gefunkt wird, die ein anderes Land zuerst entschlüsselt? Aber zunächst einmal möchte ich Marvin fragen, ob hier irgendein Zusammenhang mit fliegenden Untertassen besteht?“