„Frau Präsidentin, entschuldigen Sie meine Verspätung, aber ich glaube, wir haben gerade einen Volltreffer gelandet. Wir haben. Es ist. Lassen Sie es mich folgendermaßen erklären: Als im Altertum, vor vielen tausend Jahren, Pergament sehr knapp war, überschrieb man einfach das alte Pergament. So kam es zu sogenannten Palimpsesten, auf denen mehrere Schriftschichten übereinanderlagen. Das Signal von der Wega ist natürlich sehr stark. Wie Sie bereits wissen, gibt es Primzahlen und, sozusagen darunter, in der Polarisationsmodulation, diese unheimliche Geschichte mit Hitler. Aber unter der Primzahlensequenz und unter der Sendung von der Olympiade haben wir gerade eine weitere, sehr komplexe Schicht entdeckt — und wir sind ziemlich sicher, daß es sich dabei um eine Botschaft an uns handelt. Soweit wir es sagen können, war sie schon die ganze Zeit über da. Aber erst jetzt haben wir sie entdeckt. Sie ist schwächer als das Ankündigungssignal, aber trotzdem hätten wir sie eigentlich schon früher entdecken müssen.“
„Und wie lautet die Botschaft?“ fragte die Präsidentin. „Wir haben im Moment noch nicht die leiseste Ahnung, Frau Präsidentin. Erst heute früh nach hiesiger Zeit sind einige meiner Mitarbeiter vom Projekt Argus darüber gestolpert. Wir haben die ganze Nacht daran gearbeitet.“
„Und Sie haben dafür eine öffentliche Telephonverbindung benutzt?“ unterbrach Kitz.
„Wir haben unsere Daten natürlich verschlüsselt.“ Ellies Wangen röteten sich. Sie öffnete die Tasche mit dem Fernkopierer, ließ ihre Daten auf Klarsichtfolie ausdrucken, und warf das Ergebnis mit Hilfe eines Overheadprojektors auf eine Leinwand.
„Hier sehen Sie alles, was wir bis jetzt wissen: Wir empfangen einen Informationsblock, der aus zirka eintausend Bit besteht. Dann kommt hier an dieser Stelle eine Pause, und derselbe Block wird wiederholt, Bit für Bit. Dann haben wir wieder eine Pause, und ein neuer Block fängt an, der seinerseits wiederholt wird. Wahrscheinlich soll die Wiederholung jedes Blocks die Übertragungsfehler möglichst gering halten. Es ist dem Sender anscheinend sehr wichtig, daß wir alles, was immer es sein mag, auch ganz genau empfangen. Lassen Sie uns jeden Informationsblock als eine Seite bezeichnen. Argus fängt täglich ein paar Dutzend solcher Seiten auf. Aber wir wissen nicht, wovon sie handeln. Es gibt keinen einfachen Bildcode wie bei der Sendung von der Olympiade. Es muß sich um eine tiefere und kompliziertere Botschaft handeln. Zum ersten Mal sieht es so aus, als ob diese Informationen von ihnen selbst stammen. Der einzige Anhaltspunkt, den wir bisher haben, ist, daß die Seiten wahrscheinlich numeriert sind. Am Anfang jeder Seite steht eine binär kodierte Zahl. Sehen Sie das hier? Und jedes Mal, wenn das nächste Paar identischer Seiten auftaucht, wird es mit der nächst höheren Zahl versehen. Jetzt sind wir gerade auf Seite. 10413. Ein dickes Buch! Wenn man zurückrechnet, hat die Botschaft etwa vor drei Monaten angefangen. Wir können uns glücklich schätzen, daß wir sie so früh aufgefangen haben.“
„Also habe ich doch recht gehabt, nicht wahr?“ sagte Kitz und beugte sich über den Tisch zu Der Heer. „Diese Botschaft wollen Sie doch nicht an die Japaner, Chinesen oder Russen weitergeben, oder?“
„Ist es schwierig, sie zu entschlüsseln?“ fragte die Präsidentin über den flüsternden Kitz weg.
„Wir tun unser Bestes. Es wäre wahrscheinlich hilfreich, wenn die Nationale Sicherheitsbehörde mit uns zusammenarbeiten würde. Aber ohne eine Erklärung von der Wega, ohne eine Anleitung, glaube ich nicht, daß wir große Fortschritte machen werden. Die Botschaft ist sicher nicht in Englisch, Deutsch oder sonst einer irdischen Sprache abgefaßt. Wir hoffen, daß die Botschaft, wenn sie auf Seite 20000 oder 30000 zu Ende ist, wieder von vorne anfängt, damit wir die Lücken füllen können. Vielleicht bekommen wir ja, bevor die ganze Botschaft noch einmal wiederholt wird, einen Code, eine Art Reader, mit dessen Hilfe wir sie verstehen könnten.“
„Vielleicht kann ich — “
„Frau Präsidentin, darf ich vorstellen: Dr. Peter Valerian vom California Institute of Technology, einer der Pioniere auf diesem Gebiet.“
„Bitte fahren Sie fort, Dr. Valerian.“
„Es handelt sich hier um eine Sendung, hinter der eine bestimmte Absicht steht. Die Absender wissen, daß es uns gibt. Sie haben aufgrund der aufgefangenen Fernsehsendung von 1936 auch eine Vorstellung vom Stand unserer Technologie und unserer Intelligenz. Sie würden sich nicht solche Mühe geben, wenn sie nicht wollten, daß wir ihre Botschaft verstehen. Also muß auch der Schlüssel zur Botschaft irgendwo zu finden sein. Man muß nur alle Daten sammeln und sehr sorgfältig analysieren.“
„Worum handelt es sich Ihrer Meinung nach bei der Botschaft?“
„Das weiß ich leider auch nicht, Frau Präsidentin. Ich kann nur wiederholen, was Frau Dr. Arroway bereits gesagt hat. Es handelt sich um eine komplexe Botschaft. Die sendende Zivilisation muß sehr viel Wert darauf legen, daß wir die Botschaft empfangen. Vielleicht handelt es sich dabei ja nur um einen schmalen Band einer vielbändigen Encyclopaedia Galactica. Die Wega hatte einmal den dreifachen Durchmesser der Sonne und war ungefähr fünfzigmal heller. Und weil sie ihren nuklearen Brennstoff rasend schnell verbrennt, ist ihre Lebensdauer viel kürzer als die der Sonne — “
„Jawohl. Vielleicht ist man auf der Wega in Not“, unterbrach ihn der Direktor des CIA. „Vielleicht fürchten sie, daß ihr Planet zerstört wird, und wollen, daß jemand von ihrer Zivilisation erfährt, bevor sie ausgelöscht werden.“
„Oder“, mischte sich Kitz ein, „sie halten nach neuen Siedlungsräumen Ausschau, und die Erde sagt ihnen zu. Vielleicht ist es gar kein Zufall, daß sie uns ein Bild von Adolf Hitler geschickt haben.“
„Nun aber langsam“, sagte Ellie, „es gibt viele Möglichkeiten, aber alles ist nicht möglich. So kann die sendende Zivilisation überhaupt nicht feststellen, ob wir ihre Botschaft empfangen haben, und noch viel weniger, ob wir sie entschlüsseln konnten. Wenn sie uns drohen wollen, dann brauchen wir ja nicht zu antworten. Und selbst wenn wir antworten, dauert es sechsundzwanzig Jahre, bis die Antwort ankommt, und weitere sechsundzwanzig Jahre, bevor sie uns wieder antworten können. Die Geschwindigkeit des Lichts ist schnell, aber nicht unendlich schnell. Zwischen uns und der Wega liegt eine sichere Entfernung. Und wenn uns die Botschaft beunruhigt, dann können wir uns Jahrzehnte Zeit lassen, bis wir entscheiden, was wir damit machen. Wir brauchen jetzt noch nicht in Panik auszubrechen.“ Die letzten Worte betonte sie besonders und lächelte dabei Kitz freundlich an.
„Mir gefällt, was Sie sagen, Frau Dr. Arroway“, sagte die Präsidentin. „Aber es geht alles recht schnell. Viel zu schnell sogar. Und es gibt zu viele Vielleichts dabei. Ich habe noch nicht einmal eine Presseerklärung abgegeben, weder zu den Primzahlen noch zu diesem Quatsch mit Hitler. Und jetzt sollen wir schon über ein Buch nachdenken, das die anderen uns Ihrer Ansicht nach schicken. Nur weil ihr Wissenschaftler nichts von offenen Gesprächen haltet, jagen sich die Gerüchte. Phyllis, wo ist die Mappe? Hier, schauen Sie sich diese Schlagzeilen an.“ Mit ausgestrecktem Arm präsentierte die Präsidentin ihnen eine Sammlung von Zeitungsausschnitten. Abgesehen von kleineren Varianten journalistischer Kunst hatten alle Schlagzeilen ungefähr den gleichen Inhalt: „Insektenäugige Monster im Fernsehen: Wissenschaftler waren dabei“, „Astronomisches Telegramm spricht von außerirdischer Intelligenz“, „Die Stimme vom Himmel“ und „Überfall aus dem Weltraum?“ Sie ließ die Zeitungsausschnitte auf den Tisch flattern.
„Wenigstens ist von der Geschichte mit Hitler noch nichts bekannt geworden. Auf die Schlagzeile warte ich ja noch: ‚Hitler nach Meinung amerikanischer Forscher gesund und wohlauf im Weltraum. ’ Und dann wird es auch noch Schlimmeres geben. Ich bin der Meinung, wir sollten unsere Konferenz hier abbrechen und später wieder zusammenkommen.“