Fanatismus, Angst, Hoffnung, leidenschaftliche Diskussionen, stille Gebete, ekstatische Bekehrungsszenen, beispiellose Selbstlosigkeit, engstirnige Bigotterie und eine Begeisterung für neue Ideen breiteten sich wie eine Epidemie in fiebernder Hast über den winzigen Planeten Erde aus. Ellie glaubte zu erkennen, daß aus dieser gärenden Unruhe langsam die Erkenntnis der Welt als eines Fadens in dem riesigen kosmischen Teppich aufdämmerte. Unterdessen widersetzte sich die BOTSCHAFT noch immer allen Entschlüsselungsversuchen.
Auf einem jener üblen Propagandakanäle, die durch den ersten Zusatz zur amerikanischen Verfassung geschützt waren, beschuldigte ein geifernder Sprecher sie, Waygay, Der Heer und in geringerem Maß auch Peter Valerian verschiedener Vergehen, unter anderem des Atheismus, des Kommunismus und des Egoismus, weil sie angeblich den Inhalt der BOTSCHAFT geheimhielten. Ellie wußte, daß Waygay gar kein überzeugter Kommunist war und daß Valerian einen tiefen, gefestigten und weltoffenen christlichen Glauben besaß. Wenn sie jemals das Glück haben sollte, die BOTSCHAFT zu entschlüsseln, würde sie sie diesem scheinheiligen, verlogenen Fernsehkommentator persönlich übergeben. Der Held der Sendung dagegen war David Drumlin als der Mann, der den Primzahlen und der Olympiasendung auf die Spur gekommen war. Von solchen Wissenschaftlern bräuchten wir mehr, behauptete der Sprecher. Ellie seufzte und schaltete zum nächsten Programm um. Jetzt war sie bei TABS, dem Turner American Broadcasting System angelangt. Diese Gesellschaft hatte als einzige der großen kommerziellen Sendeanstalten, die früher das Fernsehen in den Vereinigten Staaten dominiert hatten, überlebt. Die anderen waren durch Fernsehübertragungen über direktstrahlende Satelliten und ein Kabelnetz von 180 Kanälen abgelöst worden. Gerade hatte Palmer Joss einen seiner seltenen Fernsehauftritte. Wie fast alle Amerikaner erkannte Ellie sofort seine volltönende Stimme, sein leicht ungepflegtes, aber attraktives Aussehen und die schwarzen Ränder unter den Augen, die einem den Eindruck machten, daß er vor lauter Sorgen um den Rest der Welt keinen Schlaf fand. „Was hat die Wissenschaft denn wirklich für uns getan?“ ereiferte er sich. „Sind wir glücklicher geworden? Ich meine damit nicht dreidimensionales Fernsehen oder Weintrauben ohne Kerne. Bestechen uns die Wissenschaftler denn nicht mit Spielzeug, mit technischen Spielereien, während sie zugleich unseren Glauben untergraben?“ Er war ein Mann, dem die Welt zu kompliziert geworden war, dachte Ellie, ein Mann, der sein ganzes Leben lang versucht hatte, krasse Gegensätze miteinander in Einklang zu bringen. Er hatte die Exzesse der religiösen Sekten verurteilt und glaubte, daß man jetzt konsequenterweise auch Evolution und Relativität bekämpfen mußte. Warum griff er nicht die Existenz des Elektrons an? Palmer Joss hatte nie eines gesehen, und in der Bibel kam Elektromagnetismus nicht vor. Warum also an Elektronen glauben? Obwohl Ellie ihn bisher noch nie über dieses Thema hatte sprechen hören, war sie sicher, daß er früher oder später auf die BOTSCHAFT kommen würde. Sie behielt recht.
„Die Naturwissenschaftler behalten ihre Erkenntnisse für sich. Sie geben uns nur wenige Krumen ab, gerade soviel, daß wir stillhalten. Sie denken, daß wir zu dumm sind, sie zu verstehen. Und sie teilen uns nur die Ergebnisse mit, ohne sie zu beweisen. Sie verkünden ihre Erkenntnisse, als ob sie die Heilige Schrift und nicht Spekulationen, Theorien und Hypothesen wären — wie normale Menschen es nennen würden. Sie fragen nie danach, ob die neue Theorie genauso gut für die Menschen ist wie der Glaube, den sie zu ersetzen versucht. Sie überschätzen, was sie wissen, und unterschätzen, was wir wissen. Wenn wir sie um Erklärungen bitten, antworten sie, daß wir Jahre brauchten, bis wir ihre Theorien verstünden. Ich kenne das. Auch in der Religion gibt es Dinge, für die man Jahre braucht, um sie zu verstehen. Man kann sein ganzes Leben damit verbringen, das Wesen des allmächtigen Gottes verstehen zu wollen, ohne je ans Ziel zu gelangen. Aber es ist noch nie vorgekommen, daß Naturwissenschaftler religiöse Führer nach deren jahrelangem Studium im Dienste der Erkenntnis und des Gebetes gefragt haben. Sie denken nie ernstlich über uns nach, außer wenn sie uns irreführen und betrügen.
Und jetzt behaupten sie, sie hätten eine BOTSCHAFT von der Wega empfangen. Aber ein Stern kann keine Botschaft senden. Irgend jemand schickt sie. Wer? Kommt die BOTSCHAFT von Gott oder vom Satan? Wird es am Ende der BOTSCHAFT heißen: ‚Herzliche Grüße, Gott’… oder: ‚Mit freundlichen Grüßen, der Teufel’? Und wenn die Wissenschaftler uns berichten, was in der BOTSCHAFT steht, werden sie uns dann auch die ganze Wahrheit sagen? Oder werden sie etwas zurückhalten, weil sie der Meinung sind, daß wir es nicht verstehen, oder weil es nicht zu dem paßt, was sie glauben? Sind das nicht dieselben Leute, die uns beigebracht haben, wie wir uns selbst vernichten können? Ich sage euch, meine Freunde, die Naturwissenschaft ist zu wichtig, um sie nur den Wissenschaftlern zu überlassen. Vertreter aller Weltreligionen sollten von Anfang an bei der Entschlüsselung dabei sein. Wir müssen auch die grundlegenden Daten kennen. Sonst. wo kommen wir sonst hin? Man wird uns irgend etwas über die BOTSCHAFT erzählen. Vielleicht das, was die Wissenschaftler wirklich glauben. Vielleicht auch nicht. Wir müssen akzeptieren, was sie uns erzählen. Über bestimmte Dinge wissen die Wissenschaftler Bescheid. Aber es gibt fürwahr andere Dinge, wovon sie keine Ahnung haben. Vielleicht haben sie tatsächlich eine Botschaft von anderen Wesen des Himmels bekommen. Vielleicht auch nicht. Wie können sie sicher sein, daß die BOTSCHAFT kein Goldenes Kalb ist? Ich glaube nicht, daß sie ein Goldenes Kalb erkennen würden, wenn sie eines sähen. Diese Menschen haben die Wasserstoffbombe entwickelt. Vergib mir, Herr, daß ich ihnen dafür nicht dankbarer bin. Ich habe Gott gesehen, von Angesicht zu Angesicht. Ich bete zu Gott, ich vertraue ihm, ich liebe ihn von ganzem Herzen und von ganzer Seele. Ich glaube nicht, daß man einen festeren Glauben haben kann als ich. Kein Wissenschaftler kann so an seine Wissenschaft glauben wie ich an Gott.
Sie sind bereit, ihre ‚Wahrheiten’ über Bord zu werfen, wenn eine neue Idee auftaucht. Sie sind sogar stolz darauf. Sie bilden sich ein, daß wir Menschen bis in alle Ewigkeit mit Unwissenheit geschlagen sein werden und es nirgendwo in der Natur Gewißheit gibt. Newton hat Aristoteles gestürzt, Einstein stürzte Newton. Und morgen wird der nächste Einstein stürzen. Sobald wir die eine Theorie verstehen, tritt schon die nächste an ihre Stelle. Vielleicht wäre das ja nicht so schlimm, wenn man uns vorher gesagt hätte, daß die alten Ideen nur Hypothesen waren. Aber man sprach immer nur von Newtons Gravitationsgesetzen. Und sie heißen immer noch so. Aber wenn etwas ein Naturgesetz ist, wie kann es dann falsch sein? Wie kann es plötzlich überholt sein? Nur Gott kann Naturgesetze aufheben, nicht die Wissenschaftler. Hier liegt ihr grundsätzlicher Fehler. Wenn Albert Einstein recht hat, dann war Isaac Newton ein Amateur und Stümper. Bedenkt, auch Naturwissenschaftler sind nicht unfehlbar. Sie wollen uns unseren Glauben, unsere Überzeugungen nehmen, ohne uns dafür neue geistige Werte anzubieten. Ich habe keineswegs vor, von Gott abzulassen, nur weil ein paar Wissenschaftler ein Buch schreiben und dann behaupten, es sei eine Botschaft von der Wega. Ich will nicht die Wissenschaft anbeten. Ich will nicht gegen das Erste Gebot sündigen. Ich will nicht ein Goldenes Kalb verehren.“