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„Da ist ein interessanter Satz“, sagte Joss. „Sie meinen doch gewiß die DNS. Aber Sie kennen als Physikerin doch sicher das Symbol der Medizin? Die Ärzte unserer Armee tragen es am Revers. Es heißt Merkurstab und wird aus zwei ineinander verschlungenen Schlangen gebildet. Es ist eine perfekte Doppelhelix. Seit alters symbolisiert sie das Bewahren von Leben. Das ist doch genau die Art von Verbindung, die Sie vorschlagen, oder?“

„Eigentlich dachte ich, es sei eine Spirale und nicht eine Helix. Nun gut. Da es so viele Symbole, Prophezeiungen, Mythen und Volksglauben gibt, könnten einige durch Zufall zu einem Satz der modernen Naturwissenschaft passen. Aber sicher bin ich mir da nicht. Vielleicht haben Sie recht. Vielleicht ist der Merkurstab eine Botschaft Gottes. Natürlich ist es kein christliches Symbol oder eines der heutigen Weltreligionen. Ich nehme nicht an, daß Sie behaupten wollen, daß die Götter nur zu den alten Griechen gesprochen haben. Was ich eigentlich sagen wollte: Wenn Gott uns eine Botschaft senden wollte, so hätte er es, auch wenn die alten Schriften dabei der einzige für ihn denkbare Weg waren, besser machen können. Und warum hätte er sich auf schriftliche Aufzeichnungen beschränken sollen? Warum kreist nicht ein riesiges Kruzifix um die Erde? Warum ist die Mondoberfläche nicht mit den Zehn Geboten übersät? Warum soll Gott sich in der Bibel so klar und eindeutig ausgedrückt haben und in der Welt so schwer zu erkennen sein?“ Joss wollte zu einer Antwort ansetzen. Sein Gesicht hatte sich plötzlich erwartungsvoll belebt. Aber Ellie kam gerade richtig in Fahrt, und vielleicht fand er es unhöflich, ihr ins Wort zu fallen.

„Warum hat uns Gott denn verlassen? Wenn man Ihnen glauben darf, redete er doch jeden zweiten Dienstag mit Kirchenvätern und Propheten. Er ist allmächtig, behaupten Sie, und allwissend. Dann kann es doch keine besondere Anstrengung für ihn sein, uns direkt und unzweideutig an seine Wünsche zu erinnern, wenigstens ein paar Mal in jeder Generation. Also wie kommt das? Warum kennen wir ihn nicht bis aufs I-Tüpfelchen?“

„Aber wir kennen ihn!“, unterbrach Rankin und ließ sich von dem feierlichen Klang seiner Stimme mitreißen. „Er ist überall unter uns. Unsere Gebete werden erhört. In diesem Land sind Millionen von Menschen wiedergeboren worden und können Gottes herrliche Gnade bezeugen. Die Bibel spricht heute noch genauso klar zu uns wie zu Mose und Jesu Zeiten.“

„Ach, hören Sie damit auf. Sie wissen genau, was ich meine. Wo sind die brennenden Büsche, die Feuersäulen, die mächtige Stimme, die vom Himmel auf uns niederdonnert: ‚Ich bin, der ich bin’? Warum sollte sich Gott auf so versteckte und vieldeutige Art und Weise offenbaren, wenn er seine Anwesenheit völlig eindeutig machen könnte?“

„Aber Sie sagen doch selbst, daß Sie eine Stimme vom Himmel hören?“ Joss sagte es, ohne die Stimme zu erheben, während Ellie einhielt, um Luft zu holen. Er blickte ihr direkt in die Augen.

Rankin nahm den Gedanken schnell auf. „Genau. Das wollte ich gerade sagen. Abraham und Moses hatten keine Radios oder Teleskope. Sie konnten den Allmächtigen nicht auf UKW hören. Vielleicht spricht Gott heutzutage auf andere, neue Art zu uns und eröffnet uns ein neues Verständnis. Oder vielleicht ist es nicht Gott — “

„Sondern der Teufel. Das habe ich auch schon gehört. Es klingt geradezu verrückt. Vielleicht können wir das noch für einen Augenblick beiseite lassen. Vielleicht glauben Sie, daß die BOTSCHAFT die Stimme Gottes, Ihres Gottes ist. Aber wo in Ihrer Religion kommt es vor, daß ein Gebet erhört wird, indem das Gebet wiederholt und zurückgeschickt wird?“

„Ich würde eine Wochenschau der Nazis nicht als Gebet bezeichnen“, warf Joss ein. „Sie sagen doch, daß man damit nur unsere Aufmerksamkeit erregen will.“

„Aber warum glauben Sie denn, daß Gott ausgerechnet zu den Wissenschaftlern spricht? Warum denn nicht mit Priestern wie Ihnen?“

„Gott spricht die ganze Zeit zu mir.“ Deutlich hörbar hämmerte Rankin sich mit dem Zeigefinger auf die Brust. „Und zu Reverend Joss. Gott hat mir gesagt, daß eine Offenbarung bevorsteht. Und wenn das Ende der Welt naht, werden die himmlischen Freuden über uns kommen. Die Sünder werden bestraft werden und die Auserwählten zum Himmel auffahren — “

„Hat er Ihnen auch gesagt, daß er diese Ankündigung im Radiospektrum machen wird? Sind Ihre Gespräche mit Gott irgendwo aufgezeichnet, damit wir nachprüfen können, ob sie tatsächlich stattgefunden haben? Oder sind wir auf Ihre bloße Behauptung angewiesen? Warum kündigt sich Gott ausgerechnet den Radioastronomen an und nicht den Männern und Frauen des geistlichen Standes? Finden Sie es nicht auch merkwürdig, daß die erste Botschaft von Gott nach zweitausend Jahren aus Primzahlen. und aus ein paar Bildern Adolf Hitlers bei den Olympischen Spielen 1936 bestehen soll? Ihr Gott hat einen eigenartigen Humor.“

„Mein Gott hat das, was ihm richtig erscheint.“ Sichtlich erschrocken über die Verschärfung der Diskussion schaltete sich Der Heer ein: „Vielleicht darf ich uns alle an den Zweck unseres Zusammentreffens erinnern.“ Typisch Ken, dachte Ellie, immer darauf bedacht zu beschwichtigen. Manchmal zeigte er Mut, aber eigentlich nur dann, wenn er keine Verantwortung zu übernehmen hatte. Er war ein unerschrockener Redner. aber nur privat. In wissenschaftspolitischen Angelegenheiten, zumal wenn er die Präsidentin zu vertreten hatte, zeigte er immer Entgegenkommen, sogar die Bereitschaft, mit dem Teufel selbst einen Kompromiß zu schließen. Ellie mußte innerlich lachen. Die Sprache der Theologen schien jetzt schon auf sie abzufärben.

Ellie brach ihre Gedanken ab und fiel Der Heer ins Wort: „Das ist etwas anderes. Wenn das Signal von Gott kommt, warum kommt es dann von einem einzigen Stern — aus der Nähe eines besonders hellen Sterns in nicht allzuweiter Entfernung? Warum kommt es nicht von überall aus dem All wie die kosmische Hintergrundstrahlung? Da das Signal nur von einem Stern kömmt, liegt die Vermutung nahe, daß es von einer anderen Zivilisation gesendet wird. Wenn es von überall her käme, würde es nach einem Signal Ihres Gottes aussehen.“

„Gott kann das Signal aus dem Spundloch des Kleinen Bären kommen lassen, wenn er will.“ Rankin wurde feuerrot im Gesicht. „Entschuldigen Sie, aber Sie haben mich wirklich aufgebracht. Gott ist allmächtig.“

„Alles, was Sie nicht verstehen, schreiben Sie Gott zu. Gott ist für Sie das, womit Sie alle Geheimnisse der Welt, alle Herausforderungen an unsere Intelligenz beiseitefegen. Sie stellen einfach Ihren Verstand ab und sagen, Gott hat es getan.“

„Gnädige Frau, ich bin nicht hierhergekommen, um mich beleidigen zu.“

‚„Hierhergekommen’? Ich dachte, Sie wohnen hier.“

„Gnädige Frau — “ Rankin wollte etwas sagen, besann sich dann aber eines Besseren. Er holte tief Luft und fuhr fort: „Dies ist ein christliches Land, und Christen wissen die Wahrheit von der Lüge zu unterscheiden, sie tragen die heilige Verantwortung dafür, daß das geheiligte Wort Gottes verstanden.“

„Ich bin Christin, aber Sie sprechen nicht für mich. Sie sind Gefangener Ihres eigenen religiösen Wahnes. Es kommt mir vor, als lebten Sie im fünften Jahrhundert. Aber wir haben die Renaissance hinter uns, und die Aufklärung hat stattgefunden. Ist Ihnen das entgangen?“

Joss und Der Heer hielt es kaum noch in ihren Sesseln. „Bitte“, bat Ken und sah Ellie eindringlich an. „Wenn wir uns nicht an unser Programm halten, weiß ich nicht, wie wir den Wunsch der Präsidentin erfüllen können.“

„Aber Sie wünschten doch einen ‚offenen Meinungsaustausch““.

„Es ist kurz vor zwölf“, bemerkte Joss. „Machen wir doch eine kleine Mittagspause.“

Draußen vor dem Konferenzraum lehnte Ellie sich an das Geländer, das das Foucault-Pendel umgab, und flüsterte erregt auf Der Heer ein.