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„Waygay, Sie können offen mit mir reden. Was wollen Sie sagen? Befürchten Sie, daß Ken und Mike Kitz vorschnell handeln?“

„Richtig. Ich mache mir Sorgen, daß in den nächsten Tagen verfrühte Diskussionen über den Bau einer Maschine geführt werden, dessen Konsequenzen wir noch gar nicht absehen können. Die Politiker glauben, wir wüßten alles. Tatsache ist, daß wir fast nichts wissen. Solch eine Situation kann sehr gefährlich werden.“

Erst jetzt wurde Ellie klar, daß Waygay sich persönlich für den Inhalt der BOTSCHAFT verantwortlich fühlte. Wenn es zu einer Katastrophe kam, hatte er Angst, daß er daran schuld sein könnte. Natürlich hatte er daneben auch weniger persönliche Motive.

„Wollen Sie, daß ich mit Ken spreche?“

„Wenn Sie es für richtig halten. Sie haben häufig Gelegenheit, mit ihm zu reden, nicht?“ Er sagte das ganz beiläufig. „Waygay, Sie sind doch nicht eifersüchtig? Ich glaube, Sie haben meine Gefühle für Ken früher durchschaut als ich. Als Sie nach Argus zurückkamen, waren Ken und ich mehr oder weniger schon zwei Monate zusammen. Halten Sie das für falsch?“

„Ach nein, Ellie. Ich bin nicht Ihr Vater und auch nicht ein eifersüchtiger Liebhaber. Ich wünsche Ihnen nur, daß Sie glücklich sind. Nur, daß es so viele unerfreuliche Möglichkeiten gibt.“

Aber er erläuterte nicht näher, was er damit meinte. Sie machten sich wieder an die Interpretationsversuche der Diagramme, die über den ganzen Tisch verstreut lagen. Zur Abwechslung diskutierten sie dann auch noch ein bißchen über Politik — über die Debatte, die in Amerika über die MandelaPrinzipien zur Lösung des Rassenkonflikts in Südafrika geführt wurde, und über den sich verschärfenden Ton in den Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Deutschen Demokratischen Republik. Wie immer hatten Ellie und Waygay ihre Freude daran, die Außenpolitik des eigenen Landes vor dem anderen schlecht zu machen. Das war viel interessanter, als die Außenpolitik des anderen Landes zu verurteilen, was genauso leicht möglich gewesen wäre. Als sie bei ihrem rituellen Streit darüber angelangt waren, ob sie sich die Rechnung teilen sollten, bemerkte Ellie, daß der strömende Regen in leichtes Nieseln übergegangen war.

Inzwischen war die Neuigkeit der BOTSCHAFT von der Wega bis in den hintersten Winkel des Planeten Erde gedrungen. Den Menschen, die weder wußten, daß es Radioteleskope gab, noch je etwas von Primzahlen gehört hatten, erzählte man eine abenteuerliche Geschichte von einer Stimme, die von den Sternen kam, und von merkwürdigen Wesen — nicht ganz Mensch, aber auch nicht ganz Gott —, die man am Nachthimmel entdeckt hatte. Den Heimatstern dieser Wesen konnte man sehen, sogar bei Vollmond. Neben den Kommentaren mehr oder weniger verrückter Sektierer war jetzt auf der ganzen Welt das Gefühl aufgekommen, daß sich etwas Einmaliges, ja Wunderbares ereignet hatte. Aufbruchstimmung lag in der Luft, das Gefühl, daß eine neue Ära angefangen hatte. Es gab andere intelligente Wesen im Universum. Man konnte mit ihnen Verbindung aufnehmen. Wahrscheinlich waren sie älter als die Menschen und gescheiter. Sie schickten ganze Bibliotheken mit schwierigen Informationen. Auf allen Gebieten erwartete man epochemachende Offenbarungen. Die Mathematiker grübelten darüber, welche grundlegenden Entdeckungen sie versäumt haben könnten. Religiöse Führer hatten Angst, daß die wegianischen Werte, obgleich fremd, schnell Anhänger vor allem unter den ungebildeten Jugendlichen finden könnten. Die Astronomen sorgten sich, daß sie mit bestimmten Grundprinzipien über benachbarte Sterne falsch lagen. Politiker und Präsidenten waren darüber beunruhigt, daß eine überlegene Zivilisation vielleicht ganz anderen Regierungssystemen anhing als denen, die auf der Erde gang und gäbe waren. Alles, was die Wegianer wußten, war von spezifisch menschlichen Institutionen und von der menschlichen Geschichte und Biologie völlig unbeeinflußt. Wenn nun alles, was wir für wahr hielten, ein Mißverständnis, ein Sonderfall oder ein logischer Fehlschluß gewesen war? Besorgt begannen die Fachleute, die Grundlagen ihrer Forschung neu zu überprüfen. Neben diesen auf Spezialisten beschränkten Sorgen machte sich eine Stimmung breit, die die Menschheit im Aufbruch zu Abenteuern einer neuen Dimension sah, am Wendepunkt zu einem neuen Zeitalter, dessen symbolische Bedeutung die nahende dritte Jahrtausendwende gewaltig verstärkte. Noch immer gab es politische Konflikte, von denen einige — wie das Rassenproblem in Südafrika — sehr ernst waren. Aber in vielen Teilen der Welt ließen patriotische Reden und kindisches Nationalbewußtsein merklich nach. Das Gefühl eines an die ganze Erde gerichteten Geschenks oder aber einer der ganzen Erde drohenden Gefahr ließ erstmals ein gemeinsames Selbstbewußtsein der menschlichen Rasse entstehen, dieser Milliarden kleiner Lebewesen, die über verschiedene Kontinente verteilt waren. Vielen kam es absurd vor, daß verfeindete Nationen weiterhin ihre todbringenden Konflikte auskämpften angesichts einer nichtmenschlichen Zivilisation mit unendlich größeren Fähigkeiten. Neue Hoffnung lag in der Luft. Manche Menschen hatten schon vergessen, was Hoffnung war, und verstanden sie falsch — als geistige Verwirrung oder gar Feigheit. In den Jahrzehnten nach 1945 waren die Atomwaffenarsenale der ganzen Welt stetig gewachsen. Die politischen Führungskräfte wechselten, die Waffensysteme und Strategien änderten sich, aber die Zahl der strategischen Waffen wurde nur größer. Es kam der Zeitpunkt,

wo man über 25 000 davon auf dem Planeten hatte, zehn für jede große Stadt. Neue Technologien verkürzten die Flugzeiten, ermöglichten den Erstschlag auf jedes Ziel und einen Launch-on-warning. Nur eine Gefahr wie die, die möglicherweise von der BOTSCHAFT drohte, konnte einen solchen Wahnsinn aufbrechen, dem die Regierungschefs so vieler Länder schon seit so langer Zeit huldigten. Endlich kam die Welt zur Vernunft, wenigstens in diesem Punkt, und von den Vereinigten Staaten, der Sowjetunion, Großbritannien, Frankreich und China wurde ein Abkommen unterzeichnet. Man hatte nicht vor, sämtliche Atomwaffen aus der Welt zu schaffen. Nur wenige erhofften sich ein solches Wunder von dem Abkommen. Aber die Amerikaner und Russen verpflichteten sich, ihre strategischen Waffenarsenale auf tausend Atomwaffen zu verringern. Die einzelnen Schritte wurden sorgfältig geplant, damit keine der Supermächte in einem Stadium des Abbaus deutlich im Nachteil war. Großbritannien, Frankreich und China erklärten sich bereit, mit der Reduzierung ihrer Waffenarsenale zu beginnen, wenn die Supermächte bei 3200 Raketen angekommen waren. Die Unterzeichnung des Hiroshima-Abkommens erfolgte zur Freude der ganzen Welt unter der berühmten Gedenktafel für die Opfer der ersten Stadt, die von einer Atombombe ausradiert worden war: „Ruhet in Frieden, denn es soll nie wieder geschehen“. Jeden Tag wurden gleich viele amerikanische und sowjetische atomare Sprengköpfe an ein neugeschaffenes Unternehmen abgeliefert, in dem sowohl amerikanische als auch sowjetische Ingenieure arbeiteten. Das Plutonium wurde extrahiert, in einer Liste verzeichnet, versiegelt und von einem bilateralen Team zu Kernkraftwerken transportiert, wo es zu Elektrizität verarbeitet werden sollte. Dieses Konzept, nach einem amerikanischen Admiral GaylerPlan genannt, wurde weit und breit als Erfüllung der Forderung ‚Schwerter zu Pflugscharen’ gefeiert. Da die Nationen auch weiterhin über verheerende Vergeltungsmöglichkeiten verfügten, konnten sich selbst die Militärs schließlich damit abfinden. Auch Generäle wünschten ihren Kindern nicht den Tod, und der Atomkrieg bedeutete die Negation der traditionellen soldatischen Tugenden; zum Drücken eines Knopfes gehörte nicht viel Mut. Die Auslieferung der ersten Atomwaffen wurde live im Fernsehen übertragen und immer wieder gezeigt. Man sah weißgekleidete amerikanische und sowjetische Ingenieure, die zwei der metallenen Objekte von stumpfem Grau und der Größe einer Sitzbank hereinrollten. Sie waren mit amerikanischen und russischen Flaggen geschmückt. Millionen wurden Zeugen dieser Szene. Die Abendnachrichten berichteten regelmäßig, wie viele strategische Waffen inzwischen auf beiden Seiten vernichtet worden waren und wie viele noch abgebaut werden mußten. In gut zwei Jahrzehnten würde auch diese Nachricht die Wega erreichen.