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In den folgenden Jahren ging die Abrüstung ohne ernsthafte Hindernisse weiter. Zuerst waren die Paradestücke der Arsenale übergeben worden, während sich an den strategischen Grundsätzen noch kaum etwas geändert hatte. Jetzt aber spürte man allmählich die Folgen des Abbaus, und die Waffensysteme, die das Gleichgewicht am meisten gefährdet hatte, wurden ebenfalls abgebaut. Experten hatten das nicht für möglich gehalten und erklärt, so etwas sei „gegen die menschliche Natur“. Aber wie schon Samuel Johnson bemerkt hatte, führt ein Todesurteil auf wunderbare Weise zu einer letzten Konzentration der geistigen Kräfte. Im letzten halben Jahr hatte der Atomwaffenabbau auf Seiten der Vereinigten Staaten und der Sowjetunion neue Erfolge erzielt. In Kürze sollten in beiden Ländern Untersuchungskommissionen des jeweils anderen Landes installiert werden, denen voller Zutritt zu allen Waffenarsenalen gewährt werden mußte — trotz der öffentlich geäußerten Mißbilligung und Sorge der Militärs beider Nationen. Die Vereinten Nationen erwiesen sich als unerwartet erfolgreich bei der Vermittlung in internationalen Streitigkeiten. Auf diese Weise konnten die Grenzkriege im Westiran und an der chilenischargentinischen Grenze beigelegt werden. Es war sogar ein Nichtangriffspakt zwischen der Nato und dem Warschauer Pakt im Gespräch.

Die Delegierten, die zu der ersten Plenarsitzung des Weltkonsortiums kamen, hatten von Anfang an einen viel herzlicheren Umgangston miteinander, als es in den letzten Jahrzehnten je der Fall gewesen war.

Jede Nation, die auch nur wenige Bit der BOTSCHAFT empfing, war sowohl mit wissenschaftlichen als auch politischen Delegierten vertreten. Überraschend viele schickten auch militärische Vertreter. In einigen wenigen Fällen wurden die Delegationen sogar von den Außenministern oder Staatsoberhäuptern angeführt. Zur Abordnung Großbritanniens gehörte Viscount Boxforth, seines Zeichens Lordsiegelbewahrer — Ellie fand diesen Ehrentitel überaus komisch. An der Spitze der Delegation der UdSSR, in der der Minister für die mittlere Schwerindustrie, Gotsridse, und Archangelski eine wichtige Rolle spielten, stand B. J. Abuchimow, der Präsident der sowjetischen Akademie der Wissenschaften. Die Präsidentin der Vereinigten Staaten hatte darauf bestanden, daß Der Heer der amerikanischen Delegation vorstand, obwohl auch Staatssekretär Elmo Honicutt und Michael Kitz nebst weiteren Vertretern des Verteidigungsministeriums dazugehörten.

Eine große, sorgfältig ausgearbeitete Landkarte in flächentreuer Projektion veranschaulichte die Verteilung der Radioteleskope über den Planeten unter Einschluß der sowjetischen Beobachtungsschiffe. Neugierig sah Ellie sich in dem erst vor kurzem fertiggestellten Konferenzsaal um, der direkt neben den Büroräumen und der Residenz des französischen Präsidenten lag. Obwohl der Präsident erst das zweite Jahr seiner siebenjährigen Amtszeit regierte, scheute er keine Mühe, den Erfolg des Treffens zu garantieren. Eine Vielzahl von Gesichtern, Flaggen und Landestrachten spiegelte sich in den langen, in einem Bogen aufgestellten Mahagonitischen und den mit Spiegeln verkleideten Wänden. Von den Politikern und Militärs kannte sie nur wenige, dafür aber mindestens einen Wissenschaftler oder Ingenieur aus jeder Delegation: Annunziata und Ian Broderick aus Australien, Fedirka aus der Tschechoslowakei, Braude, Crebillion und Boileau aus Frankreich, Kumar Chandrapurana und Devi Sukhavati aus Indien, Hironaga und Matsui aus Japan. Ellie fiel auf, daß viele der Delegierten, besonders aber die Japaner, eher Technologieexperten waren als Radioastronomen. Der Gedanke, daß vielleicht der Bau einer riesigen Maschine auf dieser Konferenz zur Sprache kommen könnte, hatte viele Länder veranlaßt, die Zusammensetzung ihrer Delegationen in letzter Minute noch zu verändern. Ellie kannte auch Malatesta aus Italien, Bedenbaugh, einen Physiker, der in die Politik gegangen war, Clegg und den ehrwürdigen Sir Arthur Chatos, die hinter einem Union Jack der Art, wie man ihn auf den Tischen europäischer Restaurants finden konnte, miteinander plauderten. Außerdem Jaime Ortiz aus Spanien, Prebula aus der Schweiz, worüber Ellie sich wunderte, da die Schweiz ihres Wissens bislang noch gar kein Radioteleskop besaß, Bao, der Hervorragendes im Aufbau der chinesischen Radioteleskopanlage geleistet hatte, und Wintergaden aus Schweden. Die Abordnungen aus SaudiArabien, Pakistan und dem Irak waren erstaunlich groß; und da drüben standen natürlich die Russen. Nadja Roshdestwenskaja und Henrich Archangelski lachten gerade über irgend etwas.

Ellie hielt nach Lunatscharski Ausschau und erspähte ihn schließlich bei der chinesischen Delegation. Er begrüßte gerade Yu Renqiong, den Direktor des Radioobservatoriums in Peking. Ellie erinnerte sich, daß die beiden während der Jahre chinesisch-sowjetischer Zusammenarbeit Freunde und Kollegen gewesen waren. Aber die Feindseligkeiten zwischen den beiden Staaten hatten jeden Kontakt zwischen ihnen beendet, und die chinesischen Beschränkungen der Auslandsreisen für Spitzenwissenschaftler waren fast noch schärfer als die sowjetischen. Ellie war sich bewußt, daß sie Zeugin der ersten Begegnung dieser Männer seit vielleicht einem Vierteljahrhundert war.

„Wer ist der alte China-Mann, dem Waygay gerade die Hand schüttelt?“ Das war Kitz’ Art, herzlich zu sein. In den letzten Tagen hatte er Ellie gegenüber schon mehrere solche Vorstöße unternommen — eine Entwicklung, der sie im stillen keine Chance gab.

„Yu, der Direktor des Observatoriums in Peking.“

„Ich dachte, die hassen sich wie die Pest.“

„Michael“, sagte Ellie, „die Welt ist sowohl besser als auch schlechter, als Sie sich vorstellen.“

„Was ‚besser’ betrifft, sind Sie mir wahrscheinlich voraus“, erwiderte er, „aber was ‚schlechter’ betrifft, können Sie mir nicht das Wasser reichen.“

Nach der Begrüßung durch den Präsidenten von Frankreich (der zum Erstaunen aller blieb, um die Eröffnungsvorträge anzuhören) und der Diskussion über Verfahren und Tagesordnung durch Der Heer und Abuchimow, die gemeinsam als Vorsitzende der Konferenz fungierten, gaben Ellie und Waygay eine kurze Zusammenfassung der bisher bekannten Daten. Sie begannen mit einer allgemeinen Einführung — allzu technische Begriffe vermieden sie mit Rücksicht auf Politiker und Militärs — in die Funktionsweise von Radioteleskopen, die Verteilung der erdnächsten Sterne im Weltall und die Geschichte der BOTSCHAFT als eines Palimpsests. Der gemeinsame Vortrag schloß mit einem Kommentar zu den erst vor kurzem empfangenen Diagrammen, die jede Delegation auf einem eigenen Monitor vor sich hatte. Ellie erklärte, wie die Polarisationsmodulation in eine Abfolge von Nullen und Einsen umgewandelt wurde, wie die Nullen und Einsen zusammen ein Bild ergaben, daß sie aber in den meisten Fällen nicht die leiseste Ahnung hatten, was das Bild bedeutete.

Die einzelnen Daten setzten sich auf den Computerbildschirmen zu Bildern zusammen. Ellie sah, wie die Gesichter der Delegierten sich aufmerksam über die Bildschirme beugten, von denen sie in dem jetzt halb verdunkelten Saal weiß, bernsteinfarben und grün angestrahlt wurden. Auf den Diagrammen waren fein verästelte Netze zu erkennen, daneben plumpe, fast schon unanständige biologische Formen und ein vollkommen geformtes, regelmäßiges Dodekaeder. Eine Folge mehrerer Seiten war zu einer aus zahllosen Details bestehenden Konstruktion zusammengebaut worden, die sich langsam drehte. Zu jedem der geheimnisvollen Teile gehörte eine unverständliche Bildunterschrift. Waygay betonte noch stärker als Ellie die Ungewißheit ihrer Deutung. Trotzdem stand es auch für ihn außer Zweifel, daß die BOTSCHAFT das Handbuch für die Konstruktion einer Maschine war. Bescheiden unterließ er es, darauf hinzuweisen, daß diese Idee ursprünglich von ihm und Archangelski stammte, aber Ellie ergriff die nächste Gelegenheit, es deutlich auszusprechen.