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Obwohl Hadden Mitglied der Nationalen Akademie der Ingenieurwissenschaften war, hatte er, soweit Ellie wußte, noch nie an einer Konferenz teilgenommen. Sie hatte ihn noch nie gesehen. Trotzdem kannten Millionen Amerikaner sein Gesicht. Das war das Resultat einer vor Jahren gegen ihn gestarteten Kampagne des Berufsverbands der Werbung gewesen: „Der Unamerikaner“ hatte unter einem wenig schmeichelhaften Photo von ihm gestanden. Dennoch fuhr Ellie erschrocken zusammen, als sie in ihren Träumereien vor der abgeschrägten Glaswand von einer kleinen, dicken Gestalt unterbrochen wurde, die sie mit einer Kopfbewegung zu sich winkte.

„Oh, Entschuldigung. Ich kann immer noch nicht verstehen, daß sich jemand vor mir fürchtet.“

Seine Stimme klang erstaunlich melodisch. Sie schien sich in Quinten auf und ab zu bewegen. Sich vorzustellen hielt er offensichtlich nicht für nötig. Wieder nickte er mit dem Kopf in Richtung der Tür, die hinter ihm offen stand. Da kaum anzunehmen war, daß ein Sexualverbrechen an ihr verübt werden sollte, folgte sie ihm wortlos in den nächsten Raum. Er führte sie zu dem liebevoll mit allen Details ausgestatteten Tischmodell einer antiken Stadt, die allerdings weniger prachtvoll war als Babylon.

„Pompeji“, sagte er erklärend. „Es geht um das Stadion. Seit der Boxsport eingeschränkt wurde, gibt es in Amerika keinen gesunden blutigen Sport mehr. Aber das ist ungeheuer wichtig. Ein solcher Sport zieht die Gifte aus dem amerikanischen Blut. Die ganze Anlage ist schon geplant, die Genehmigung erteilt, und jetzt dies.“

„Was heißt ‚dies’?“

„Keine Gladiatorenspiele. Ich habe soeben Nachricht aus Sacramento bekommen. Der Legislative liegt ein Antrag vor, Gladiatorenkämpfe in Kalifornien zu verbieten. Zu gewalttätig, behaupten sie. Den Bau neuer Wolkenkratzer genehmigen sie, obwohl sie wissen, daß zwei oder drei Bauarbeiter dabei drauf gehen. Die Gewerkschaft weiß das, die Bauunternehmer wissen es, aber man baut Büros für Ölgesellschaften oder Rechtsanwälte aus Beverly Hills. Natürlich würden bei uns auch ein paar drauf gehen. Aber wir würden mehr mit Dreizack und Netz kämpfen lassen als mit dem Kurzschwert. Die Gesetzgeber setzen die Prioritäten nicht richtig.“ Hadden strahlte sie mit großen Eulenaugen an und fragte, ob sie einen Drink wolle. Sie lehnte auch diesmal ab. „Also, Sie wollen mit mir über Ihre Maschine reden, und auch ich will mit Ihnen über die Maschine reden. Aber Sie sind zuerst dran. Sie wollen also wissen, wie sie den Schlüssel zum Code finden können, richtig?“

„Wir haben beschlossen, einige maßgebende Leute um Unterstützung zu bitten, die etwas von der Sache verstehen. Wir dachten, daß Sie sich als Erfinder von einigem Ruf — Ihr Kontexterkennungschip beispielsweise war ja maßgeblich an der Entdeckung beteiligt, daß die BOTSCHAFT sich wiederholte — daß Sie sich also als Erfinder von einigem Ruf vielleicht in einen Wegianer hineinversetzen und dadurch herausfinden könnten, wo der Schlüssel verborgen ist. Wir wissen, daß Sie ein vielbeschäftigter Mann sind, und es tut mir leid, wenn — “

„Das ist völlig in Ordnung. Natürlich stimmt es, daß ich viel zu tun habe. Ich versuche gerade, Ordnung in meine Angelegenheiten zu bringen, denn es bahnt sich ein große Wende in meinem Leben an.“

„Sie meinen wegen der nahenden Jahrtausendwende?“ Ellie versuchte, sich vorzustellen, daß er S. R. Hadden & Co. das Börsenmaklerbüro in Wall Street, die Gentechnik-GmbH, die Firma Hadden Cybernetics und Babylon an die Armen verschenkte.

„Nein, das nicht. Aber das ist ein anderes Thema. Es hat mich gefreut, daß Sie mich um Rat gefragt haben. Außerdem hat es Spaß gemacht, die Diagramme anzuschauen.“ Er deutete auf die achtbändige Ausgabe, die auf seinem Schreibtisch aufgestapelt war. „Die Bilder sind wundervoll, aber ich glaube nicht, daß der Schlüssel in ihnen versteckt ist. Nicht in den Bildern. Mir ist auch gar nicht klar, warum Sie davon ausgehen, daß der Schlüssel in der BOTSCHAFT steckt. Vielleicht haben sie ihn auf dem Mars oder Pluto oder in der Oortschen Kometenwolke deponiert, und wir werden ihn erst in ein paar hundert Jahren entdecken. Im Augenblick wissen wir nur, daß es diese wunderbare Maschine gibt. Wir haben die Konstruktionspläne und 30000 Seiten mit Erklärungen. Aber wir wissen noch nicht einmal, ob wir überhaupt in der Lage wären, das Ding zu bauen, wenn wir den Text lesen könnten. Also warten wir noch ein paar hundert Jahre, verbessern unsere Technologien in dem Wissen, daß wir früher oder später in der Lage sein müssen, die Maschine zu bauen. Daß wir den Schlüssel nicht haben, verweist uns auf zukünftige Generationen. Den Menschen ist ein Problem aufgegeben worden, das nur über mehrere Generationen zu lösen ist. Ich finde das gar nicht so übel. Könnte ganz gesund sein. Vielleicht machen Sie einen Fehler, wenn Sie nach einem Schlüssel suchen. Vielleicht ist es besser, ihn gar nicht zu finden.“

„Ich möchte den Schlüssel so früh wie möglich finden. Wir wissen nicht, ob man dort ewig auf uns wartet. Wenn sie auf der Wega den Hörer einhängen, weil sie keine Antwort bekommen, ist das viel schlimmer, als wenn sie uns niemals angerufen hätten.“

„Damit mögen Sie recht haben. Ich habe mir jedenfalls alles mögliche überlegt. Ich gebe Ihnen erst einmal ein paar ganz banale Möglichkeiten zu bedenken und dann noch eine weniger banale. Aber zuerst die banalen: Der Schlüssel ist in der BOTSCHAFT verborgen, aber mit einer ganz anderen Datenrate. Angenommen, es wurde noch eine zweite Botschaft mit einem Bit pro Stunde gesendet — wäre man darauf gestoßen?“

„Hundertprozentig. Wir prüfen regelmäßig die Drift des Empfängers. Aber ein Bit pro Stunde brächte nur — lassen Sie mich kurz überschlagen — zehn, zwanzig Bit, bevor sich die BOTSCHAFT wiederholt.“

„Das wäre also nur sinnvoll, wenn der Schlüssel viel einfacher und kürzer ist als die BOTSCHAFT. Sie glauben nicht daran. Ich auch nicht. Und wie steht es mit viel schnelleren Bitraten? Woher wissen Sie denn, daß nicht unter jedem Bit ihrer Maschinenbotschaft eine Million Bit des Schlüssels sitzen?“

„Weil das ungeheure Bandbreiten schaffen würde. Wir würden es also sofort merken.“

„Okay, aber vielleicht gibt es hin und wieder einen Datenberg. Stellen Sie sich das wie einen Mikrofilm vor. Ein winziger Mikrofilm, so klein wie ein Punkt, wiederholt sich an verschiedenen Stellen der Botschaft. Ich stelle mir so etwas wie ein kleines Signal vor, das, in menschliche Sprache übersetzt, sagt: ‚Ich bin der Schlüsseln Und dann kommt auch schon der Punkt, der aus hundert Millionen ganz schnell aufeinanderfolgender Bits besteht. Sie könnten mal nachschauen, ob Sie solche kleinen Signale finden.“

„Das wäre uns bestimmt aufgefallen, glauben Sie mir.“

„Gut. Und wie steht es mit Phasenmodulation? Wir benutzen sie bei Radar und in der Telemetrie. Sie verursacht fast keine Störungen im Spektrum. Haben Sie einen Phasenkorrelator angeschlossen?“

„Nein. Aber das ist eine gute Idee. Ich werde mir das überlegen.“

„So, und jetzt kommen wir zu der nicht banalen Idee: Nehmen wir an, die Maschine wurde gebaut. Es sitzen also fünf Mann startbereit in ihr, einer drückt auf einen Knopf, und schon sind sie irgendwohin unterwegs. Wohin, ist jetzt egal. Jetzt stellt sich die interessante Frage, ob diese fünf Leute wieder zurückkommen werden. Vielleicht nicht. Mir gefällt die Idee, daß sich wegianische Leichenräuber diese Maschine ausgeheckt haben. Vielleicht Medizinstudenten von der Wega, oder Anthropologen. Sie brauchen einfach ein paar menschliche Körper. Es wäre ein Riesenaufwand, persönlich zu Erde zu kommen — man brauchte eine Einreisegenehmigung, Ausweise von der Einwanderungsbehörde —, nein, nein, der Ärger lohnte sich nicht. Aber eine Botschaft kann man ohne große Anstrengung an die Erde schicken, und dann haben die Erdlinge die Mühe, fünf Körper zur Wega hinaufzuschicken.