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Es ist wie Briefmarkensammeln. Als kleiner Junge habe ich Briefmarken gesammelt. Man konnte jemand in einem fremden Land einen Brief schreiben, und meistens bekam man eine Antwort. Der Inhalt des Briefes spielte keine Rolle. Die Briefmarke war es, was man wollte. So stelle ich mir das bildlich vor: Auch auf der Wega gibt es Briefmarkensammler. Sie verschicken Briefe, wenn sie in der Stimmung dazu sind, und schon kommen Körper aus dem gesamten Weltall zu ihnen zurückgeflogen. Hätten Sie nicht auch Lust, so eine Sammlung anzusehen?“

Er lächelte Ellie an und fuhr fort: „Schön und gut, aber was hat das mit dem Finden des Schlüssels zu tun? Nichts. Es ist nur wichtig, wenn ich unrecht habe. Wenn mein Bild von den Briefmarkensammlern falsch ist, wenn also die Besatzung wieder zur Erde zurückkehren will, dann müssen wir den Raumflug mit allen Raffinessen beherrschen. Wie pfiffig die Wegianer auch sein mögen, es wird schwierig sein, die Maschine sicher zu landen. Es gibt zu viele Unsicherheitsfaktoren. Und Gott allein weiß, woraus das Antriebssystem besteht. Wenn man nur ein paar Meter unter der Erde aus dem All auftaucht, dann war’s das auch schon. Und was sind ein paar Meter bei 26000 Lichtjahren? Das ist zu riskant. Wenn die Maschine tatsächlich zurückkommt, dann taucht sie — oder was auch immer — womöglich ganz in der Nähe der Erde im All auf, trifft aber kaum direkt auf die Erde. Deshalb müssen sie sicher sein, daß wir den Raumflug kennen, damit wir die fünf Menschen sicher wieder aus dem Weltraum zurückholen können. Die Wegianer haben es eilig und können nicht einmal stillsitzen, bis die Abendnachrichten von 1957 auf der Wega ankommen. Was machen sie also? Sie richten es so ein, daß ein Teil der Botschaft nur vom All aus entdeckt werden kann. Und welcher Teil? Natürlich der Schlüssel. Wer den Schlüssel im Weltraum ausfindig machen kann, der kennt auch den Raumflug und kann sicher aus dem All zurückkehren. Ich könnte mir also denken, daß der Schlüssel im Frequenzbereich der Absorption des Sauerstoffs im nahen Infrarot- und Mikrowellenbereich gesendet wird, einem Teil des Spektrums also, den man erst dann überprüfen kann, wenn man sich außerhalb der Erdatmosphäre befindet.“

„Wir haben bereits mit dem Hubble-Teleskop die Wega im gesamten ultravioletten, sichtbaren und nahen infraroten Bereich abgesucht. Nicht der kleinste Hinweis. Die Russen haben ihr Millimeterwellenteleskop wieder instandgesetzt. Sie haben sich so gut wie alles neben der Wega angeschaut und nichts gefunden. Noch andere Alternativen?“

„Möchten Sie wirklich nichts trinken? Ich trinke selbst keinen Alkohol, aber viele tun es.“ Wieder lehnte Ellie dankend ab. „Nein, das war alles. Keine weiteren Alternativen. Bin ich jetzt an der Reihe? Also, ich habe eine Bitte an Sie. Es fällt mir nicht leicht, um etwas zu bitten. Ich habe es noch nie getan. In der Öffentlichkeit glaubt man, daß ich komisch aussehe und reich und skrupellos bin — jemand, der nach Schwachstellen im System sucht, die er in klingende Münze umwandeln kann. Erzählen Sie mir jetzt nicht, daß Sie das alles nicht glauben. Jeder glaubt ein bißchen davon. Wahrscheinlich kennen Sie die eine oder andere Geschichte schon, die ich Ihnen gleich erzählen werde, aber hören Sie mir bitte trotzdem zehn Minuten zu. Ich möchte Ihnen erzählen, wie alles anfing. Kurz gesagt, ich möchte, daß Sie mich kennenlernen.“

Ellie lehnte sich zurück. Sie hatte keine Ahnung, auf was er hinauswollte. Sie versuchte, die wilden Phantasien zu verdrängen, die durch ihren Kopf geisterten und in denen immer wieder der Tempel von Ischtar, Hadden und ein oder zwei Wagenlenker auftauchten.

Vor Jahren hatte Hadden ein Modul erfunden, das, sobald im Fernsehen Werbung kam, automatisch den Ton abschaltete. Die Erfindung wurde zunächst noch nicht in der Kontexterkennung eingesetzt, sondern regulierte die Amplitude der Trägerwelle. TV-Werbefachleute hatten angefangen, ihre Reklame lauter und mit weniger Störgeräuschen laufen zu lassen als die eigentlichen Programme. Die Neuigkeit von Haddens Modul breitete sich wie ein Lauffeuer aus. Für viele bedeutete es eine große Erleichterung und die Befreiung von einer schrecklichen Plage, wenn sie die endlose Werbung während der sechs bis acht Stunden, die der Durchschnittsamerikaner täglich vor dem Fernseher verbrachte, nicht mehr hören mußten. Noch bevor die Industrie des Werbefernsehens geschlossen reagieren konnte, erfreute sich Werbnix schon weit und breit größter Beliebtheit. Werbefachleute und Sendeanstalten waren gezwungen, auf andere Trägerwellen umzusteigen, worauf Hadden jedesmal mit einer neuen Erfindung reagierte. Manchmal erfand er Schaltkreise, die Strategien wirkungslos machten, die die Werbeagenturen und Sender noch gar nicht erfunden hatten. Hadden begründete das damit, daß er ihnen den Ärger ersparen wolle, neue und teure Erfindungen zu Lasten ihrer Aktionäre in Auftrag zu geben, die von vornherein zum Scheitern verurteilt waren. Je mehr er verkaufte, desto billiger wurden seine Produkte. Es war eine Art Krieg der Elektronik. Und Hadden war der Gewinner.

Man versuchte, ihn gerichtlich zu belangen — man warf ihm vor, er unterwandere den freien Handel. Seine Gegner hatten genug politischen Einfluß, daß Haddens Antrag auf sofortige Niederschlagung der Anklage abgelehnt wurde, aber nicht genug Einfluß, um den Fall für sich entscheiden zu können. Der Prozeß hatte Hadden zu einer eingehenden Beschäftigung mit den einschlägigen Gesetzen gezwungen. Kurz darauf hatte er über eine bekannte New Yorker Agentur, bei der er inzwischen stiller Teilhaber war, beantragt, für sein eigenes Produkt im Werbefernsehen Reklame machen zu dürfen. Nach einigen Wochen erbitterten Streits waren seine Werbespots abgelehnt worden. Hadden zog gegen alle drei Sender vor Gericht und diesmal konnte er den anderen Verstöße gegen die Freihandelsbestimmungen nachweisen. Er bekam eine riesige Abfindung gezahlt, die zu der Zeit einen Rekord für Fälle dieser Art aufstellte und auf ihre bescheidene Weise zum Ende der früheren Sendeanstalten beitrug.

Natürlich gab es immer auch Menschen, die sich gerne Werbespots ansahen und kein Interesse an Werbnix hatten. Aber das war eine verschwindende Minderheit. Hadden gewann ein Vermögen durch die weitgehende Ausschaltung des Werbefernsehens. Aber er machte sich auch Feinde. Als die Kontexterkennungschips auf dem Markt waren, hatte er Prednix entwickelt, ein Submodul, das man auf Werbnix aufstecken konnte. Es wechselte einfach den Kanal, wenn man zufällig ein religiöses Programm eingeschaltet hatte. Man konnte vorher Stichwörter wie „Wiederkunft Christi“ oder „Jüngstes Gericht“ eingeben und damit breite Schneisen durch die vielfältigen Programme schlagen. Prednix war heiß begehrt bei einer schon seit langem unter solchen Sendungen leidenden und nicht unbedeutenden Minderheit von Fernsehzuschauern. Außerdem munkelte man, daß Haddens nächstes Submodul Quatschnix heißen und nur auf öffentliche Ansprachen von Präsidenten und Premierministern reagieren sollte.

Je weiter Hadden seine Kontexterkennungschips entwickelte, desto bewußter wurde ihm, wie viele Anwendungsbereiche es dafür gab — vom Ausbildungssektor, der Wissenschaft und der Medizin bis hin zur militärischen Abwehr und zur Industriespionage. Letzteres lieferte dann den Anlaß für den berühmt gewordenen Prozeß United States gegen Hadden Cybernetics. Man hielt einen der Hadden-Chips für zu gut für den Zivilbereich, und auf Empfehlung der Nationalen Sicherheitsbehörde wurden die Anlage und das wichtigste Personal für die Produktion dieses am weitesten entwickelten Kontexterkennungschips kurzerhand von der Regierung übernommen. Es war einfach von überragender Wichtigkeit, die Post der Russen lesen zu können. Gott weiß, was geschehen würde, wenn die Russen zuerst die amerikanische Post lesen konnten, bekam Hadden gesagt. Hadden weigerte sich, bei der Übernahme mitzumachen, und beteuerte, er werde sich künftig auf Gebiete verlegen, die mit nationaler Sicherheit nichts zu tun hätten. Die Regierung verstaatliche die Industrie, sagte er; die Politiker behaupteten, Kapitalisten zu sein, aber wenn es hart auf hart gehe, zeigten sie ihr wahres sozialistisches Gesicht. Er habe ein noch unbefriedigtes Bedürfnis einer breiten Öffentlichkeit entdeckt und daraufhin eine bereits bestehende und völlig legale neue Technologie dazu eingesetzt, dieses Bedürfnis zu befriedigen. Das war klassischer Kapitalismus. Aber es gab viele nüchterne Kapitalisten, die erklärten, daß Hadden bereits mit Werbnix zu weit gegangen sei und damit gegen amerikanische Gepflogenheiten verstoßen habe. In diesem Zusammenhang erschien in der Prawda der giftige Kommentar eines gewissen W. Petrow, der den Fall als konkretes Beispiel der Widersprüche des Kapitalismus hingestellte. Das Wall Street Journal konterte, indem es die Prawda, ein Wort, das im Russischen „Wahrheit“ bedeutete, seinerseits als konkretes Beispiel der Widersprüche des Kommunismus bezeichnete.