„Ich komme auch ohne Toaster aus, aber die Frühstücke mit Si sind viel zu selten geworden.“ Sie warf ihm einen Blick zu und wandte sich dann wieder dem Okular zu. „Sie sieht wie eine blaue Amöbe aus, so. matschig.“ Die Präsidentin war erleichtert, daß die schwierige Sitzung, auf der die Nominierung der Besatzung verhandelt worden war, schließlich ein Ende gefunden hatte. Auch ihre Erkältung war fast verflogen.
„Und wenn es keine Turbulenzen gäbe, Ken? Was würde ich dann sehen?“
„Dann wäre unser Observatorium wie ein Weltraumteleskop über der Erdatmosphäre. Sie würden keinen flackernden, sondern einen gleichmäßig brennenden Lichtpunkt sehen.“
„Nur den Stern? Nur die Wega? Keinen ihrer Planeten, keine Ringe, keine Laserkampfstationen?“
„Nein, Frau Präsidentin. Das wäre alles viel zu klein und matt, auch für ein sehr großes Teleskop.“
„Ich hoffe nur, daß Ihre Wissenschaftler wissen, was sie tun“, sagte sie leise. „Wir machen so viele Zugeständnisse an eine Sache, die wir noch nicht einmal gesehen haben.“ Der Heer war bestürzt. „Aber wir haben doch einunddreißigtausend Seiten Text vor uns — Bilder, Wörter, plus einen umfassenden Schlüssel.“
„Was mich betrifft, ist es nicht das gleiche, wie wirklich etwas zu sehen. Für mich ist das wie. aus zweiter Hand. Kommen Sie mir jetzt nicht damit, daß Wissenschaftler auf der ganzen Welt dieselben Daten empfangen. Das weiß ich. Und erzählen Sie mir auch nicht, wie klar und eindeutig die Pläne für die Maschine sind. Das weiß ich auch. Und wenn wir aus dem Projekt aussteigen, wird sicher jemand anders die Maschine bauen. Das weiß ich alles. Trotzdem bin ich nervös.“
Gemächlich schlenderte die kleine Gesellschaft durch das Gelände des Naval Observatory zurück zur Residenz des Vizepräsidenten. In Paris waren in den letzten Wochen nach langen Verhandlungen erste Absprachen über die Zusammenstellung der Besatzung getroffen worden. Die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion waren beide dafür eingetreten, daß sie jeder zwei Teilnehmer stellten. In solchen Angelegenheiten waren sie verläßliche Verbündete. Aber es war schwierig, diesen Anspruch vor den anderen Mitgliedstaaten des Weltkonsortiums zu rechtfertigen. Im Vergleich zu früher konnten sich die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion — selbst bei Problemen, wo sie einer Meinung waren — nicht mehr so leicht bei den anderen Ländern der Welt durchsetzen.
Überall war das Projekt jetzt als das Unternehmen der ganzen Menschheit bekannt. Auch Nationen, die nur einen kleinen Teil der BOTSCHAFT empfangen hatten, versuchten, damit durchzusetzen, daß einer ihrer Landsleute in die Besatzung aufgenommen werde. Die Chinesen hatten in aller Ruhe darauf hingewiesen, daß es Mitte des nächsten Jahrhunderts eineinhalb Milliarden von ihnen auf der Welt geben werde,
von denen die meisten infolge der staatlich geförderten Geburtenkontrolle als Einzelkinder geboren werden würden. Diese Kinder würden, wenn sie einmal groß waren, so prophezeiten die Funktionäre weiter, intelligenter und emotional stabiler sein als Kinder in anderen Ländern mit weniger strengen Bestimmungen zur Größe einer Familie. Da die Chinesen auf diese Weise in den nächsten fünfzig Jahren eine führende Rolle in der Weltpolitik spielen würden, stand ihnen zumindest einer der fünf Sitze in der Maschine zu. Die chinesischen Argumente wurden zur Zeit sogar in den Regierungskreisen von Ländern diskutiert, die weder mit der BOTSCHAFT noch der Maschine etwas zu tun hatten.
Europa und Japan verzichteten auf ihre Ansprüche, in der Besatzung vertreten zu sein, zugunsten einer größeren Beteiligung am Bau der Maschine, wovon sie sich wirtschaftlichen Nutzen versprachen. Schließlich erhielten die Vereinigten Staaten, die Sowjetunion, China und Indien je einen Sitz, über die Besetzung des fünften Sitzes konnte noch keine Einigung erzielt werden. Das war das Ergebnis langer, schwieriger multilateraler Verhandlungen, bei denen Bevölkerungsdichte, Einwohnerzahl, wirtschaftliche, industrielle und militärische Stärke, der gegenwärtige politische Kurs und sogar ein wenig die Geschichte der Länder eine Rolle gespielt hatten.
Auf den fünften Sitz erhoben Brasilien und Indonesien aufgrund ihrer Bevölkerungszahl und als Länder der südlichen Hemisphäre Anspruch. Schweden bot sich als Vermittler im Falle politischer Streitigkeiten an. Ägypten, der Irak, Pakistan und Saudi-Arabien argumentierten, daß der Gerechtigkeit halber auch ihre Religionen vertreten sein müßten. Andere schlugen vor, daß wenigstens der fünfte Sitz für persönliche Verdienste und nicht aufgrund nationaler Zugehörigkeit vergeben werden sollte. Im Augenblick war die Entscheidung noch völlig ungewiß.
In den vier ausgewählten Nationen mußten jetzt Wissenschaftler, Regierungshäupter und andere in einer langwierigen Prozedur ihre Kandidaten aufstellen. In den Vereinigten Staaten war eine heiße Debatte entbrannt. In statistischen Erhebungen und Meinungsumfragen wurden mit unterschiedlichem Nachdruck religiöse Führer, Sportidole, Astronauten, Träger der Ehrenmedaille des Kongresses, Wissenschaftler, Filmstars, eine ehemalige Präsidentengattin, Moderatoren von Talkshows, Nachrichtensprecher, Kongreßabgeordnete, Millionäre mit politischen Ambitionen, Manager einer Stiftung, Popsänger, Universitätspräsidenten und die Miß America vorgeschlagen.
Seit der Wohnsitz des Vizepräsidenten vor langer Zeit auf das Gelände des Naval Observatory verlegt worden war, bestand das Personal traditionsgemäß aus philippinischen Unteroffizieren im Dienst der amerikanischen Marine. Jetzt servierten sie in ihren blauen Blazern, auf denen „Vizepräsident der Vereinigten Staaten“ eingestickt war, Kaffee. Nur wenige Teilnehmer der ganztägig stattfindenden Sitzung waren zu diesem inoffiziellen Teil des Abends gebeten worden.
Seymour Lasker war das einzigartige Schicksal zuteil geworden, Amerikas erster First Gentleman zu sein. Er trug diese Bürde — und mit ihr die vielen Karikaturen in den Zeitungen und die Witze über eine solche Karriere — mit soviel Charme und Freundlichkeit, daß ihm Amerika schließlich verzieh, daß er eine Frau geheiratet hatte, die die Unverfrorenheit besaß, die halbe Welt führen zu wollen. Lasker stand gerade mit der Frau des Vizepräsidenten und deren halbwüchsigem Sohn zusammen, die sich in seiner Gesellschaft glänzend amüsierten. Die Präsidentin führte Der Heer in die Bibliothek nebenan.
„Also“, begann sie, „heute wird noch keine offizielle Entscheidung getroffen und keine Presseerklärung über unsere Beratungen abgegeben. Aber vielleicht sollten wir unsere bisherigen Ergebnisse einmal zusammenfassen. Wir wissen nicht, was die verdammte Maschine tun wird, aber die Vermutung liegt nahe, daß sie zur Wega fliegt. Niemand hat auch nur die leiseste Ahnung, wie das funktionieren oder wie lange es dauern soll. Wie weit war die Wega entfernt?“
„Sechsundzwanzig Lichtjahre, Frau Präsidentin.“
„Wenn also die Maschine eine Art Raumschiff ist und sich so schnell wie das Licht fortbewegt — ich weiß, daß man nur annähernd so schnell wie das Licht sein kann, also unterbrechen Sie mich nicht —, dann braucht sie nach unserer Zeitrechnung sechsundzwanzig Jahre, um dort anzukommen. Ist das korrekt, Der Heer?“
„Ja, völlig. Plus vielleicht ein Jahr, um auf Lichtgeschwindigkeit zu kommen, und ein weiteres Jahr, um die Geschwindigkeit beim Eindringen ins System der Wega zu verringern. Für die Besatzung dauert es viel weniger lang. Vielleicht nur ein paar Jahre, je nachdem, wie nahe wir an die Lichtgeschwindigkeit herankommen.“
„Für einen Biologen, Der Heer, haben Sie eine Menge Astronomie gelernt.“
„Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich habe versucht, mich gründlich in das Gebiet einzuarbeiten.“ Sie schaute ihn kurz an und fuhr dann fort: „Solange die Maschine also annähernd mit Lichtgeschwindigkeit fliegt, dürfte das Alter der einzelnen Teilnehmer keine Rolle spielen. Aber wenn die Reise zehn, zwanzig oder mehr Jahre dauert — und Sie behaupten, daß das durchaus möglich ist —, dann sollten wir einen jungen Mann oder eine junge Frau auswählen. Für die Russen hat dieses Argument kein Gewicht. Natürlich wird die Wahl zwischen Archangelski und Lunatscharski getroffen, die beide um die sechzig sind.“ Etwas stockend hatte sie die Namen von einer Karteikarte abgelesen.