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Beide schwiegen, und für eine Weile war nur das Geräusch ihrer Schritte auf dem Gehsteig zu vernehmen. „Entschuldigen Sie, daß ich so heftig war“, sagte Ellie. „Das passiert mir einfach von Zeit zu Zeit.“

„Ich gebe Ihnen mein Wort, Frau Dr. Arroway, ich werde gründlich darüber nachdenken, was Sie heute abend gesagt haben. Sie haben einige Fragen in den Raum gestellt, auf die ich eigentlich eine Antwort haben sollte. Aber darf auch ich Ihnen noch einige Fragen stellen?“

Sie nickte, und er fuhr fort: „Was bedeutet Ihnen Ihr Bewußtsein, jetzt gerade in dieser Minute? Fühlt es sich wie eine Milliarde winziger tanzender Atome an? Und von biologischen Gesetzmäßigkeiten einmal abgesehen, wo in der Wissenschaft kann ein Kind lernen, was Liebe ist? Da — “ Ellies Piepser gab einen kurzen Summ ton. Es war wahrscheinlich die Nachricht von Ken, auf die sie schon die ganze Zeit gewartet hatte. Dann mußte es eine sehr lange Sitzung für ihn gewesen sein. Vielleicht hatte er trotzdem gute Nachricht für sie. Sie schaute auf die Buchstaben und Zahlen, die auf der Digitalanzeige erschienen: Die Nummer von Kens Büro. Nirgends war eine öffentliche Telephonzelle zu sehen, aber schon nach wenigen Minuten konnten sie ein Taxi anhalten. „Es tut mir wirklich leid, daß ich so plötzlich aufbrechen muß“, entschuldigte sich Ellie. „Ich habe mich sehr über unser Gespräch gefreut und ich werde auch ernsthaft über Ihre Fragen nachdenken. Haben Sie noch eine?“

„Ja. Inwiefern hält die Wissenschaft Wissenschaftler davon ab, Böses zu tun?“

15

Erbiumdübel

Die Erde: und das ist genug.

Ich brauche die Sternenbilder nicht näher.

Ich weiß, sie sind, wo sie sind, an guter Stelle.

Ich weiß, sie genügen denen, die ihnen angehören.

Walt Whitman
Grashalme „Gesang von der freien Straße“ (1855)

Die Jahre gingen ins Land. Es war ein technologischer Traum und ein diplomatischer Alptraum, aber zuletzt wurde die Maschine doch gebaut. Man überlegte sich Wortneuschöpfungen oder suchte in alten Mythen, um dem Projekt einen Namen zu geben. Aber von Anfang an sprachen alle nur von der Maschine, was dann auch die offizielle Bezeichnung wurde. Wenn die westlichen Zeitungen in Leitartikeln über die pausenlosen komplizierten und heiklen internationalen Verhandlungen berichteten, sprachen sie nur noch von „Maschinenpolitik“. Als der erste verläßliche Kostenvoranschlag für das gesamte Unternehmen vorlag, mußten selbst die Titanen der Weltraumindustrie erst einmal tief Luft holen. Die Kosten für das voraussichtlich mehrere Jahre dauernde Projekt beliefen sich auf eine halbe Billion Dollar pro Jahr. Das entsprach ungefähr einem Drittel sämtlicher Militäretats der Erde, nukleare und konventionelle Waffensysteme zusammengenommen. Manche befürchteten, daß der Bau der Maschine die Weltwirtschaft ruinieren würde. „Wirtschaftskrieg von der Wega?“ fragte der Londoner Economist. Die täglichen Schlagzeilen in der New York Times waren sogar noch phantastischer als die des nicht mehr existierenden NationalEnquirer zehn Jahren zuvor.

Fest stand jedenfalls, daß weder Hellseher noch sonstige Propheten oder Menschen mit angeblich hellseherischen Fähigkeiten oder Astrologen, Esoteriker und Verfasser von Jahreshoroskopen die BOTSCHAFT oder die Maschine vorausgesagt hatten — ganz zu schweigen von der Wega, den Primzahlen, Adolf Hitler, den Olympischen Spielen und allem anderen. Viele behaupteten, daß sie die Ereignisse deutlich vorhergesehen, sich aber nicht darum gekümmert hätten, sie aufzuschreiben. Vorhersagen über überraschende Ereignisse, die man nicht vorher schriftlich niedergelegt hatte, trafen immer viel genauer zu. Das war schon immer so gewesen. Die meisten Religionen reagierten im Grunde nicht anders: Wenn man die jeweiligen heiligen Schriften sorgfältig durchlas, so bekam man immer wieder zu hören, dann wurde einem schnell klar, daß die wunderbaren Ereignisse dort bereits prophezeit waren. Andere sahen in der Maschine eine mögliche Goldgrube für die Raumfahrtindustrie, die sich, seit das Hiroshima-Abkommen in Kraft getreten waren, auf dem absteigenden Ast befand. Nur vereinzelt wurden noch strategische Waffensysteme entwickelt. Aus der Bereitstellung von Wohnraum im All war zwar eine aufsteigende Industrie entstanden, der Verlust an Aufträgen für Laserkampfstationen und andere Ausrüstungsgegenstände der strategischen Verteidigung, die frühere Regierungen in Aussicht gestellt hatten, war dadurch allerdings nicht ausgeglichen worden. Deshalb vergaßen einige, die sich aufgrund des Baues der Maschine Sorgen um die Sicherheit des Planeten gemacht hatten, ihre Skrupel in Anbetracht der zu erwartenden neuen Arbeitsplätze, finanziellen Gewinne und beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten.

Einige wenige, aber einflußreiche Leute waren der Ansicht, daß der hochtechnologischen Industrie nichts Besseres passieren konnte als eine Bedrohung aus dem All. Man würde Verteidigungssysteme brauchen, ungeheuer leistungsfähigen Überwachungsradar, vielleicht sogar Stützpunkte auf dem Pluto oder der Oortschen Kometenwolke. Weder sachliche Abhandlungen noch Diskussionen über die militärischen Unterschiede zwischen den Erdbewohnern und den Außerirdischen konnten solche Phantasten einschüchtern. „Selbst wenn wir uns nicht gegen die Außerirdischen wehren können“, sagten sie, „ist es nicht in aller Interesse, wenigsten zu wissen, wann sie kommen?“ Sie rochen Profite, Natürlich würden sie die Maschine bauen, selbst wenn sie mehrere Billionen Dollar kostete. Denn die Maschine war, wenn man es richtig anpackte, nur der Anfang. Ein ungewöhnliches politisches Bündnis stand hinter der Wiederwahl von Präsidentin Lasker, die geradezu zu einem nationalen Volksentscheid darüber wurde, ob die Maschine nun gebaut werden sollte oder nicht. Der Gegenkandidat warnte vor Trojanischen Pferden, Weltuntergangsmaschinen und der möglichen Demoralisierung des amerikanischen Erfindergeistes angesichts von Wesen eines anderen Sterns, die bereits „alles erfunden“ hatten. Die Präsidentin dagegen war zuversichtlich, daß die amerikanische Technologie mit der Herausforderung wachsen würde. Sie schloß auch die Möglichkeit nicht aus, daß die amerikanische Genialität dem, was es auf der Wega gab, gewachsen sein würde. Das sagte sie freilich nicht öffentlich. Sie wurde mit einer beachtlichen, aber nicht überwältigenden Mehrheit wiedergewählt. Die Genauigkeit der Instruktionen der BOTSCHAFT war ein entscheidender Faktor. Nach Auffindung des Schlüssels gab es weder in bezug auf die Sprache noch in bezug auf die technologischen Grundlagen und Anweisungen zur Konstruktion der Maschine noch Unklarheiten. Auch Zwischenschritte, die an sich völlig eindeutig waren, wurden bis ins kleinste Detail ausgeführt und erklärt — so, als ob man in der Arithmetik zusätzlich zu der Demonstration, daß zwei mal drei sechs war, auch noch zeigen würde, daß drei mal zwei ebenfalls sechs ergab. Für jeden Bauabschnitt gab es Kontrollpunkte: Das nach Anweisung gewonnene Erbium sollte zu % Prozent rein sein und weniger als ein Prozent Verunreinigungen an anderen seltenen Erden enthalten. Wenn die Komponente 31 fertiggestellt und in eine 6-Mol-Lösung aus Flußsäure getaucht worden war, mußte das, was nach der Ätzung übrigblieb, so aussehen wie auf der beiliegenden Zeichnung. Wenn die Komponente 408 zusammengebaut war, mußte ein zwei Megagauss quer verlaufendes Magnetfeld den Propeller auf soundsoviel Umdrehungen pro Sekunde bringen, bevor er wieder in den Ruhezustand zurückkehrte. Wenn ein Test nicht funktionierte, mußte man wieder ganz von vorne anfangen.

Nach einer gewissen Zeit gewöhnte man sich an die Tests und rechnete damit, sie alle problemlos absolvieren zu können. Man brauchte sich nur mechanisch an die Vorschriften zu halten. Viele der Hauptkomponenten, die in Fabrikanlagen gefertigt wurden, die eigens dafür, entsprechend den Anweisungen der BOTSCHAFT, aus dem Boden gestampft worden waren, überstiegen das menschliche Verständnis. Es war nicht einsichtig, warum sie funktionieren sollten. Aber sie funktionierten. Trotzdem konnte man auch in solchen Fällen eine praktische Anwendung ins Auge fassen. Hin und wieder eröffneten sich neue Perspektiven in einzelnen Wissenschaften — in der Metallurgie zum Beispiel oder im Bereich organischer Halbleiter. In manchen Fällen wurden alternativ verschiedene Herstellungsverfahren für ein und dieselbe Komponente angeboten. Offenbar waren sich die Außerirdischen nicht sicher, welche Vorgehensweise auf der Erde die einfachste war.