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Die BOTSCHAFT gab keinem der Bausteine einen Namen. Erbium war als das Atom mit 68 Protonen und 99 Neutronen ausgewiesen. Die Teile der Maschine waren einfach durchnumeriert — also zum Beispiel Baustein 31. Ein tschechischer Ingenieur, der sich in der Geschichte der Technik auskannte, nannte die rotierenden konzentrischen Kugelschalen deshalb einfach „Benzel“. Gustav Benzel hatte 1870 das Karussell erfunden.

Konstruktion und Funktion der Maschine blieben unergründlich. Man mußte dafür völlig neue, bislang unbekannte Technologien entwickeln. Aber die Maschine war aus greifbarem Material gemacht, und ihre Strukturen konnten graphisch dargestellt werden. Solche technischen Zeichnungen waren in den Medien der ganzen Welt gezeigt worden. Und die endgültige Form der Maschine war bereits zu erkennen. Überall herrschte Zuversicht, daß man es schaffen würde. Drumlin, Valerian und Ellie Arroway ließen die übliche Erkennungsprozedur über sich ergehen: Ausweispapiere, Fingerabdrücke und Stimmidentifizierung. Dann erhielten sie Zutritt zu dem riesigen Montagegelände. Dreistöckige Kräne setzten die Erbiumdübel in die organische Matrix ein. Mehrere fünfeckige Platten für den Außenteil des Dodekaeders hingen an den Schienen einer Hochbahn. Während es beim Bau der sowjetischen Maschine Komplikationen gegeben hatte, hatten die amerikanischen Bausteine alle Tests erfolgreich bestanden. Die Maschine gewann immer mehr an Gestalt. Es paßt alles zusammen, dachte Ellie. Sie wandte ihren Blick dorthin, wo die Benzel zusammengebaut wurden. Wenn die Maschine fertig war, würde sie von außen wie eine der Armillarsphären der Renaissanceastronomen aussehen. Was hätte Johannes Kepler nur daraus gemacht? Auf dem Boden und den verschiedenen Etagen der Integrationshalle wimmelte es von Ingenieuren, Regierungsbeamten und Vertretern des Weltkonsortiums. Während sie dem Treiben zuschauten, erzählte Valerian, daß die Präsidentin manchmal seiner Frau schrieb, seine Frau ihm aber kein Wort von dem verriet, was in den Briefen stand. Sie sagte, es sei privat und ginge nur sie etwas an.

Der Einbau der Dübel war fast abgeschlossen, und erstmals sollte ein umfassender Systemintegrationstest versucht werden. Einige Experten hielten das vorgeschriebene Kontrollgerät für ein Gravitationswellenteleskop. In dem Moment, in dem der Test gestartet wurde, gingen Ellie und ihre Begleiter gerade um einen Pfeiler herum, um einen besseren Blick zu haben.

Plötzlich flog Drumlin über ihr durch die Luft. Alles schien zu fliegen. Es erinnerte Ellie an den Wirbelsturm, der Dorothy nach Oz getragen hatte. Wie in Zeitlupe nahm sie wahr, daß Drumlin mit ausgebreiteten Armen auf sie zusegelte und sie grob zu Boden schlug. Sollte das nach all den Jahren, die sie sich jetzt kannten, das Vorspiel zu einer Affäre mit ihr sein? Da mußte er aber noch viel lernen.

Es konnte nie ermittelt werden, wer es getan hatte. Zahlreiche Organisationen erklärten sich öffentlich dafür verantwortlich, darunter die Erdpatrioten, die Rote Armee Fraktion, der islamische Dschihad, die jetzt im Untergrund arbeitende Fusionsenergiestiftung, die Sikhseparatisten, der Leuchtende Pfad, die Grünen Khmer, die afghanische RenaissanceBewegung, der radikale Flügel der Initiative Mütter gegen die Maschine, die wiedervereinigte Wiedervereinigungskirche, Omega Sieben, die Endzeitchiliasten, zu denen Billy Jo Rankin allerdings jede Verbindung abstritt (seiner Meinung nach war das Ganze ein zum Scheitern verurteilter Versuch von Ungläubigen, Gott zu diskreditieren), der Broederbond, El Catorce de Febrero, die Geheimarmee der Kuomintang, die Zionistische Liga, die Partei Gottes und die erst kürzlich wiederbelebte Symbionesische Befreiungsfront. Die meisten dieser Organisationen hätten nicht einmal die nötigen Mittel gehabt, die Sabotage ins Werk zu setzen. Die Länge der Liste zeigte nur an, wie verbreitet die Opposition gegen die Maschine inzwischen war. Der Ku-Klux-Klan, die amerikanische Nazipartei, die Demokratisch Nationalsozialistische Partei und noch einige ähnlich orientierte Organisationen hielten sich zurück und beanspruchten auch nicht die Verantwortung für den Anschlag. Eine einflußreiche Minderheit ihrer Mitglieder glaubte, daß Hitler persönlich die BOTSCHAFT abgeschickt hatte. Ihrer Version zufolge war er im Mai 1945 mit Hilfe der deutschen Raketentechnik von der Erde verschwunden. Und in der Zwischenzeit hätten die Nazis eine Menge Fortschritte gemacht.

„Ich weiß nicht, wohin die Maschine fliegen wird“, sagte die Präsidentin einige Monate später, „aber wenn es dort nur halb so schlimm zugeht wie bei uns, dann wird es die Reise nicht wert gewesen sein.“

Nach Darstellung des Untersuchungsausschusses war ein Erbiumdübel durch eine Explosion gespalten worden. Die zwei dosenförmigen Fragmente waren dann aus einer Höhe von zwanzig Metern in die Tiefe gestürzt. Sie trafen auf eine tragende Wand im Inneren der Halle, die unter der Wucht zusammenbrach. Elf Menschen wurden getötet und achtundvierzig verletzt. Eine Reihe größerer Bauelemente der Maschine wurde zertrümmert. Und da eine Explosion in den in der BOTSCHAFT vorgeschriebenen Tests nicht vorgesehen war, hatte sie vielleicht auch äußerlich unbeschädigte Bausteine zerstört. Wenn man überhaupt keine Ahnung hatte, wie so ein Ding funktionierte, mußte man beim Bau sehr sorgfältig und vorsichtig sein.

Trotz der zahlreichen Organisationen, die sich der Tat rühmten, richtete sich in den Vereinigten Staaten sofort der Verdacht auf zwei der Gruppen, die sich nicht für verantwortlich erklärt hatten: die Außerirdischen und die Russen. Wieder war überall die Rede von der Weltuntergangsmaschine. Die Außerirdischen hätten sie so konstruiert, daß sie beim Zusammenbau eine katastrophale Explosion verursachen mußte. Aber glücklicherweise, meinten einige, hätte man bei der Montage geschlampt und nur eine kleine Ladung — vielleicht nur der Zünder der eigentlichen Weltuntergangsmaschine — sei in die Luft gegangen. Sie drängten darauf, den Bau zu stoppen, bevor es zu spät war, und die übrigen Bauteile in abgelegenen Salzbergwerken zu vergraben. Aber der Untersuchungsausschuß fand bei seinen Nachforschungen Material, aus dem eindeutig hervorging, daß das Maschinenunglück, wie es jetzt kurz in der Öffentlichkeit genannt wurde, weit irdischeren Ursprungs war. Die Dübel hatten in der Mitte ein elliptisches Loch, dessen Zweck unbekannt und das mit einem feinen Netz von Gadoliniumdrähten beschichtet war. In dieses Loch waren Sprengstoff und ein Zeitzünder gestopft worden, beides Materialien, die nicht auf der Inventarliste der BOTSCHAFT auftauchten. Der Dübel war in einer Fabrikanlage der Hadden Cybernetics in Terre Haute, Indiana, maschinell hergestellt, das Loch ausgeschnitten und das fertige Produkt getestet und versiegelt worden. Das Netz aus Gadoliniumdrähten war viel zu kompliziert, als daß es von Hand gefertigt werden konnte. Man hatte dafür eigens eine große Fabrik bauen müssen. Die Kosten für den Bau der Anlage hatte Hadden Cybernetics in vollem Umfang übernommen. Freilich rechnete man dort schon jetzt mit weiteren, gewinnbringenderen Märkten für die Produkte der Fabrik.

Man untersuchte die drei anderen Erbiumdübel derselben Serie, aber sie enthielten keinen Sprengstoff. In der Sowjetunion und in Japan war erst eine Reihe vorsichtiger Abtastexperimente durchgeführt worden, bevor man gewagt hatte, die Dübel aufzuspalten. Irgend jemand hatte gegen Ende des Produktionsprozesses in Terre Haute die Sprengladung mit dem Zeitzünder sorgfältig in das Loch eingeführt. Danach war dieser Dübel zusammen mit Dübeln anderer Serien in einem Sonderzug unter bewaffneter Bewachung nach Wyoming transportiert worden. Die zeitliche Abstimmung der Explosion und die Art der Sabotage legten nahe, daß es nur jemand gewesen sein konnte, der sich mit der Maschine genau auskannte. Es mußte ein Insider gewesen sein. Aber die Nachforschungen erbrachten wenig Neues. Einige Dutzend Ingenieure, Qualitätsprüfer und Aufsichtsbeamte, die die Bausteine für den Transport versiegelten, hätten die Möglichkeit gehabt, die Sabotage zu begehen, aber nicht die Mittel und die Motivation. Diejenigen, die am Lügendetektor scheiterten, hatten hieb- und stichfeste Alibis. Keine der verdächtigten Personen machte dann, wenn sie sich unbeobachtet glaubte, eine verräterische Bemerkung. Keiner gab mehr Geld aus, als sein Einkommen erlaubte hätte. Nicht einer brach beim Verhör zusammen und gestand. Trotz angeblich intensivster Anstrengungen der Gesetzeshüter blieb das Rätsel ungelöst.