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„Sie werden sehen“, fuhr der Pilot fort, „es wird Ihnen gefallen. Mir ist noch keiner über den Weg gelaufen, dem es nicht gefallen hat. Die meisten Leute finden es einfach überwältigend.“

Auch Ellie fand es überwältigend. Sie saß dicht zusammengezwängt mit dem Piloten, zwei Sonderbeauftragten, einem schmallippigen Militäroffizier und einem Finanzbeamten in der Kabine. Nach einem tadellosen Start erlebte sie zum ersten Mal die Schwerelosigkeit länger als bei einer Fahrt im Aufzug des World Trade Center in New York. Nach anderthalb Erdumkreisungen trafen sie mit der Methusalem zusammen. In zwei Tagen würde die Linienfähre Narnia Ellie wieder abholen und zur Erde zurückbringen. Das Schloß — Hadden bestand auf dieser Bezeichnung- drehte sich langsam. Es machte eine Umdrehung in neunzig Minuten, und immer zeigte dieselbe Seite zur Erde. Von Haddens Arbeitszimmer aus hatte man einen großartigen Blick auf die Erde — nicht über einen Bildschirm, sondern durch ein richtiges, durchsichtiges Fenster. Die Photonen, die Ellie sah, waren vor nur einem Bruchteil einer Sekunde von den verschneiten Anden reflektiert worden. Außer an den Rändern des Fensters, wo das schräg einfallende Licht durch das dicke Polymer länger brauchte, wurde nichts verzerrt. Ellie kannte viele Menschen, darunter auch Leute, die sich für religiös hielten, denen das Gefühl von Ehrfurcht peinlich war. Aber man mußte aus Holz geschnitzt sein, dachte sie, wenn es einen beim Blick aus diesem Fenster nicht überkam. Man sollte junge Dichter, Komponisten, Künstler, Filmemacher und religiöse Menschen, die den institutionellen Zwängen ihrer Glaubensgemeinschaft nicht blind glaubten, hier heraufschicken. Diese Erfahrung, dachte sie, könnte dem Durchschnittsmenschen auf der Erde leicht vermittelt werden. Schade, daß man noch keinen ernsthaften Versuch in dieser Richtung unternommen hatte. Dieses Gefühl war. einfach numinos.

„Man gewöhnt sich daran“, sagte Hadden zu ihr, „aber man kann sich nicht satt daran sehen. Es ist immer wieder inspirierend.“

Zwischen die Lippen hatte er den Strohhalm seiner Diät-Cola geklemmt. Ellie hatte einen Drink dankend abgelehnt. Der Preis für Alkohol war im Orbit sicher ziemlich hoch.

„Natürlich vermißt man bestimmte Dinge hier oben — die langen Spaziergänge, das Schwimmen im Meer, alte Freunde, die unangemeldet auf einen Sprung vorbeikommen. Aber das hat mir noch nie etwas bedeutet. Und wie Sie sehen, können Freunde ohne weiteres zu Besuch kommen.“

„Aber es kostet eine Menge.“

„Mein Nachbar Yamagishi, der im rechten Flügel des Schlosses wohnt, bekommt an jedem zweiten Dienstag des Monats Besuch von einer Dame. Egal, ob es regnet oder die Sonne scheint. Er ist ein Prachtkerl. Hochkarätiger Kriegsverbrecher — hat aber nur unter Anklage gestanden, verstehen Sie, er ist nie überführt worden.“

„Warum sind Sie hier oben?“ fragte Ellie. „Sie glauben nicht, daß die Welt bald untergeht. Was machen Sie also hier?“

„Ich liebe die Aussicht. Und es gibt einige rechtliche Feinheiten.“

Sie sah ihn streitlustig an.

„Wissen Sie, jemand wie ich, der neue Erfindungen gemacht und ganze Industriezweige aus dem Boden gestampft hat, befindet sich immer am Rande der Legalität. In der Regel sind die alten Gesetze noch nicht an die neuen Technologien angepaßt. Deshalb kann es passieren, daß man ständig in Prozesse verwickelt wird. Das schadet aber der Effektivität. Das hier“ — er machte eine ausladende Geste, die sowohl das Schloß als auch die Erde umschloß — „gehört zu keiner Nation und keinem Land. Das Schloß gehört mir, meinem Freund Yamagishi und noch ein paar anderen. Uns mit Lebensmitteln und anderen materiellen Gütern zu versorgen, kann nie ungesetzlich sein. Um aber ganz sicher zu gehen, arbeiten wir an geschlossenen ökologischen Systemen. Es gibt zwischen dem Schloß und anderen Nationen keinerlei Auslieferungsverträge. Für mich ist es. produktiver und einfacher, hier oben zu leben.

Nicht, daß Sie glauben, ich hätte tatsächlich gegen das Gesetz verstoßen. Nein, aber wir experimentieren viel mit neuen Dingen. Da ist es einfach klüger, auf Nummer Sicher zu gehen. Zum Beispiel gibt es tatsächlich Leute, die glauben, ich hätte die Maschine sabotiert. Dabei habe ich selbst ungeheuer viel Geld hineingesteckt, um sie überhaupt zu bauen. Und die Geschichte mit Babylon kennen Sie ja. Meine Versicherungsexperten schließen nicht aus, daß dieselben Leute, die Babylon in Brand gesteckt haben, die Sabotage in Terre Haute inszeniert haben. Ich scheine eine Menge Feinde zu haben. Jedenfalls ist es für mich alles in allem besser, hier oben zu leben.

Aber ich würde jetzt gern mit Ihnen über die Maschine sprechen. Das war furchtbar — die Katastrophe mit den Erbiumdübeln in Wyoming. Es tut mir wirklich leid um Drumlin. Er war ein zäher Kerl. Und für Sie muß es ein großer Schock gewesen sein. Möchten Sie nicht doch einen Drink?“

Aber Ellie war es zufrieden, aus dem Fenster zu schauen und ihm zuzuhören.

„Wenn also ich nicht von dem Rückschlag entmutigt bin“, sprach er weiter, „dann sollten Sie es auch nicht sein. Wahrscheinlich machen Sie sich Sorgen, daß es nie eine amerikanische Maschine geben wird, daß es zu viele Menschen gibt, die wünschen, daß das ganze Projekt fehlschlägt. Die Präsidentin hat schon ganz ähnliche Befürchtungen. Und in den Fabriken, die wir gebaut haben, gibt es keine Serienproduktion. Wir haben mit Einzelanfertigungen gearbeitet. Es wird viel Geld kosten, die zerstörten Teile zu ersetzen. Aber Sie denken in erster Linie darüber nach, ob es überhaupt richtig war, das Unternehmen zu starten. Vielleicht war es verrückt von uns, die Sache so schnell voranzutreiben. Deshalb sollten wir das Ganze erst noch einmal gründlich in aller Ruhe überlegen. Auch wenn Sie persönlich nicht so denken, so vertritt doch die Präsidentin diese Auffassung. Wenn wir es allerdings jetzt nicht zu Ende bringen, werden wir es nie schaffen. Und da ist noch etwas: Ich glaube nicht, daß die Einladung ewig gilt.“

„Merkwürdig, daß Sie das sagen. Denn darüber sprachen wir, Valerian, Drumlin und ich, unmittelbar vor dem Unfall. Vor der Sabotage“, korrigierte sie sich. „Aber sprechen Sie bitte weiter.“

„Wissen Sie, fast alle religiösen Menschen glauben, daß dieser Planet ein Experiment ist. Zumindest läuft ihr Glaube darauf hinaus. Irgendein Gott werkelt ständig daran herum, läßt sich mit den Frauen der Handwerker ein, verschenkt irgendwelche Tafeln auf irgendwelchen Bergen, befiehlt, Kinder zu verstümmeln, und schreibt vor, welche Wörter man sagen darf und welche nicht. Er macht den Menschen ein schlechtes Gewissen, wenn sie sich vergnügen wollen, und vieles mehr. Warum können die Götter nicht alles so lassen, wie es ist? All diese Eingriffe verraten nur Inkompetenz. Wenn Gott nicht wollte, daß Lots Eheweib zurückschaute, warum machte er sie dann nicht gehorsam, damit sie befolgte, was ihr Mann sagte? Und hätte er Lot nicht zu so einem Ekel gemacht, dann hätte ihm seine Frau vielleicht gehorcht. Wenn Gott so allmächtig und allwissend ist, warum hat er dann das Universum nicht von Anfang an so geschaffen, wie er es sich wünschte? Warum bastelt er ständig daran herum und beklagt sich? Nein, eines gibt die Bibel deutlich zu verstehen: Der biblische Gott ist ein schlampiger Handwerker. Er ist weder in der Planung noch in der Ausführung gut. Wenn es Konkurrenz gäbe, wäre er sofort weg vom Fenster.