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„Also noch einmal alles von vorn“, überlegte Ellie laut. „Ich habe ein Edelgas genommen, das in der Luft vorkommt, ich habe es verflüssigt, ein paar Verunreinigungen in einen Rubin eingelagert, einen Magneten drangemacht und das Feuer der Schöpfung entdeckt.“

Verwundert schüttelte Ellie den Kopf. Jemandem, der nichts von der zugrundeliegenden Physik verstand, mußte das ganze als die reine schwarze Magie erscheinen. Wie hätte man das den besten Wissenschaftlern von vor tausend Jahren erklären sollen, die zwar Kenntnisse über Luft, Rubine und Magneten hatten, aber nichts von flüssigem Helium, stimulierter Emission und supraleitenden Flüssigkeiten wußten? Wenn sie sich recht erinnerte, hatten sie nicht einmal die leiseste Ahnung vom Radiospektrum. Oder auch nur eine Vorstellung von einem Spektrum überhaupt — außer vielleicht einer vagen Idee durch die Anschauung des Regenbogens. Sie wußten nicht, daß Licht aus Wellen besteht. Wie konnten wir dann hoffen, eine Zivilisation zu verstehen, die uns vielleicht tausend Jahre voraus war? Künstliche Rubine mußten in großen Mengen hergestellt werden, da immer nur wenige die erforderlichen Eigenschaften aufwiesen. Keiner hatte ganz die Qualität eines Edelsteins, und die meisten waren sehr klein. Aber Ellie fand Gefallen daran, ein paar der größeren Steine, die nicht verwendet werden konnten, als Schmuck zu tragen. Sie paßten ausnehmend gut zu ihrer dunklen Haar- und Gesichtsfarbe. Auch wenn solche Steine in Ringen oder Broschen sorgfältig geschliffen waren, konnte man an ihnen noch seltsame Unregelmäßigkeiten erkennen: Die merkwürdige Art beispielsweise, in der das Licht plötzlich in einem bestimmten Winkel aus dem Inneren eines Steins aufleuchtete, oder die pfirsichfarbenen Flecken im Rubinrot. Freunden gegenüber, die keine Naturwissenschaftler waren, behauptete Ellie, daß ihr Rubine gefielen, sie sich aber keine echten leisten könne. Es war fast so wie bei jenem Naturwissenschaftler, der als erster den biochemischen Vorgang der Photosynthese bei grünen Pflanzen entdeckt hatte und danach immer eine Tannennadel oder ein Petersiliensträußchen am Revers trug. Ellies Kollegen, die sie mit zunehmendem Respekt behandelten, ließen es ihr als kleine Schrulle durchgehen.

Die großen Radioteleskope der Welt sind aus demselben Grund in abgelegenen Gegenden installiert, aus dem Paul Gauguin nach Tahiti fuhr: Um gut zu funktionieren, mußten sie weit weg von jeder Zivilisation sein. Als der zivile und militärische Funkverkehr immer umfangreicher wurde, mußten die Radioteleskope versteckt werden — in einem abgelegenen Tal in Puerto Rico beispielsweise oder weit entfernt von jeder menschlichen Behausung in den endlosen Steppen New Mexicos oder Kasachstans. Und je mehr Radiostörgeräusche es gibt, desto sinnvoller erscheint es, die Teleskope überhaupt von der Erde wegzuverlegen. Wissenschaftler, die in solchen weltabgeschiedenen Sternwarten arbeiten, leben oft mit verbissenem Ernst ausschließlich ihrer Arbeit. Von ihren Frauen werden sie verlassen, und ihre Kinder ergreifen die erstbeste Gelegenheit, von zu Hause fortzukommen, aber sie selbst harren aus. In den seltensten Fällen halten sie sich für Träumer. Der ständige wissenschaftliche Mitarbeiterstab in diesen abgelegenen Observatorien besteht eher aus Männern der Praxis, aus Experten und Experimentatoren, die Antennen aufstellen und komplizierte Datenanalysen durchführen können, aber wenig über Quasare und Pulsare wissen. Auch in ihrer Kindheit haben diese Leute eigentlich nie versucht, nach den Sternen zu greifen. Meist sind sie viel zu heftig damit beschäftigt gewesen, den Vergaser des Familienautos zu reparieren. Nach ihrer Promotion nahm Ellie eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Observatorium in Arecibo an. Den riesigen Parabolspiegel von 305 Meter Durchmesser hatte man in einer karstigen Bergmulde der Gebirgsausläufer im nordwestlichen Puerto Rico errichtet. Da die Station das größte Radioteleskop der Erde besaß, sah Ellie gespannt dem Tag entgegen, an dem sie ihren Maserdetektor einsetzen konnte, um damit möglichst viele verschiedene astronomische Objekte zu erkunden — benachbarte Planeten und Sterne, das Zentrum der Milchstraße, Pulsare und Quasare. Als vollgültiges Mitglied der Observatoriumsbelegschaft räumte man ihr beträchtliche Beobachtungszeiten ein. Der Zugang zu den großen Radioteleskopen war heiß umkämpft, da es mehr lohnende Forschungsvorhaben gab, als man unterbringen konnte. Deshalb war die reservierte Zeit am Teleskop für die dort wohnende Belegschaft eine Sondervergütung von unschätzbarem Wert. Für viele Astronomen war das der einzige Grund, warum sie sich überhaupt bereit erklärten, an diesen gottverlassenen Orten zu leben. Ellie hoffte auch, ein paar der nähergelegenen Sterne auf mögliche Signale intelligenten Ursprungs hin untersuchen zu können. Mit ihrem Detektorsystem konnte man die Radiostrahlung eines Planeten wie der Erde sogar dann noch hören, wenn er einige Lichtjahre entfernt war. Und eine höherentwickelte Gesellschaft, die mit uns in Verbindung treten wollte, würde zweifellos zu viel größeren Energieübertragungen in der Lage sein als wir. Wenn das Radarteleskop von Arecibo ein Megawatt Energie an einen bestimmten Ort im All senden konnte, dann — so malte Ellie sich aus — mußte eine Zivilisation, die der unseren nur ein wenig voraus war, schon in der Lage sein, hundert oder mehr Megawatt auszusenden. Wenn sie tatsächlich mit einem Teleskop arbeiteten, das so groß wie dieses in Arecibo war, aber vielleicht einen Hundert-Megawatt-Sender besaß, dann mußte Arecibo sie eigentlich überall in der Galaxis ausfindig machen können. Ellie dachte gründlich darüber nach und war überrascht, wie klein sich die bisherigen tatsächlichen Unternehmungen auf der Suche nach extraterrestrischen Intelligenzen ausnahmen im Vergleich zu dem, was bereits möglich war. Die Geldmittel, die man bisher für solche Fragen bereitgestellt hatte, waren unbedeutend. Dabei hätte Ellie kaum sagen können, ob es ein wissenschaftliches Problem gab, das ihr noch wichtiger erschien. Die Anlage in Arecibo wurde von den Einheimischen „El Radar“ genannt. Über ihren Zweck wußten sie wenig, aber sie garantierte mehr als hundert dringend benötigte Arbeitsplätze. Die einheimischen jungen Frauen allerdings hielt man streng getrennt von den männlichen Wissenschaftlern, von denen man zu fast jeder Tages- und Nachtzeit einige voll nervöser Energie auf dem Weg, der die muldenartige Vertiefung umgab, joggen sehen konnte. Die Aufmerksamkeit, die man Ellie deshalb bei ihrer Ankunft entgegenbrachte, war ihr zwar nicht ganz unwillkommen, störte sie allerdings schon bald in ihrer Forschungsarbeit.

Die Landschaft war wunderschön. Oft schaute Ellie in der Abenddämmerung aus einem der Kontrollfenster und sah, wie sich über dem gegenüberliegenden Rand der Bergmulde Gewitterwolken zusammenzogen, genau über einem der drei riesigen Masten, an denen die Hornantennen und Ellies kürzlich installiertes Masersystem angebracht waren. An der Spitze eines jeden Mastes blinkte ein rotes Warnlicht, für den unwahrscheinlichen Fall, daß sich ein Flugzeug in diese abgelegene Gegend verirrte. Um vier Uhr früh ging Ellie auf einen Sprung hinaus, um frische Luft zu schnappen und fasziniert dem rätselhaften Chor Tausender von Fröschen zu lauschen, die es hier gab und die bei den Einheimischen in Nachahmung ihres klagenden Quakens „coquis“ hießen. Einige der Wissenschaftler lebten ganz in der Nähe des Observatoriums, aber die Isolation, die noch dadurch verstärkt wurde, daß sie kein Spanisch sprachen und im Umgang mit einer anderen Kultur völlig unerfahren waren, ließ sie und ihre Frauen zunehmend vereinsamen und entfremdete sie menschlichen Kontakten. Einige hatten sich entschlossen, in der Ramey-Air-Force-Basis zu wohnen, die sich rühmte, die einzige englischsprachige Schule der ganzen Gegend zu besitzen. Aber die anderthalbstündige Autofahrt von dort zum Observatorium unterstützte nur noch das Gefühl der Einsamkeit. Wiederholte Drohungen puertorikani scher Separatisten, die aufgrund von Fehlinformationen glaubten, daß das Observatorium einem wichtigen militärische Zweck diene, verstärkten das Gefühl unterschwelliger Hysterie und aus den Fugen geratender Lebensumstände. Einige Monate später kam Valerian zu Besuch. Offizieller Anlaß war ein Vortrag, den er halten wollte, aber Ellie wußte, daß er auch nach ihr sehen und sie psychisch etwas aufmuntern wollte. Mit ihren Forschungsarbeiten war sie sehr gut vorangekommen. Sie hatte wahrscheinlich einen neuen interstellaren Molekülwolkenkomplex entdeckt und sehr genaue Werte in der Zeitauflösung über den Pulsar im Zentrum des Crab Nebula erarbeitet. Auch hatte sie die Suche nach Signalen extraterrestrischer Intelligenzen auf einigen Dutzend nahegelegener Sterne abgeschlossen. Sie hatte dabei mit den empfindlichsten Geräten gearbeitet, die jemals zu diesem Zweck eingesetzt worden waren, jedoch ohne positive Ergebnisse. Ein oder zwei auffallende Regelmäßigkeiten waren aufgetaucht. Sie beobachtete die fraglichen Sterne nochmals, konnte aber nichts Außergewöhnliches feststellen. Schaute man nur genügend viele Sterne an, so produzierten früher oder später Störgeräusche auf der Erde oder eine Kette zufälliger Nebengeräusche eine Gesetzmäßigkeit, die einem für einen Augenblick das Herz höher schlagen ließ. Dann beruhigte man sich und überprüfte die Daten noch einmal. Wenn sich die Gesetzmäßigkeit nicht wiederholte, war alles eine Fehlanzeige gewesen. Diese Arbeitsdisziplin war für Ellie sehr wichtig, wenn sie angesichts dessen, was sie suchte,