Und er hatte die Klinge in der Hand, und ich schwang die meine.
Ich eilte um den Tisch herum.
»Was du doch für eine Chuzpe hast!« sagte ich. »Was erhebt dich so sehr über uns andere, was macht dich eher zum Herrscher als uns?«
»Die Tatsache, daß ich fähig war, den Thron zu besetzen«, erwiderte er. »Versuch’s doch, ihn mir zu nehmen!«
Und das tat ich.
Ich versuchte es mit einem Kopfhieb, den er abwehrte, woraufhin ich seinen Stich auf mein Herz parierte und nach seinem Handgelenk hieb.
Diesen Vorstoß blockte er ab und schob mit dem Fuß einen Schemel zwischen uns.
Ich schickte das kleine Möbelstück mit den Zehen auf den Weg und hoffte, daß es sein Gesicht treffen würde, aber es flog vorbei, und er fiel erneut über mich her.
Ich parierte seinen Angriff, er den meinen. Dann stieß ich vor, wurde abgewehrt und angegriffen und fiel ihm erneut in die Parade.
Nun versuchte ich es mit einem sehr komplizierten Angriff, den ich in Frankreich gelernt hatte – ein Hieb, eine Finte in quarte, eine Finte in sixte, und einen Vorstoß, der zu einem Angriff auf sein Handgelenk abgefälscht wurde.
Ich ritzte ihn, Blut begann zu fließen.
»Oh, niederträchtiger Bruder!« sagte er und wich zurück. »Den Meldungen zufolge ist Random in deiner Begleitung.«
»Richtig«, sagte ich. »Im Kampf gegen dich stehe ich nicht allein.«
Er griff an und schlug mich zurück, und ich hatte plötzlich das Gefühl, daß er mir trotz all meiner Bemühungen noch immer überlegen war. Er gehörte zu den großartigsten Schwertkämpfern, denen ich je gegenübergestanden hatte. Ich hatte plötzlich das Gefühl, als könnte ich ihn niemals besiegen, und parierte heftig und zog mich zurück, während er unbarmherzig nachsetzte, Schritt um Schritt. Beide hatten wir jahrhundertelang mit den größten Meistern der Klingen gearbeitet. Der beste Schwertkämpfer von uns war Bruder Benedict, aber der konnte keine Hilfe leisten, weder mir noch Eric. Ich begann mit der linken Hand Gegenstände vom Tisch zu reißen und sie durch den Raum zu schleudern. Aber Eric wich den Geschossen aus und stieß mit unverminderter Kraft vor. Ich brach nach links aus, doch ich vermochte seine Schwertspitze nicht von mir abzuwenden.
Und ich hatte Angst. Der Mann kämpfte großartig. Wäre er mir nicht so verhaßt gewesen, hätte ich ihm für seine Leistung applaudiert.
Immer weiter wich ich zurück, ergriffen von Angst und der Erkenntnis, daß ich ihn nicht zu besiegen vermochte. Mit dem Schwert war er ein besserer Kämpfer als ich. Ich verwünschte diese Tatsache, kam aber nicht darum herum. Ich probierte drei weitere komplizierte Attacken und wurde jedesmal abgeschlagen. Er parierte mühelos und trieb mich seinerseits in die Defensive.
Dann gab es Lärm und Gerenne im Flur vor der Bibliothek. Erics Gefolgschaft kreuzte auf, und wenn er mich nicht umbrachte, ehe die anderen auf dem Schauplatz eintrafen, nahmen sie ihm diese Arbeit bestimmt ab – wahrscheinlich mit einem Armbrustpfeil.
Blut tropfte von seinem rechten Arm, aber die Hand wurde noch immer ruhig geführt. In mir regte sich die Hoffnung, daß ich im Hinblick auf seine Verletzung bei defensivem Vorgehen vielleicht in der Lage war, ihn zu ermüden und seine Abwehr womöglich im richtigen Augenblick zu durchbrechen, wenn er langsamer wurde.
Ich fluchte leise vor mich hin, und er lachte.
»Dumm von dir, daß du hierhergekommen bist«, sagte er.
Erst als es zu spät war, merkte er, was ich im Schilde führte. Ich hatte mich langsam zurückdrängen lassen, bis ich die Tür im Rücken hatte. Das Manöver war riskant, beraubte es mich doch der Bewegungsfreiheit für einen weiteren Rückzug – aber es war besser als der sichere Tod.
Mit der linken Hand gelang es mir, den Sperrbalken vorzulegen. Die Tür war groß und dick und ließ sich bestimmt nicht so einfach einschlagen. Auf diese Weise hatte ich einige Minuten gewonnen. Zugleich holte ich mir eine Schulterwunde von einer Attacke, die ich nur zum Teil abwehren konnte, als der Balken in die Halterungen fiel. Aber es hatte meine linke Schulter getroffen. Mein Schwertarm war nach wie vor intakt.
Ich lächelte, um mich mutig zu geben.
»Vielleicht war es dumm von dir, hierherzukommen«, konterte ich. »Du wirst nämlich langsamer.« Und ich versuchte es mit einem heimtückischen, drängenden Angriff.
Er wehrte mich ab, mußte aber dabei zwei Schritte zurückweichen.
»Die Wunde macht dir zu schaffen«, fügte ich hinzu. »Dein Arm wird schwächer. Du spürst, wie dich die Kraft verläßt . . .«
»Halt’s Maul!« sagte er, und und ich erkannte, daß ich im tiefsten Innern eine empfindliche Stelle getroffen hatte. Dies erhöhte meine Chancen um mehrere Prozent, sagte ich mir und bedrängte ihn so gut ich konnte, auch wenn ich wußte, daß ich das nicht lange durchhalten würde.
Aber Eric wußte es nicht.
Ich hatte die Saat der Angst ausgestreut, und er wich vor meinem plötzlichen Angriff zurück.
Jemand hämmerte an die Tür, doch darum brauchte ich mir noch keine Gedanken zu machen.
»Ich mach dich fertig, Eric«, sagte ich. »Ich bin widerstandsfähiger als früher, und du bist erledigt, Bruder.«
Ich sah die Angst in seinen Augen, die sich über sein Gesicht ausbreitete, und sofort änderte sich sein Kampfstil. Er ging völlig in die Defensive, wich immer mehr vor meinen Attacken zurück. Ich war sicher, daß das keine Verstellung war. Ich hatte das Gefühl, ihn geblufft zu haben, denn er war immer besser gewesen als ich. Aber wenn das nun auf meiner Seite auch psychologische Gründe gehabt hätte? Wenn ich mich mit dieser Einstellung geradezu selbst besiegt hätte – eine Einstellung, die Eric natürlich gefördert hatte! Was war, wenn ich mich die ganze Zeit selbst geblufft hatte? Vielleicht war ich ja genauso gut wie er. Mit einem seltsamen neuen Selbstvertrauen probierte ich denselben Angriff, den ich schon einmal durchgebracht hatte, und zog eine neue rote Spur über seinen Unterarm.
»Zweimal auf denselben Trick hereinzufallen, das war aber ziemlich dumm, Eric«, sagte ich, und er wich hinter einen breiten Stuhl zurück. Wir kämpften eine Zeitlang über der Lehne.
Die Schläge an der Tür hörten auf, und die Stimmen, die fragend gerufen hatten, schwiegen.
»Sie holen Äxte«, keuchte Eric. »Sie sind gleich hier.«
Ich gab mein Lächeln nicht auf. Ich hielt krampfhaft daran fest und sagte: »Ein paar Minuten dauert es schon – und das ist mehr, als ich brauche, um dich fertigzumachen. Du kannst dich ja kaum noch wehren, und das Blut fließt immer stärker, sieh dir’s doch an!«
»Halt den Mund!«
»Wenn sie zur Stelle sind, gibt es hier nur noch einen Herrscher von Amber – und du bist das nicht!«
Mit dem linken Arm fegte er einige Bücher von einem Regal, die mich trafen und polternd vor mir zu Boden fielen.
Doch er nahm seine Chance nicht wahr, er griff nicht an. Er hastete quer durch den Raum, packte einen Schemel, den er in der linken Hand hielt.
Dann stellte er sich mit dem Rücken in eine Ecke und hielt Schemel und Klinge vor sich.
Hastige Schritte tönten aus dem Flur herein, und schon begannen Äxte gegen die Tür zu schmettern.
»Komm schon!« rief er. »Versuch mich doch zu erledigen!«
»Du hast Angst«, sagte ich.
Er lachte.
»Eine akademische Frage«, erwiderte er. »Du kannst mich nicht umbringen, ehe die Tür nachgibt – und dann ist es aus mit dir.«
Da hatte er recht. In seiner Position konnte er jede Klinge abwehren – zumindest einige Minuten lang.
Hastig zog ich mich zur gegenüberliegenden Wand zurück.
Mit der linken Hand öffnete ich das Wandpaneel, durch das ich eingetreten war.
»Also gut«, meinte ich. »Es sieht so aus, als kämst du mit dem Leben davon – diesmal wenigstens. Wenn wir uns das nächste Mal sehen, kann dir niemand mehr helfen.«
Er spuckte aus und belegte mich mit Schimpfwörtern und setzte sogar den Schemel ab, um noch eine obszöne Geste zu machen; doch ich schob mich bereits durch die Wandöffnung und schloß das Paneel hinter mir.