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Die Lagerfeuer in der Tiefe funkelten wie Sterne. Es waren viele tausend. Hier wurde deutlich, daß Bleys eine gewaltige Streitmacht zusammengezogen hatte, und ich war neidisch auf ihn. Andererseits hatte diese Situation ihr Gutes. Wenn es überhaupt jemand mit Eric aufnehmen konnte, dann wahrscheinlich Bleys. Bleys auf dem Thron von Amber – das wäre keine üble Sache; nur hätte ich mich selbst dort oben lieber gesehen.

Ich schaute noch eine Zeitlang hinab und sah, daß sich seltsame Gestalten zwischen den Lichtern bewegten. Da begann ich mich zu fragen, woraus seine Armee bestehen mochte.

Wie auch immer, es war mehr, als ich besaß.

Ich tastete mich zum Tisch zurück und schenkte mir ein letztes Glas ein.

Doch ehe ich den Alkohol hinabstürzte, zündete ich eine Kerze an.

In ihrem Licht nahm ich das Kartenspiel zur Hand, das ich gestohlen hatte.

Ich breitete die Karten vor mir aus, bis ich die Abbildung Erics erreichte. Ich legte sie in die Mitte des Tisches und steckte die übrigen wieder fort.

Nach einer Weile belebte sich das Bild; und ich sah Eric in Schlafkleidung und hörte die Worte: »Wer ist da?« Sein Arm war verbunden.

»Ich«, sagte ich, »Corwin. Wie geht es dir?«

Da begann er zu fluchen, und ich lachte. Ich trieb ein gefährliches Spiel, zu dem mich der Whisky verleitet haben mochte, doch ich fuhr fort: »Mir war gerade danach, dir zu sagen, daß bei mir alles zum Besten steht. Ich wollte dir auch sagen, daß du recht hattest, als du vom unruhigen Schlaf des Herrschenden sprachst. Du wirst nicht mehr lange schlafen können. Leb wohl, Bruder! Der Tag, an dem ich nach Amber zurückkehre, ist zugleich dein letzter! Das wollte ich dir nur sagen – da dieser Tag nicht mehr allzu fern ist.«

»Komm ruhig«, erwiderte er, »und ich werde mich hinsichtlich deiner Todesart nicht lumpen lassen.«

Da richtete sich sein Blick auf mich, und wir waren uns ganz nahe.

Ich machte ihm eine lange Nase und fuhr mit der Handfläche über die Karte.

Es war, als hätte ich einen Telefonhörer aufgelegt. Ich schob Eric zwischen die übrigen Karten.

Als sich der Schlaf herabsenkte, begann ich mir dennoch Gedanken über Bleys’ Truppen zu machen, die in der Schlucht unter uns lagerten, und ich dachte an Erics Abwehr.

Es würde nicht einfach werden.

6

Das Land hieß Avernus, und die versammelten Truppen waren nicht ganz menschlich. Ich besichtigte sie am folgenden Morgen, wenige Schritte hinter Bleys gehend. Die Soldaten waren etwa sieben Fuß groß, hatten eine sehr rote Haut und wenig Haar, katzenähnliche Augen, sechsgliedrige Hände und Füße. Ihre Ohren liefen spitz zu, und die Finger besaßen Klauennägel.

Die Kämpfer trugen Kleidungsstücke, die leicht wie Seide aussahen, aber aus einem ganz anderen Stoff bestanden und vorwiegend grau oder blau waren, und jeder war mit zwei kurzen Klingen bewaffnet, die am Ende Haken aufwiesen.

Das Klima war mild, die Vielfalt der Farben war verwirrend, und alle hielten uns für Götter.

Bleys hatte Wesen gefunden, deren Religion sich um Brudergötter drehte, die wie wir aussahen und die ihre speziellen Sorgen hatten. Nach den Erwartungen dieses Mythos sollte ein böser Bruder die Macht übernehmen und die guten Brüder zu unterdrücken versuchen.

Und natürlich gab es die Sage von der Apokalypse, bei der alle aufgerufen waren, für die überlebenden guten Brüder Partei zu ergreifen.

Ich trug den linken Arm in einer schwarzen Schlinge und betrachtete die Wesen, die nicht mehr lange zu leben hatten.

Ich stand vor einem Soldaten und starrte ihn an. »Weißt du, wer Eric ist?« fragte ich.

»Der Herr des Bösen«, erwiderte er.

»Sehr gut«, sagte ich, nickte und ging weiter.

Bleys hatte sein Kanonenfutter gefunden.

»Wie groß ist deine Armee?« fragte ich ihn.

»Etwa fünfzigtausend Mann stark«, entgegnete er.

»Ich grüße jene, die ihr Leben hingeben werden«, sagte ich. »Mit fünfzigtausend Mann kannst du Amber nicht erobern, selbst wenn du sie heil und gesund zum Fuße Kolvirs schaffen könntest – was unmöglich ist. Schon der Gedanke ist eine Torheit, diese armen Schlucker mit ihren Spielzeugschwertern gegen die unsterbliche Stadt einsetzen zu wollen.«

»Ich weiß«, sagte er. »Aber sie sind nicht meine einzige Waffe.«

»Da brauchst du aber noch einiges mehr.«

»Was sagst du zu drei Flotten – anderthalbmal so groß wie Caines und Gérards Einheiten zusammen?«

»Reicht noch nicht«, sagte ich. »Das ist kaum ein Anfang.«

»Ich weiß. Aber ich bin noch bei den Vorbereitungen.«

»Nun, dann sollten wir das beschleunigen. Eric wird in Amber sitzen und uns umbringen, während wir durch die Schatten marschieren. Wenn die verbleibenden Streitkräfte endlich Kolvir erreichen, wird er sie dort kurz und klein schlagen. Dann kommt erst der Aufstieg nach Amber. Wie viele hundert sind deiner Meinung nach übrig, wenn wir die Stadt erreichen? Genug für einen fünfminütigen Kampf, ohne Verluste für Eric. Wenn du nicht mehr zu bieten hast, Bruder Bleys, sehe ich schwarz für unser Vorhaben.«

»Eric hat seine Krönung für einen Tag in drei Monaten anberaumt«, sagte er. »Bis dahin kann ich meine Armeen verdreifachen – mindestens. Vielleicht bringe ich eine Viertelmillion Soldaten aus den Schatten zusammen, die auf Amber vorrücken können. Es dürfte andere Welten geben wie diese, und ich werde in sie eindringen. Ich werde eine Streitmacht von Kreuzrittern zusammenrufen, wie sie nie zuvor gegen Amber geschickt wurde!«

»Und Eric bekommt Zeit, seine Abwehr zu stärken. Ich weiß nicht recht, Bleys . . . die Sache hat fast etwas Selbstmörderisches. Ich hatte keinen richtigen Überblick, als ich hier eintraf . . .«

»Und was hast du denn mitgebracht?« wollte er wissen. »Nichts! Es wird gemunkelt, daß du früher einmal Truppen befehligt hast. Wo sind sie?«

Ich wandte ihm den Rücken zu.

»Es gibt sie nicht mehr«, erwiderte ich. »Da bin ich sicher.«

»Könntest du nicht einen Schatten deines Schattens finden?«

»Das will ich gar nicht erst versuchen«, sagte ich. »Tut mir leid.«

»Was kannst du mir denn überhaupt nützen?«

»Ich werde wieder verschwinden«, sagte ich. »Wenn das alles ist, was du wolltest, wenn du mich nur deswegen bei dir haben wolltest – um noch mehr Leichen zu bekommen.«

»Warte doch!« rief er. »Ich habe unbedacht gesprochen. Wenn es schon nicht mehr wird, möchte ich doch wenigstens deinen Rat hören. Bleib bei mir, bitte. Ich kann mich sogar entschuldigen.«

»Das ist nicht nötig«, sagte ich, wußte ich doch, was dieses Angebot für einen Prinzen von Amber bedeutet. »Ich bleibe. Ich glaube, ich kann dir helfen.«

»Gut!« Und er schlug mir auf die gesunde Schulter.

»Und ich verschaffe dir weitere Truppen«, fuhr ich fort. »Keine Sorge.«

Und das tat ich.

Ich wanderte durch die Schatten und fand eine Rasse pelziger Wesen, dunkel und mit Klauen und Reißzähnen bewehrt, ziemlich menschenähnlich und nicht besonders intelligent. Etwa hunderttausend verehrten uns dermaßen, daß sie zu den Waffen griffen.

Bleys war beeindruckt und hielt den Mund. Eine Woche später war meine Schulter wieder verheilt. Nach zwei Monaten hatten wir unsere Viertelmillion und mehr zusammen.

Allerdings war mir irgendwie seltsam zumute. Der größte Teil der Truppen ging in den sicheren Tod. Ich war das Werkzeug, das für diesen Umstand weitgehend verantwortlich war. Ich hatte Anwandlungen von Reue, obwohl ich den Unterschied zwischen Schatten und Substanz durchaus kannte. Jeder Tod würde ein wirklicher Tod sein; doch das wußte ich auch.

Und in manchen Nächten beschäftigte ich mich mit den Spielkarten. Die fehlenden Trümpfe befanden sich in dem Spiel, das ich bei mir führte. Einer war ein Bild des eigentlichen Amber, und ich wußte, daß mich die Karte in die Stadt zurücktragen konnte. Die anderen zeigten unsere toten oder vermißten Geschwister. Und eine Karte trug ein Bild von Vater, und ich blätterte hastig weiter. Er war fort.