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Ich starrte lange auf jedes Gesicht, um mir darüber klar zu werden, was von jedem zu erwarten war. Ich legte mehrmals die Karten aus, und jedesmal kam derselbe heraus.

Er hieß Caine.

Er trug grünen und schwarzen Satin und einen dunklen Dreispitz mit einem silbernen Federbusch. An seinem Gürtel hing ein smaragdbesetzter Dolch. Er war dunkelhäutig.

»Caine«, sagte ich.

Nach einer Weile kam die Antwort.

»Wer?«

»Corwin«, sagte ich.

»Corwin? Soll das ein Witz sein?«

»Nein.«

»Was willst du?«

»Was hast du?«

»Das weißt du doch«, und seine Augen zuckten herum, sahen mich an, doch ich beobachtete seine Hand, die am Dolch lag.

»Wo bist du?«

»Bei Bleys.«

»Es gibt Gerüchte, du seist kürzlich in Amber aufgetaucht. Ich habe mich schon über die Bandagen an Erics Arm gewundert.«

»Den Grund dafür siehst du vor dir«, sagte ich. »Wie hoch ist dein Preis?«

»Was meinst du damit?«

»Wir wollen klar und offen reden. Glaubst du, daß Bleys und ich Eric besiegen können?«

»Nein – deshalb bin ich ja auch auf Erics Seite. Und ich werde meine Armada nicht verkaufen, wenn du das im Sinn haben solltest – und so etwas könnte ich mir denken.«

Ich lächelte.

»Schlaues Brüderchen«, erwiderte ich. »Na ja, hat mich gefreut, mal wieder mit dir zu reden. Auf Wiedersehen in Amber – vielleicht.«

Ich hob die Hand.

»Warte!« rief er.

»Warum?«

»Ich kenne ja nicht mal dein Angebot!«

»O doch«, sagte ich. »Du hast es erraten und hast kein Interesse daran.«

»Das habe ich nicht gesagt. Ich weiß eben nur, wo die Werte liegen.«

»Du meinst die Macht.«

»Gut also, die Macht. Was hast du zu bieten?«

Wir verhandelten etwa eine Stunde lang, danach standen den drei Phantomflotten Bleys’ die nördlichen Gewässer offen, wohin sie sich zurückziehen mochten, um Verstärkung abzuwarten.

»Wenn es mißlingt, gibt es drei Hinrichtungen in Amber«, sagte er.

»Aber damit rechnest du doch nicht wirklich, oder?« wollte ich wissen.

»Nein, ich glaube, daß in absehbarer Zeit einer von euch, du oder Bleys, auf den Thron kommt. Ich bin es zufrieden, dem Sieger zu dienen. Die Grafschaft ist mir dann recht. Allerdings möchte ich noch immer Randoms Kopf in unseren Handel einbeziehen.«

»Auf keinen Fall«, sagte ich. »Du hast meine Bedingungen gehört – greif zu oder laß es.«

»Ich greife zu.«

Ich lächelte, legte die Handfläche auf die Karte, und er war fort.

Gérard wollte ich mir für den nächsten Tag aufheben. Caine hatte mich angestrengt. Ich ließ mich ins Bett fallen und schlief ein.

Als Gérard erfuhr, wie die Dinge standen, erklärte er sich einverstanden, uns in Ruhe zu lassen. Das lag in erster Linie daran, daß ich der Fragesteller war, da er Eric für das kleinere der möglichen Übel gehalten hatte.

Ich traf mein Arrangement sehr schnell, indem ich ihm alles versprach, was er verlangte, da für ihn keine Köpfe zu rollen brauchten.

Später besichtigte ich noch einmal die Truppen und erzählte ihnen mehr von Amber. Seltsamerweise kamen sie wie Brüder miteinander aus, die großen roten und die kleinen pelzigen Burschen.

Es war traurig – aber wahr.

Wir waren ihre Götter – und daran führte kein Weg vorbei.

Ich sah die Flotte, die auf einem blutroten Ozean dahinsegelte. Ich überlegte.

In den Schatten-Welten, durch die sich die Schiffe bewegten, würden viele untergehen.

Ich dachte über die Truppen von Avernus nach, und über meine Rekruten aus dem Land, das Ri’ik genannt wurde. Sie hatten die Aufgabe, zur Erde und nach Amber zu marschieren.

Ich mischte die Karten und legte sie auf. Schließlich nahm ich Benedicts Bildnis zur Hand. Ich suchte lange, doch ich fand nichts anderes als Kälte.

Dann ergriff ich Brands Karte. Wieder spürte ich zuerst nur die Kälte.

Dann ertönte ein Schrei. Es war ein schrecklicher, gequälter Laut.

»Hilf mir!« tönte es.

»Wie kann ich das?« fragte ich.

»Wer ist da?« wollte er wissen, und ich sah, wie sich sein Körper wand.

»Corwin.«

»Hol mich fort von diesem Ort, Bruder Corwin! Was immer du dir dafür wünschst, es soll dein sein!«

»Wo bist du?«

»Ich . . .«

Es folgte ein Wirbel von Dingen, die vorzustellen mein Gehirn nicht in der Lage war, dann ein weiterer Schrei, wie aus Todesqualen geboren, ein Laut, der in Stille endete.

Dann kehrte schnell die Kälte zurück.

Ich stellte fest, daß ich am ganzen Körper zitterte.

Ich zündete mir eine Zigarette an und trat ans Fenster, um in die Nacht hinauszuschauen. Die Karten lagen auf dem Tisch in meinem Raum in der Garnison – so wie sie gefallen waren.

Die Sterne waren winzig und vom Nebel verwischt. Keines der Sternenbilder war mir bekannt. Ein kleiner blauer Mond schimmerte durch die Dunkelheit. Die Nacht war mit einem plötzlichen eiskalten Wind eingefallen, und ich zog den Mantel eng um mich. Unwillkürlich dachte ich an den Winter unseres katastrophalen Feldzugs in Rußland. Himmel! Ich war fast erfroren!

Und wohin führte das alles?

Natürlich auf den Thron von Amber.

Denn der war ein ausreichender Grund für alles.

Aber was war mit Brand?

Wo steckte er? Was geschah mit ihm, und wer tat ihm dies an?

Antworten? – Keine.

Doch während ich in die Nacht hinausstarrte und dem Weg der blauen Scheibe mit den Blicken folgte, kamen mir Zweifel. Gab es etwas, das mir im großen Bild entging, ein Faktor, den ich nicht richtig begriff?

Keine Antwort.

Ich setzte mich wieder an den Tisch, ein kleines Glas in Reichweite.

Ich blätterte durch den Stapel und fand Vaters Karte.

Oberon, Lord von Amber, stand in seinem grüngoldenen Gewand vor mir. Groß, breit, rundlich, der schwarze Bart von Silberstreifen durchzogen wie das Haar. Grüne Ringe in Goldfassungen und eine goldfarbene Klinge. Ich hatte früher einmal angenommen, daß nichts den unsterblichen Herrscher Ambers von seinem Thron stürzen könne. Was war geschehen? Ich wußte es noch immer nicht. Aber er war fort. Wie hatte mein Vater geendet?

Ich starrte auf die Karte und konzentrierte mich.

Nichts, nichts . . .

Etwas?

Etwas!

Ich spürte die Reaktion einer Bewegung, wenn auch sehr schwach, und die Gestalt auf der Karte wandelte sich, schrumpfte zu einem Schatten des Mannes, der Vater einmal gewesen war.

»Vater?« fragte ich.

Nichts.

»Vater?«

»Ja . . .« Sehr schwach und weit entfernt, wie durch das Rauschen einer Muschel, eingebettet in das ewige Summen.

»Wo bist du? Was ist geschehen?«

»Ich . . .« Eine lange Pause.

»Ja? Hier spricht Corwin, dein Sohn. Was ist in Amber geschehen, daß du jetzt fort bist?«

»Meine Zeit war gekommen«, erwiderte er – und seine Stimme schien sich noch weiter entfernt zu haben.

»Soll das heißen, daß du abgedankt hast? Keiner meiner Brüder hat mir bisher davon erzählt, und ich traue ihnen nicht so sehr, daß ich sie fragen möchte. Ich weiß nur, daß der Thron anscheinend jedem offensteht, der danach greifen will. Eric hält die Stadt, und Julian bewacht den Wald von Arden. Caine und Gérard herrschen über die Meere. Bleys möchte gegen alle kämpfen, und ich habe mich mit ihm verbündet. Wie sehen deine Wünsche in dieser Angelegenheit aus?«

»Du bist der einzige, der – danach – gefragt – hat«, keuchte er. »Ja . . .«

»›Ja‹ was?«

»Ja – kämpfe gegen – sie . . .«

»Was ist mit dir? Wie kann ich dir helfen?«

»Mir kann niemand mehr helfen. Ersteige den Thron . . .«

»Ich? Oder Bleys und ich?«