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»Du!« sagte er.

»Ja?«

»Du hast meinen Segen . . . Ersteige den Thron – und beeil – dich – damit.«

»Warum, Vater?«

»Ich habe den Atem nicht mehr – ersteige ihn!«

Dann war auch er fort.

Vater lebte also.

Das war interessant. Was sollte ich tun?

Ich trank aus meinem Glas und überlegte.

Er lebte noch immer, irgendwo, und er war König in Amber. Warum war er nicht mehr hier? Wohin war er gegangen? Welcher Art . . . was . . . wie viele . . .?

Diese Art Fragen stellte ich mir.

Wer wußte Bescheid? Ich jedenfalls nicht. Im Augenblick gab es dazu nicht mehr zu sagen.

Aber . . .

Ich konnte die Sache nicht auf sich beruhen lassen. Sie müssen wissen, daß Vater und ich nie so richtig miteinander ausgekommen sind. Ich habe ihn nicht gehaßt, wie etwa Random oder einige andere seiner Söhne, aber ich hatte andererseits auch keinen Grund, ihn besonders zu mögen. Er war groß und mächtig gewesen – er war da gewesen. Das war so etwa alles. Er war zugleich identisch mit dem größten Teil der Geschichte von Amber, wie wir sie kannten – und die Geschichte Ambers geht so viele Jahrtausende zurück, daß man sie gar nicht erst zu zählen braucht. Was also war zu tun?

Am nächsten Morgen nahm ich an einer Besprechung von Bleys’ Generalstab teil. Er hatte vier Admiräle, die jeweils etwa ein Viertel seiner Flotte kommandierten, und eine ganze Messe voller Armeeoffiziere. Insgesamt waren etwa dreißig hochstehende Chargen versammelt – groß und rothäutig oder klein und pelzig, je nach dem.

Die Besprechung dauerte etwa vier Stunden, ehe wir alle eine Mittagspause machten. Man kam überein, daß wir in drei Tagen angreifen würden. Da ein Mann des Blutes von Amber erforderlich war, um den Weg zur Stadt zu öffnen, sollte ich von Bord des Flaggschiffs aus die Flotte leiten, während Bleys die Infanterie durch die Länder des Schattens führen wollte.

Dieser Plan beunruhigte mich, und ich fragte ihn, was er tun würde, wenn ich nicht gekommen wäre, um ihm diese Hilfe zu gewähren. Darauf erhielt ich zwei Antworten: Erstens hätte er allein vorgehen müssen; er wäre mit der Flotte durchgebrochen und hätte sie weit vor der Küste verlassen, um in einem einzelnen Schiff nach Avernus zurückzukehren und seine Fußsoldaten zu einem geplanten Treffpunkt zu führen; und zweitens hatte er gezielt einen Schatten gesucht, in dem ein Bruder auftauchen würde, um ihm zu helfen.

Als ich dies vernahm, kamen mir erste düstere Vorahnungen, auch wenn ich wußte, daß ich hier wirklich vorhanden war. Die erste Antwort kam mir ziemlich unpraktisch vor, da die Flotte zu weit draußen auf dem Meer lag, um Signale von Land zu erkennen. Das Risiko, den richtigen Zeitpunkt zu verpassen – bei einer so großen Einheit gab es immer unvorhergesehene Zwischenfälle –, war in meinen Augen zu groß, um den Plan wirklich realisierbar erscheinen zu lassen.

Aber als Taktiker hatte ich Bleys stets für brillant gehalten; md als er nun die selbstgezeichneten Karten Ambers und des inliegenden Gebietes ausrollte und uns die Taktik erklärte, die er dort anzuwenden gedachte, wußte ich, daß er ein Prinz von Amber war, dessen Arglist nicht seinesgleichen fand.

Das Problem war nur, daß wir gegen einen anderen Prinzen von Amber vorrückten, einen Mann, der entschieden die bessere Ausgangsposition hatte. Ich machte mir Sorgen, doch angesichts der bevorstehenden Krönung schien uns kein anderer Weg offen zu stehen, und ich beschloß, Bleys bis zum bitteren Ende zu unterstützen. Wenn wir unterlagen, waren wir verloren, aber er vermochte die größte Angriffsmacht auf die Beine zu stellen und hatte einen praktikablen Zeitplan, den ich nicht aufweisen konnte.

So wanderte ich denn durch das Land, das Avernus hieß, und beschäftigte mich mit seinen nebelverhangenen Tälern und Schluchten, mit den qualmenden Kratern und der grellen Sonne am verrückten Himmel, mit den eiskalten Nächten und viel zu heißen Tagen, mit den zahlreichen Felsbrocken und Unmengen dunklen Sandes, mit den winzigen, doch bösartigen und giftigen Tieren und den riesigen purpurnen Pflanzen, die an schlaffe Kakteen erinnerten; und am Nachmittag des zweiten Tages stand ich auf einer Klippe und schaute unter einem gewaltigen zinnoberroten Wolkenmassiv auf das Meer hinaus – und da kam ich zu dem Schluß, daß mir die Gegend recht gut gefiel und daß ich ihre Söhne eines Tages, wenn ich dazu in der Lage war, mit einem Lied unsterblich machen würde, sollten sie im Krieg der Götter untergehen.

Nachdem ich meine Ängste vor dem Kommenden auf diese Weise besänftigt hatte, stieß ich zu der Flotte und übernahm das Kommando. Wenn wir es schafften, sollten diese Kämpfer für alle Ewigkeit in den Hallen der Unsterblichen gefeiert werden.

Ich war Anführer und Wegbereiter. Ich freute mich.

Am folgenden Tag setzten wir Segel, und ich befehligte die Flotte vom ersten Schiff aus. Ich führte uns in einen Sturm, und als wir die unruhige Zone verließen, waren wir unserem Ziel um ein Beträchtliches nähergerückt. Ich führte die Schiffe an einem gewaltigen Strudel vorbei, der uns ebenfalls weiterhalf. Ich steuerte durch felsige Untiefen, aber der Schatten des Wassers verdunkelte sich bald wieder. Seine Farbe begann der Tönung Ambers zu ähneln. Ich besaß die Fähigkeit also noch immer. Ich vermochte unser Schicksal in Zeit und Raum zu beeinflussen. Ich konnte uns nach Hause führen. In mein Zuhause, genauer gesagt.

Ich führte uns an unbekannten Inseln vorüber, auf denen grüne Vögel krächzten und grüne Affen wie Früchte pendelnd in den Bäumen hingen.

Ich führte uns aufs offene Meer hinaus und steuerte die Flotte dann wieder auf die Küste zu.

Inzwischen marschierte Bleys über die Ebenen der Welten. Irgendwoher wußte ich, daß er es schaffen würde, daß er die Barrieren überwinden würde, die Eric errichtet hatte. Durch die Karten blieb ich mit ihm in Verbindung und erfuhr von den Kämpfen, die er durchstehen mußte. So gab es zehntausend Tote bei einer Zentaurenschlacht in offenem Gelände, fünftausend Mann Verlust durch ein Erdbeben von erschreckendem Ausmaß, fünfzehnhundert Tote in einer Sturmbö, die das Lager durchtoste, neunzehntausend Tote oder Vermißte nach Kämpfen in den Dschungeln eines Gebiets, das ich nicht kannte, da von seltsamen Flugmaschinen, die am Himmel vorbeibrummten, Napalm herabregnete; weiterhin sechstausend Deserteure in einer Gegend wie der Himmel auf Erden, den man den Soldaten versprochen hatte, fünfhundert Vermißte beim Durchqueren einer Sandwüste, über der eine riesige Pilzwolke dräute, achttausendsechshundert Verschwundene in einem Tal voller unerwartet militanter Maschinen, die auf Ketten rollten und Feuer spien. Achthundert Kranke und Zurückgelassene, zweihundert Mann, die in einer Flutwelle untergingen, vierhundertfünfzig Opfer durch Duelle in den eigenen Reihen, dreihundert Tote von einer vergifteten Frucht, tausend Mann Verlust durch einen panischen Ausbruch büffelähnlicher Kreaturen, der Tod von dreiundsiebzig Mann, deren Zelte Feuer fingen, fünfzehnhundert bei Flußüberquerungen Davongeschwemmte, zweitausend, die von Stürmen aus den blauen Bergen getötet wurden.

Ich war froh, daß ich in der gleichen Zeit nur hundertundsechsundachtzig Schiffe verloren hatte.

Schlaf, vielleicht ein Traum . . . Ja, das paßt. Eric bekämpfte uns in Zentimetern und Stunden. Die vorgesehene Krönung sollte in wenigen Wochen stattfinden, denn wir starben und starben.

Nun steht geschrieben, daß nur ein Prinz von Amber durch die Schatten vordringen kann, allerdings vermag er jede Anzahl von Gefolgsleuten über denselben Weg hinter sich herzuziehen. Wir führten unsere Truppen und sahen sie sterben, doch über Schatten muß ich folgendes sagen: es gibt Schatten, und es gibt Substanz, und dies ist die Wurzel aller Dinge. An Substanz gibt es nur Amber, die reale Stadt auf der realen Erde, die alles umfaßt. An Schatten gibt es eine endlose Vielfalt. Irgendwo besteht jede Möglichkeit als Schatten des Realen. Durch die Tatsache seiner Existenz hat Amber solche Schatten in alle Richtungen geworfen. Und was läßt sich über die Dinge sagen, die außerhalb liegen? Die Schatten erstrecken sich von Amber bis zum Chaos, und in diesem weiten Bereich sind alle Dinge möglich. Es gibt nur drei Möglichkeiten, sie zu durchqueren, und jede ist mit Schwierigkeiten verbunden.