Vielleicht hatte Vater ihn umgebracht, damit seine Geheimnisse nicht bekannt wurden.
Caine war sicher auf einen Angriff durch die Karten gefaßt, und wahrscheinlich vermochte ich ihn nicht niederzuringen, wenn ich ihn auch vielleicht in meinen Bann schlagen konnte. Aber das genügte nicht, da seine Kapitäne längst Order zum Angriff erhalten hatten.
Und Eric rechnete bestimmt mit allem – aber wenn es sonst keine andere Möglichkeit gab, konnte ich es genausogut versuchen. Ich hatte außer meiner Seele nichts zu verlieren.
Schließlich die Karte von Amber selbst. Mit dieser Karte konnte ich mich dorthin versetzen und es mit einem Attentat versuchen, aber ich schätzte das Risiko auf eins zu eine Million gegen mich.
Ich war zum Kampf bereit, doch es war sinnlos, all diese Männer mit mir in den Tod zu reißen. Vielleicht war mein Blut trotz meiner Macht über das Muster dünn geworden. Ein echter Prinz von Amber hätte Skrupel dieser Art nicht haben dürfen.
Ich begann zu ahnen, daß mich die Jahrhunderte auf der Schatten-Erde sehr verändert und vielleicht weicher gemacht hatten; daß sie in mir etwas bewirkt hatten, das mich nun von meinen Brüdern unterschied.
Ich beschloß, die Flotte auszuliefern und mich dann nach Amber zu versetzen, wo ich Eric zu einem entscheidenden Duell herausfordern wollte. Darauf einzugehen wäre dumm von ihm. Aber was machte das für einen Unterschied – ich hatte keine andere Wahl.
Ich drehte mich um und machte meine Offiziere mit meinen Wünschen bekannt und spürte plötzlich, wie mich die Macht befiel, und ich war sprachlos.
Ich spürte den Kontakt und brachte schließlich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: »Wer?« Es kam keine Antwort, doch etwas drehte und bohrte sich langsam in meinen Geist, und ich rang damit.
Als er nach einer Weile erkannte, daß ich mich nicht ohne langen Kampf besiegen ließ, hörte ich Erics Stimme im Wind.
»Wie stehen die Dinge bei dir, Bruder?« erkundigte er sich.
»Nicht gut«, erwiderte oder dachte ich, und er lachte leise, wenngleich sich in seiner Stimme die Anstrengung unseres Kampfes widerzuspiegeln schien.
»Das ist schade«, sagte er. »Wärst du zurückgekommen, um mich zu unterstützen, hätte ich dich fürstlich belohnt. Aber dazu ist es natürlich zu spät. Jetzt werde ich jubilieren, sobald ich dich und Bleys geschlagen habe.«
Ich antwortete nicht sofort, sondern kämpfte mit allen Kräften.
Vor diesem Angriff zog er sich ein Stück zurück, doch er vermochte mich an Ort und Stelle festzuhalten.
Wurde einer von uns auch nur einen Sekundenbruchteil lang abgelenkt, konnten wir in physischen Kontakt miteinander treten, oder einer von uns konnte auf der geistigen Ebene die Oberhand gewinnen. Ich vermochte ihn jetzt deutlich in seinen Palasträumen zu erkennen. Doch wer immer einen Angriff wagte, er würde sich der Kontrolle des anderen ausliefern.
Also starrten wir uns düster an und kämpften im Geiste. Mit seinem Angriff hatte sich eines meiner Probleme erledigt. Er hielt meinen Trumpf in der Linken, und seine Stirn war gerunzelt. Ich suchte nach einem Ansatzpunkt, konnte aber keinen finden.
Leute redeten mit mir, doch ich verstand ihre Worte nicht, während ich mit dem Rücken an der Reling stand.
Wie spät war es?
Mit dem Beginn des Kampfes hatte mich jegliches Zeitgefühl verlassen. Konnte es sein, daß zwei Stunden verstrichen waren? War es das? Ich war mir meiner Sache nicht sicher.
»Ich spüre deine Beunruhigung«, sagte Eric. »Jawohl, ich habe mich mit Caine abgesprochen. Er hat sich nach eurer Unterhaltung mit mir in Verbindung gesetzt. Ich kann dich mühelos weiter festhalten, während deine Flotte ringsum zerschossen und zum Verrotten nach Rebma geschickt wird. Die Fische werden sich an deinen Männern gütlich tun.«
»Warte!« sagte ich. »Sie sind schuldlos. Bleys und ich haben sie getäuscht, und sie glauben für eine gerechte Sache zu kämpfen. Ihr Tod hätte keinen Sinn mehr. Ich hatte mir schon vorgenommen, die Flotte kapitulieren zu lassen.«
»Dann hättest du nicht so lange zögern sollen«, erwiderte er. »Jetzt ist es zu spät. Ich kann Caine nicht anrufen und meine Befehle widerrufen, ohne dich freizugeben, und sobald ich dich loslasse, falle ich unter deine geistige Herrschaft oder bin einem physischen Angriff ausgesetzt. Unsere Gehirne sind zu sehr verwandt.«
»Wenn ich dir nun mein Wort gebe, daß ich meinen Vorteil nicht nutze?«
»Jeder Mensch schwört Meineide, um ein Königreich zu erringen«, sagte Eric.
»Kannst du meine Gedanken nicht lesen? Erspürst du ihn nicht in meinem Geist? Ich halte mein Wort!«
»Ich spüre ein seltsames Mitleid mit diesen Lebewesen, die du getäuscht hast, und weiß nicht, worauf eine solche Bindung beruhen könnte – trotzdem nein! Du weißt zu gut Bescheid. Selbst wenn du es in diesem Augenblick ehrlich meintest – was ja durchaus der Fall sein mag –, wäre die Versuchung zu groß, sobald sich die Gelegenheit bietet. Du weißt das so gut wie ich. Ich darf das Risiko nicht eingehen.«
Und ich wußte Bescheid. Zu sehr brannte Amber in unserem Blut.
»Du bist mit dem Schwert wesentlich besser als früher«, fuhr er fort. »Wie ich sehe, hat dir dein Exil in dieser Hinsicht durchaus genützt. Du bist von allen derjenige, der sich am ehesten auf meine Stufe stellen könnte – ausgenommen Benedict, der vielleicht tot ist.«
»Bilde dir nichts ein«, sagte ich. »Ich weiß, daß ich schon jetzt mit dir fertigwerde. Im Grunde . . .«
»Spar dir die Mühe. In diesem späten Stadium lasse ich mich mit dir nicht auf ein Duell ein.« Und er lächelte in der Erkenntnis meines Gedankens, der allzu offenkundig geworden war.
»Ich wünschte mir wirklich fast, du hättest dich auf meine Seite gestellt«, sagte er. »Ich hätte dich besser gebrauchen können als die anderen. Julian kann ich nicht ausstehen. Caine ist ein Feigling. Gérard ist stark, aber dumm.«
Ich beschloß, ein gutes Wort einzulegen – das einzige, mit dem ich vielleicht Erfolg hatte.
»Hör zu«, sagte ich. »Ich habe Random durch einen Trick dazu gebracht, mich hierher zu begleiten. Ihm hat der Gedanke von Anfang an nicht gefallen. Ich glaube, er hätte dich unterstützt, wenn du ihn darum gebeten hättest.«
»Der Schweinehund!« sagte er. »Den ließe ich nicht mal die Nachttöpfe im Palast leeren. In meinem fände ich bestimmt einen Piranha-Fisch. Nein danke. Ich hätte ihn vielleicht begnadigt – aber damit ist es aus, nachdem du dich für ihn verwendet hast. Möchtest du, daß ich ihn an meine Brust drücke und ihn Bruder heiße, nicht wahr? O nein! Du bist ihm zu hastig zu Hilfe gekommen. Das offenbart mir seine wahre Einstellung, die er dir zweifellos enthüllt hat. Vergessen wir Random in den Höfen der Gnade.«
In diesem Augenblick bemerkte ich Rauchgeruch und vernahm metallisches Klirren. Das konnte nur bedeuten, daß Caine über uns hergefallen war und seine Arbeit tat.
»Gut«, sagte Eric, der die Eindrücke aus meinem Geist mitbekam.
»Halte sie auf! Bitte! Meine Männer haben keine Chance gegen eine solche Übermacht!«
»Selbst wenn du dich ergeben würdest . . .«Und er unterbrach mit einem Fluch. Da fing ich seinen Gedanken auf. Er hätte verlangen können, daß ich als Gegenleistung für die Schonung meiner Männer kapitulierte – ohne dann Caine in seiner Schlächterei Einhalt zu gebieten. Ein solcher Schachzug hätte ihm gepaßt, aber er hatte im Eifer des Gefechts die falschen Worte über die Zunge rutschen lassen.
Ich lachte über seinen Zorn.
»Ich erwische dich sowieso bald«, sagte er. »Sobald das Flaggschiff erobert wird.«