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»Aber zuvor«, sagte ich, »solltest du dies mal versuchen!« Und ich griff ihn an, mit allem, was ich hatte. Ich drang in seinen Geist ein, peinigte ihn mit meinem Haß. Ich spürte seinen Schmerz, der mich zu weiteren Anstrengungen anspornte. Zum Ausgleich für all die Jahre meines Exils hieb ich nach ihm, suchte ich wenigstens diesen Lohn. Dafür, daß er mich grausam der Pest ausgeliefert hatte, hämmerte ich auf die Barrieren seiner geistigen Normalität ein, suchte ich meine Rache. In der Erinnerung an den Autounfall, für den er verantwortlich gewesen war, das wußte ich, drang ich auf ihn ein, suchte seine Qual zum Ausgleich für meinen Schmerz.

Er begann nachzulassen, und mein Angriff steigerte sich weiter.

Ich fiel über ihn her, und er begann die Herrschaft über mich zu verlieren.

»Du Teufel!« rief er schließlich und schob die Hand über die Karte, die er umklammerte.

Der Kontakt war unterbrochen, und ich stand zitternd an Deck.

Ich hatte es geschafft! Ich hatte ihn in einem Willenskampf besiegt. Im Einzelkampf brauchte ich meinen tyrannischen Bruder nie wieder zu fürchten.

Ich war stärker als er.

Ich machte mehrere tiefe Atemzüge und richtete mich auf, bereit für den Augenblick, da sich die innere Kälte eines neuen geistigen Angriffs anmeldete. Aber ich wußte auch, daß es nicht mehr dazu kommen würde, jedenfalls nicht von Eric. Ich spürte, daß er Angst hatte vor meinem Zorn.

Ich sah mich um. Ringsum wurde gekämpft. Schon strömte Blut über die Decksplanken. Ein Schiff lag längsseits, und seine Mannschaft enterte uns. Ein zweites Schiff versuchte auf der anderen Seite dasselbe Manöver einzuleiten. Ein Pfeil sirrte mir am Kopf vorbei.

Ich zog mein Schwert und stürzte mich in den Kampf.

Ich weiß nicht mehr, wie viele Männer ich an jenem Tag tötete. Nach dem zwölften oder dreizehnten Gegner verlor ich die Übersicht. In diesem ersten Zusammenstoß war es jedenfalls mehr als die doppelte Anzahl. Die Körperkräfte, die ein Prinz von Amber von Natur aus besitzt, leisteten mir heute gute Dienste; immerhin konnte ich einen Mann mit der Hand in die Luft reißen und über die Reling schleudern.

Wir töteten jeden Mann an Bord der angreifenden Schiffe, öffneten ihre Luken und schickten sie nach Rebma hinab. Meine Mannschaft war auf die Hälfte reduziert worden, und ich hatte unzählige Stiche und Schnitte abbekommen, allerdings nichts Ernstes. Anschließend kamen wir einem Schwesterschiff zu Hilfe und erledigten ein weiteres Piratenschiff Caines.

Die Überlebenden des geretteten Boots kamen an Bord des Flaggschiffes. Auf diese Weise verfügte ich wieder über eine komplette Mannschaft.

»Blut!« brüllte ich. »Blut und Rache schenkt mir an diesem Tag, meine Krieger, dann soll man sich eurer in Amber auf ewig erinnern!«

Und wie ein Mann hoben sie die Waffen und brüllten: »Blut!« Wir vernichteten zwei weitere Angreiferschiffe und ergänzten unsere Mannschaft mit Überlebenden von anderen Einheiten unserer Flotte. Während wir auf einen sechsten Gegner zuhielten, erklomm ich den Hauptmast und versuchte mir einen ungefähren Überblick zu verschaffen.

Caine schien drei zu eins in der Überzahl zu sein. Meine Flotte bestand noch aus fünfundvierzig bis fünfundfünfzig Einheiten.

Wir besiegten den sechsten Gegner und brauchten nicht lange nach dem siebenten und achten zu suchen – sie griffen uns an. Auch diese Schiffe kämpften wir nieder, doch ich zog mir mehrere Wunden zu in den Auseinandersetzungen, die meine Mannschaft erneut halbierten. An der linken Schulter und am rechten Schenkel klafften tiefe Schnitte, und ein Riß an der rechten Hüfte tat höllisch weh.

Während wir die beiden Schiffe auf den Meeresgrund schickten, rückten zwei weitere heran.

Wir flohen und taten uns mit einem meiner Schiffe zusammen, das siegreich aus einem Kampf hervorgegangen war. Wieder legten wir die Mannschaften zusammen, wobei wir diesmal die Standarte auf das andere Schiff hinübernahmen, das weniger beschädigt war, während mein bisheriges Flaggschiff bereits zu lecken begann und Schlagseite nach Steuerbord bekam.

Man ließ uns nicht die Zeit, zu Atem zu kommen; schon näherte sich ein weiteres Schiff.

Meine Männer waren erschöpft, und ich begann die Anstrengungen des Kampfes ebenfalls zu spüren. Zum Glück war die gegnerische Mannschaft auch nicht mehr sonderlich in Form.

Ehe ein zweites Schiff Caines eingreifen konnte, hatten wir es geentert und die Standarte erneut mitgenommen. Der Zustand dieses Schiffes war sogar noch besser.

Wir besiegten auch den nächsten Angreifer, und ich besaß nun ein gutes Schiff und vierzig Mann – und konnte bald nicht mehr.

Nun war niemand mehr in Sicht, der uns hätte helfen können.

Soweit meine Schiffe noch schwimmfähig waren, kämpften sie gegen mindestens einen Gegner. Als ein Angreifer auf uns zuhielt, ergriffen wir die Flucht.

Auf diese Weise holten wir etwa zwanzig Minuten heraus. Ich versuchte in die Schatten zu segeln, aber in solcher Nähe zu Amber ist das eine anstrengende, langwierige Sache. Es ist viel einfacher, nach Amber vorzudringen, als sich wieder davon zu entfernen, denn Amber ist das Zentrum, der Nexus. Hätte ich zehn Minuten länger Zeit gehabt, wäre es mir vielleicht trotzdem gelungen.

Doch ich schaffte es nicht.

Als der Verfolger näher kam, machte ich in der Ferne ein weiteres Schiff aus, das sich in unsere Richtung wandte. Es trug die schwarzgrüne Standarte unter Erics Farben und dem weißen Einhorn. Caines Schiff. Er wollte den letzten Akt persönlich miterleben.

Wir griffen den ersten Verfolger an, hatten aber kaum Gelegenheit, ihn zu versenken; schon fiel Caine über uns her. Schließlich stand ich auf dem blutigen Deck, von einem Dutzend Männern umgeben, und Caine ging zum Bug seines Schiffs und forderte mich auf, die Waffen zu strecken.

»Schenkst du meinen Männern das Leben, wenn ich es tue?« fragte ich.

»Ja«, erwiderte er. »Täte ich es nicht, würde ich noch ein paar Leute mehr verlieren – und das muß nun wirklich nicht sein.«

»Gibst du mir dein Wort als Prinz?« fragte ich.

Er überlegte einen Augenblick lang und nickte schließlich.

»Also gut«, sagte er. »Laß deine Männer die Waffen niederlegen und zu mir an Bord steigen, sobald ich längsseits komme.«

Ich steckte meine Klinge fort und schaute nickend in die Runde.

»Ihr habt einen guten Kampf geliefert, und ich liebe euch dafür«, sagte ich. »Doch in diesem Augenblick sind wir unterlegen.« Während des Sprechens trocknete ich mir die Hände an meinem Mantel ab und wischte sie sauber, da ich ungern ein Kunstwerk beflecke. »Streckt die Waffen in dem Bewußtsein, daß eure Mühen nicht vergessen werden. Eines Tages werde ich euch am Hofe Ambers besingen!«

Die Männer – neun große rothäutige Gestalten und drei Pelzwesen – weinten, als sie die Waffen niederlegten.

»Habt keine Sorge, daß etwa der Kampf um die Stadt verloren sei«, fuhr ich fort. »Wir sind lediglich in einer Schlacht unterlegen, der Krieg geht anderswo weiter. Mein Bruder Bleys kämpft sich in diesem Augenblick auf Amber zu. Caine wird sein Versprechen halten und euch verschonen, wenn er sieht, daß ich zu Bleys an Land gegangen bin. Es tut mir nur leid, daß ich euch nicht mitnehmen kann.«

Mit diesen Worten zog ich Bleys’ Trumpf aus dem Kartenspiel und hielt ihn vor mich, im Schutz der Reling, wo die Karte vom anderen Schiff aus nicht gesehen werden konnte.

Als Caine anlegte, rührte sich etwas unter der kalten, kalten Oberfläche.

»Wer?« fragte Bleys.

»Corwin«, sagte ich. »Wie geht es dir?«

»Wir haben die Schlacht gewonnen, dabei aber viele Männer verloren. Wir ruhen uns gerade aus, ehe wir weitermarschieren. Wie stehen die Dinge bei dir?«

»Ich glaube, wir haben fast die Hälfte von Caines Flotte vernichtet, doch er hat den Tagessieg errungen. Er ist im Begriff, uns zu entern. Hilf mir fliehen!«

Er streckte die Hand aus, und ich berührte sie und sank ihm in die Arme.

»Das wird nun schon langsam zur Gewohnheit«, brummte ich und bemerkte jetzt, daß er ebenfalls verwundet war – am Kopf – und daß sich eine Bandage um seine linke Hand zog. »Mußte das falsche Ende eines Säbels anfassen«, erklärte er, als er meinen Blick bemerkte. »Tut ganz schön weh.«