Das Wasser ringsum war angefüllt mit zischenden schwarzen Brocken, und hinter uns wirkten die Köpfe unserer überlebenden Soldaten wie eine Ladung dahintreibender Kokosnüsse.
Das Wasser war dunkel und kalt, und unsere Wunden begannen zu schmerzen, und wir zitterten und klapperten mit den Zähnen.
Wir mußten mehrere Meilen zurücklegen, ehe der brennende Wald zurückblieb und der flachen baumlosen Ebene Platz machte, die sich bis zum Meer erstreckte. Sie bot Julian eine perfekte Möglichkeit, sich mit seinen Bogenschützen auf die Lauer zu legen. Ich rnachte eine entsprechende Bemerkung gegenüber Bleys, und er war meiner Meinung, sah aber keine Möglichkeit, etwas dagegen zu tun. Und da mußte ich ihm recht geben.
Ringsum brannte der Wald, und wir schwammen und ließen uns treiben.
Meine Ängste bewahrheiteten sich, und der erste Pfeilschauer regnete auf uns herab.
Ich tauchte und schwamm eine lange Strecke unter Wasser. Da ich mich mit der Strömung bewegte, schaffte ich auf diese Weise ein gutes Stück, ehe ich wieder an die Oberfläche mußte.
Und schon tauchten weitere Pfeile um mich ins Wasser.
Die Götter allein mochten wissen, wie lange sich dieser Todeskampf noch hinziehen mochte – doch ich wollte nach Möglichkeit sein Ende erleben.
Also atmete ich tief ein und ging wieder unter Wasser.
Ich berührte den Flußgrund, tastete mich über Felsen weiter.
Ich schwamm so weit ich konnte und hielt dann auf das rechte Ufer zu; beim Auftauchen ließ ich die Luft ab.
Ich brach durch die Oberfläche, atmete tief ein und tauchte wieder unter, ohne mich umzusehen.
Und ich schwamm, bis mir die Lungen zu platzen drohten; dann kam ich wieder hoch.
Diesmal hatte ich nicht soviel Glück. Ein Pfeil bohrte sich durch meinen linken Bizeps. Ich schaffte es wieder unter Wasser und brach den Schaft ab, als ich den Grund erreichte. Beim nächsten Auftauchen bot ich ein sicheres Ziel, das wußte ich.
Daher zwang ich mich weiter, bis mir rote Blitze vor den Augen zuckten und sich Schwärze in meinem Kopf auszubreiten drohte. Gut drei Minuten muß ich unten gewesen sein.
Als ich wieder hochkam, geschah nichts, und ich trat Wasser und versuchte hustend und keuchend wieder zu Atem zu kommen.
Ich schwamm zum linken Ufer und hielt mich an den herabhängenden Ranken fest.
Dann sah ich mich um. In dieser Gegend gab es kaum noch Bäume, und das Feuer war noch nicht bis hierher vorgedrungen. Beide Ufer schienen leer zu sein – ebenso der Fluß. War ich etwa der einzige Überlebende? Das wollte mir unmöglich erscheinen. Immerhin war unsere Armee zu Beginn des Marsches riesig gewesen.
Ich war halbtot vor Erschöpfung, und mein ganzer Körper schmerzte. Jeder Quadratzentimeter meiner Haut schien versengt zu sein, aber das Wasser war so kalt, daß ich zugleich zitterte und wahrscheinlich blaugefroren war. Wenn ich weiterleben wollte, mußte ich den Fluß schleunigst verlassen. Allerdings hatte ich das Gefühl, daß ich noch einige Etappen unter Wasser durchstehen konnte, und beschloß meine Flucht auf diesem Wege noch ein Stück fortzusetzen, ehe ich mich endgültig von den schützenden Tiefen abwandte.
Mit Mühe und Not schaffte ich vier weitere Tauchstrecken und hatte schließlich das Gefühl, daß ich eine fünfte Etappe nicht mehr schaffen würde. Ich klammerte mich an einem Felsen fest, bis ich wieder ruhiger atmen konnte, und kletterte schließlich an Land.
Dort ließ ich mich auf den Rücken rollen und sah mich um. Die Gegend war mir unbekannt. Das Feuer schien noch weit entfernt zu sein. Ein dickes Gebüsch erstreckte sich zu meiner Rechten, und ich kroch darauf zu, zwängte mich hinein, fiel flach aufs Gesicht und schlief ein.
Als ich erwachte, wäre ich am liebsten gestorben. Mein ganzer Körper war ein einziger Schmerz, und mir war übel. Halb im Delirium lag ich im Gebüsch und taumelte schließlich nach Stunden zum Fluß zurück, wo ich durstig trank. Dann torkelte ich wieder auf das Dickicht zu und legte mich erneut schlafen.
Als ich das Bewußtsein wiedererlangte, fühlte ich mich noch immer sehr mitgenommen, wenn auch ein wenig kräftiger. Ich ging zum Fluß zurück und stellte mit Hilfe meines eiskalten Trumpfes fest, daß Bleys noch am Leben war.
»Wo bist du?« fragte er, als ich Kontakt aufgenommen hatte.
»Wenn ich das nur wüßte!« erwiderte ich. »Ich habe Glück, daß ich überhaupt irgendwo bin. Allerdings muß das Meer in der Nähe sein. Ich höre die Wellen und kenne den Geruch.«
»Du bist in der Nähe des Flusses?«
»Ja.«
»An welchem Ufer?«
»Am linken, am Nordufer.«
»Dann bleibe, wo du bist«, wies er mich an. »Ich schicke jemanden zu dir. Ich sammele gerade unsere Streitkräfte. Ich habe schon über zweitausend zusammen; Julian traut sich bestimmt nicht in unsere Nähe. Es werden mit jeder Minute mehr.«
»Gut«, sagte ich.
Ich blieb, wo ich war. Und dabei schlief ich ein.
Ich hörte sie durch die Büsche brechen und duckte mich. Vorsichtig schob ich einige Äste zur Seite und starrte hindurch.
Es waren Rothäute.
Ich klopfte meine Kleidung ab, fuhr mir mit den Fingern durchs Haar, richtete mich schwankend auf, machte einige tiefe Atemzüge und trat vor.
»Hier«, verkündete ich.
Zwei von den Wesen fuhren mit gezogenen Klingen herum. Aber sie erholten sich schnell wieder, lächelten, bezeugten mir ihren Respekt und führten mich zum Lager, das etwa zwei Meilen entfernt war. Ich schaffte die Strecke, ohne mich aufstützen zu müssen.
Bleys tauchte auf. »Wir haben schon gut dreitausend beisammen«, sagte er und rief einen Sanitätsoffizier herbei, der sich meiner annehmen mußte.
In der Nacht belästigte uns niemand. In dieser Zeit stießen große Teile unserer Truppen wieder zu uns, und auch am folgenden Tag verstärkten sich unsere Reihen weiter.
Schließlich hatten wir etwa fünftausend Mann. In der Ferne war Amber zu erkennen.
Wir lagerten eine weitere Nacht und setzten uns am nächsten Morgen in Marsch.
Am Nachmittag hatten wir etwa fünfzehn Meilen zurückgelegt. Wir marschierten am Strand entlang. Von Julian keine Spur.
Der Schmerz in meinen Brandwunden begann nachzulassen.
Mein Oberschenkel schien zu heilen, doch Schulter und Arm taten noch scheußlich weh.
Wir marschierten weiter und befanden uns bald vierzig Meilen vor Amber. Das Wetter blieb friedlich, und der Wald zu unserer Linken war eine einzige trostlose Aschewüste. Das Feuer hatte den größten Teil des Holzbestandes im Tal vernichtet, was sich zur Abwechslung einmal zu unserem Vorteil auswirkte. Weder Julian noch sonst jemand konnte uns hier in einen Hinterhalt locken. Jede Annäherung bemerkten wir auf weite Entfernung. Vor Sonnenuntergang schafften wir weitere zehn Meilen und schlugen unser Lager am Meer auf.
Am nächsten Tag mußte ich daran denken, daß Erics Krönung unmittelbar bevorstand, und machte Bleys auf diese Tatsache aufmerksam. Wir wußten nicht mehr so recht, welchen Tag wir eigentlich schrieben, doch mir war klar, daß wir noch eine kurze Gnadenfrist hatten.
Wir drangen im Eilmarsch weiter vor, und gegen Mittag legten wir eine Pause ein. Unsere Entfernung zum Fuße des Kolvir betrug nur noch fünfundzwanzig Meilen, bei Einbruch der Dämmerung noch zehn.
Und wir ruhten nicht. Wir marschierten bis Mitternacht und lagerten erneut. Inzwischen hatte ich wieder einigermaßen zu mir selbst gefunden.
Ich hieb versuchsweise mit meiner Klinge durch die Luft und stellte fest, daß ich fast wieder in Form war. Am nächsten Tag ging es mir sogar noch besser.
Wir marschierten, bis wir den ersten Hang des Kolvir erreichten, wo uns Julians gesamte Streitmacht erwartete, verstärkt durch zahlreiche Kämpfer aus Caines Flotte, die sich hier als Fußsoldaten betätigten.