Bleys stellte sich hin und brüllte einiges in den Wind, dann griffen wir an.
Wir hatten noch knapp dreitausend Mann, als wir mit Julians Soldaten fertig waren. Julian selbst entkam natürlich.
Aber wir hatten gesiegt. An diesem Abend fand eine Feier statt. Wir hatten gesiegt!
Inzwischen hatten meine Ängste weiter zugenommen, die ich Bleys anvertraute. Dreitausend Mann gegen Kolvir.
Ich hatte die Flotte verloren, und Bleys hatte über acht-Bilanz war schrecklich.
Trotzdem begannen wir am nächsten Tag mit dem Aufstieg. Es gab eine Treppe, die es den Männern ermöglichte, die Stufen zu zweit nebeneinander zu erklimmen; doch bald verengte sich der Weg dermaßen, daß wir hintereinander gehen mußten.
Wir stiegen hundert Meter empor, zweihundert, dreihundert.
Dann wehte der Sturm vom Meer herein, und wir klammerten uns fest und ließen uns durchschütteln.
Hinterher fehlten einige hundert Mann.
Wir mühten uns weiter, und der Regen trommelte herab. Die Stufen wurden höher und glitschiger. Als wir ein Viertel der Höhe Kolvirs erstiegen hatten, stießen wir auf eine Gruppe von Bewaffneten, die auf dem Wege nach unten war. Der erste dieser Männer schlug sich mit dem Anführer unserer Streitmacht herum, und zwei Männer stürzten in die Tiefe. Zwei Stufen waren gewonnen, ein weiterer Mann wirbelte in die Tiefe.
So ging es über eine Stunde lang, dann hatten wir etwa ein Drittel des Weges zurückgelegt, und die Schlange der Männer vor Bleys und mir wurde langsam kürzer. Nur gut, daß unsere großen roten Krieger stärker waren als Erics Soldaten. Waffen klirrten, ein Schrei ertönte, und ein Mann stürzte an uns vorbei. Manchmal war er rothäutig, zuweilen auch pelzig, doch in den meisten Fällen trugen die Fallenden Erics Farben.
Wir schafften es bis zur Hälfte des Weges, wobei wir um jede Stufe kämpfen mußten. An der Spitze verbreiteten sich die Stufen zu der Treppe, deren Spiegelbild sich in Rebma befand. Sie führte zum großen Tor, zum östlichen Zugang nach Amber.
Noch waren etwa fünfzig Kämpfer vor uns. Dann vierzig, dreißig, zwanzig, ein Dutzend . . .
Wir hatten ungefähr zwei Drittel des Weges zurückgelegt, und die Treppe führte im Zickzack am Steilhang Kolvirs empor. Die Osttreppe wird selten benutzt, sie ist fast eine Art Verzierung. Ursprünglich hatten wir vorgehabt, durch das jetzt verbrannte Tal vorzustoßen, im Klettern einen Bogen zu schlagen nach Westen über die Berge; schließlich wollten wir von hinten in Amber einfallen. Das Feuer und Julian hatten diesen Plan zunichte gemacht. Den langen Weg hätten wir nie geschafft. Frontalangriff oder Kapitulation, das war jetzt die Alternative. Und Kapitulation kam nicht in Frage.
Drei weitere Krieger Erics stürzten in die Tiefe, und wir rückten um vier Stufen vor. Dann trat unser führender Mann die Reise in die Tiefe an, und wir mußten einen Schritt zurückweichen.
Der. Meereswind war scharf und kühl, und am Fuße des Berges versammelten sich die Aasvögel in Scharen. Die Sonne brach durch die Wolken, als Eric seine Wetterpfuscherei aufgab, nachdem wir uns nun mit seinen Leuten herumschlugen.
Wir kletterten sechs Stufen weiter und verloren einen Mann.
Es war seltsam und traurig und verrückt . . .
Bleys stand vor mir; bald kam die Reihe an ihn. Und wenn er unterging, mußte ich kämpfen.
Noch sechs Männer vor uns.
Zehn Stufen . . .
Fünf Männer waren noch übrig.
Langsam rückten wir vor, und so weit ich zurückschauen konnte, war auf jeder Stufe Blut geflossen.
Der fünfte Mann tötete vier Gegner, ehe er selbst fiel und uns zu einer weiteren Biegung der Treppe brachte.
Immer weiter ging es empor, unser dritter Mann schwenkte in jeder Hand eine Klinge. Nur gut, daß er hier einen heiligen Krieg ausfocht, so führte er jeden Hieb mit echtem Einsatz. Er fällte drei Mann, ehe er selbst starb.
Der nächste war nicht ganz so energisch oder nicht ganz so gut. Er stürzte sofort von der Treppe – da waren es nur noch zwei.
Bleys zog seine lange verzierte Klinge, und die Schneide funkelte in der Sonne.
»Bald, Bruder«, sagte er, »werden wir sehen, was sie gegen einen Prinzen ausrichten.«
»Hoffentlich nur gegen einen«, erwiderte ich, und er lachte leise.
Ich meine, daß wir noch etwa ein Viertel des Weges vor uns hatten, als Bleys schließlich doch an der Reihe war.
Er sprang vor und brachte den ersten Gegner sofort aus dem Gleichgewicht. Seine Schwertspitze bohrte sich in den Hals des zweiten, und die flache Klinge prallte gegen den Kopf des dritten, der ebenfalls abstürzte. Mit dem vierten duellierte er sich einen Augenblick lang und erledigte ihn ebenfalls.
Ich hatte die Klinge kampfbereit in der Hand, während ich die Auseinandersetzung verfolgte und langsam nachrückte.
Er war gut, sogar noch besser, als ich ihn in Erinnerung hatte. Er stürmte wie ein Wirbelwind vor, und seine Klinge blitzte förmlich vor Leben – und säte Tod. Die Gegner fielen reihenweise vor ihm. An diesem Tag behauptete er sich, wie es seinem Stande zukam. Ich fragte mich, wie lange er das durchhalten konnte.
Er hielt einen Dolch in der Linken und benutzte ihn mit brutaler Geschicklichkeit, sobald er eine Möglichkeit im Nahkampf sah. Er ließ die Klinge schließlich im Hals des elften Opfers stecken.
Die Schlange der Gegner schien kein Ende zu nehmen. Offenbar erstreckte sie sich bis zum Absatz am oberen Ende. Ich wünschte, daß ich nicht in den Kampf eingreifen müßte – und hätte fast schon zu hoffen gewagt.
Drei weitere Männer stürzten an mir vorbei, und wir erreichten einen kleinen Absatz und eine Biegung. Bleys räumte den Treppenabsatz und begann weiter emporzusteigen. Eine halbe Stunde lang beobachtete ich ihn, und die Gegner starben einer nach dem anderen. Ich hörte das ehrfürchtige Gemurmel der Männer hinter mir. Ich begann fast zu glauben, er könne es schaffen.
Er arbeitete mit allen Tricks. Er führte die gegnerischen Waffen und Augen mit seinem Mantel in die Irre. Er stellte den Kriegern manches Bein. Er umklammerte Handgelenke und zerrte mit voller Kraft daran.
Wieder erreichten wir einen Treppenabsatz. An seinem Ärmel schimmerte nun etwas Blut, doch er lächelte ständig, und die Krieger hinter den Männern, die er tötete, hatten totenbleiche Gesichter, als die Reihe an ihnen war, sich ihm zu stellen. Dies steigerte seinen Schwung. Und vielleicht trug die Tatsache, daß ich hinter Bleys bereitstand, noch mehr zu ihren Ängsten bei, machte sie langsamer, belastete ihre Nerven. Wie ich später erfuhr, wußten diese Männer von der Schlacht auf See.
Bleys kämpfte sich zum nächsten Treppenabsatz vor und stieg weiter. Ich hatte nicht geglaubt, daß er es so weit schaffen konnte. Ich glaubte auch nicht, daß ich Ähnliches vollbringen konnte.
Es war das phänomenalste Beispiel von Waffengeschick und Ausdauer, das ich gesehen hatte, seit Benedict in einer großartigen Leistung den Paß über Arden gegen die Mondreiter von Ghenesh verteidigt hatte.
Doch Bleys ermüdete langsam, das war zu erkennen. Wenn es nur eine Möglichkeit gegeben hätte, mich an ihm vorbeizuschieben . . .!
Aber die gab es nicht. Also folgte ich ihm und fürchtete jeden Streich, der sein letzter sein könnte.
Ich spürte, daß seine Kräfte erlahmten. Wir befanden uns noch hundert Fuß vom Ende der Treppe entfernt.
Mein Mitgefühl galt ihm. Er war mein Bruder, und er hatte mich gut behandelt. Ich glaube, er selbst bezweifelte in diesen Sekunden, daß er es schaffen würde – dennoch kämpfte er weiter wie ein Löwe – womit er mir die Chance auf den Thron eröffnete.
Er tötete drei weitere Männer, und bei jedem Gegner bewegte sich seine Klinge langsamer. Mit dem vierten duellierte er sich etwa fünf Minuten lang, ehe er ihn ausschalten konnte. Ich war sicher, daß der nächste sein letzter sein würde.
Aber das war nicht der Fall.
Als er den Mann umbrachte, wechselte ich meine Klinge in die linke Hand, zog mit der rechten meinen Dolch und schleuderte ihn.