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Während sie auftrug, einmassierte, pinselte und tupfte, überprüfte sie ihre Arbeit immer wieder auf einem speziell kalibrierten Monitor, der das Bild einer Kamera wiedergab, die auf den Reverend gerichtet war. Es war ungeheuer wichtig, dass sie ihr Werk so sah, wie es auf dem Fernsehbildschirm wirken würde – etwas, das mit bloßem Auge perfekt erschien, konnte auf dem Bildschirm scheußlich fleckig aussehen. So bearbeitete sie den Reverend zweimal die Woche: für seine Fernsehpredigt am Sonntag und seine Talkshow im christlichen Kabelfernsehen am Freitag.

Ja, der Reverend war ein wunderbarer Mann.

Reverend Don T. Spates fand Wandas professionelles Herumgepussel beruhigend und angenehm. Er hatte ein übles Jahr hinter sich. Seine Feinde hatten ihm zugesetzt, ihm jedes Wort im Munde herumgedreht und ihn erbarmungslos attackiert. Jede Predigt regte die atheistische Linke zu neuen Verunglimpfungen an. Das waren traurige Zeiten, wenn sogar ein Mann Gottes dafür angegriffen wurde, dass er die schlichte Wahrheit aussprach. Ja, da war dieser unselige Zwischenfall mit den beiden Prostituierten im Motel gewesen. Die gottlosen Lügner hatten sich das Maul darüber zerrissen. Aber das Fleisch ist schwach – wie die Bibel doch mehrmals bestätigte. In Christus’ Augen sind wir alle hoffnungslose Sünder, stets in Gefahr, vom Glauben abzufallen. Spates hatte um göttliche Vergebung gebeten und sie auch erhalten. Doch die scheinheilige, böse Welt vergab nur langsam, wenn überhaupt.

»Jetzt kommen die Zähne, Reverend.«

Spates öffnete den Mund und spürte, wie Wanda geschickt das elfenbeinweiße Fluid auftrug. Im grellen Scheinwerferlicht würden seine Zähne auf dem Fernsehbildschirm so weiß blitzen wie die Himmelspforte selbst.

Danach nahm sie sich sein Haar vor, kämmte und zupfte das drahtige, leicht orangerote Haar zur Helmfrisur, bis sie perfekt saß. Sie sprühte einen Hauch Haarspray darüber und trug dann noch feinsten Puder auf, um die Farbe zu einem respektableren, nur leicht rötlichen Braun zu dämpfen.

»Ihre Hände, bitte, Reverend.«

Spates streckte die sommersprossigen, altersfleckigen Hände unter dem Umhang hervor und legte sie auf ein Maniküretischchen. Sie beugte sich darüber und trug zunächst eine Grundierung auf, die Falten verminderte und Flecken verblassen ließ. Seine Hände mussten zu seinem Gesicht passen. Spates legte sogar besonderen Wert darauf, dass seine Hände perfekt aussahen. Sie waren eine Erweiterung seiner Stimme. Ein versautes Hand-Make-up konnte die Wirkung seiner Botschaft ruinieren, denn Nahaufnahmen beim Handauflegen enthüllten Makel, die man mit bloßem Auge kaum gesehen hätte.

Für die Hände brauchte sie fünfzehn Minuten. Sie kratzte die Fingernägel sauber, trug farblosen Unterlack auf, reparierte kleine Scharten, feilte die Nägel und schnitt überschüssige Hautstückchen ab. Schließlich bedeckte sie die Hände mit einem Make-up in der genau passenden Farbe.

Ein abschließender Check im Fernsehbildschirm, ein paar letzte Handgriffe, und Wanda trat zurück.

»Fertig, Reverend.« Sie drehte den Bildschirm zu ihm herum.

Spates musterte sich – Gesicht, Augen, Ohren, Lippen, Zähne, Hände.

»Dieser Fleck an meinem Hals, Wanda? Den haben Sie vergessen – schon wieder.«

Ein rascher Tupfer mit dem Schwämmchen, ein bisschen Puder, und der Fleck war verschwunden. Spates tat seine Zufriedenheit mit einem Brummen kund.

Wanda nahm ihm den Umhang ab und trat zurück. Spates’ Assistent Charles eilte aus den Kulissen herbei und brachte die Anzugjacke des Reverend. Spates erhob sich aus dem Sessel und streckte die Arme aus. Charles zog ihm das Jackett an, zupfte es zurecht, strich es glatt, bürstete noch einmal rasch darüber, klopfte die Schultern auf, kontrollierte den Kragen und rückte die Krawatte gerade.

»Wie sehen die Schuhe aus, Charles?«

Charles polierte die Schuhe mit einem weichen Tuch.

»Zeit?«

»Sechs Minuten vor acht, Reverend.«

Vor Jahren schon war Spates auf die Idee gekommen, seine Sonntagspredigt abends auszustrahlen, zur besten Sendezeit, um dem morgendlichen Gedränge der übrigen Fernsehprediger auszuweichen. Er nannte seine Sendung God’s Prime Time. Alle hatten ihm prophezeit, dass er es nie schaffen würde, sich gegen die starken Programme am Sonntagabend durchzusetzen. Doch seine Idee hatte sich als Geniestreich erwiesen.

Spates verließ den Raum in Richtung Bühne, Charles dicht auf den Fersen. Als er sich den Kulissen näherte, hörte er schon das leise Rascheln und Murmeln der Gläubigen – Tausenden von Gläubigen –, die ihre Plätze in der Silver Cathedral einnahmen, von der aus God’s Prime Time jeden Sonntag zwei Stunden lang gesendet wurde.

»Drei Minuten«, flüsterte Charles ihm ins Ohr.

Spates sog im Schatten der Kulissen tief die Luft ein. Die Menge draußen wurde still, als die Publikumsanweisungen über die Leinwände liefen und die Zeit seines Auftritts näher rückte.

Er fühlte, wie die Macht Gottes seinen Körper mit der Kraft des Heiligen Geistes belebte. Er liebte diesen Augenblick kurz vor der Predigt; er ließ sich mit nichts auf der Welt vergleichen, eine Woge aus sengenden Flammen, Triumph und jubelnder Vorfreude.

»Besetzte Plätze?«, fragte er Charles flüsternd.

»Etwa sechzig Prozent.«

Eine kalte Klinge fuhr mitten ins Herz seiner Freude. Sechzig Prozent – letzte Woche waren es siebzig gewesen. Noch vor einem halben Jahr hatten die Leute um Karten Schlange gestanden, jeden Sonntag wieder, und viele hatten keine mehr abbekommen. Doch seit dem Zwischenfall im Motel waren die telefonischen Spenden während der Sendung um die Hälfte zurückgegangen, und die Einschaltquote war um vierzig Prozent gesunken. Die Bastarde vom Christian Cable Service standen kurz davor, seine wöchentliche Talkshow abzusetzen. God’s Prime Time Ministry, die kleine Gemeinde, die er vor dreißig Jahren in einem aufgegebenen Supermarkt gegründet hatte, blickte der dunkelsten Nacht in ihrer Geschichte entgegen. Wenn nicht bald reichlich Geld in die Kasse floss, würde er die Zinsen und Rückzahlungen der Anleihen nicht mehr leisten können, die er unter dem Schlagwort »Kauf ein Stück von Jesus« über das Fernsehen an Hunderttausende Mitglieder seiner Gemeinde verkauft hatte, um den Bau der Silver Cathedral zu finanzieren.

Seine Gedanken kehrten zu der Besprechung mit diesem Lobbyisten, Booker Crawley, zurück. Ein Zeichen göttlicher Gnade, dass ihm gerade heute Crawleys Vorschlag in den Schoß gefallen war. Wenn er es geschickt anpackte, könnte dies genau das Thema sein, das er gesucht hatte, um seine virtuelle Gemeinde neu zu beleben und zu finanzieller Unterstützung aufzurütteln. Die Debatte »Evolution versus göttliche Schöpfung« war ein alter Hut, und es war nicht leicht, sie so darzustellen, dass sie wirklich zog – vor allem bei der großen Konkurrenz vieler anderer Fernsehprediger. Crawleys Thema jedoch war frisch und neu und wartete nur darauf, gepflückt zu werden.

Er wollte verdammt sein, wenn er diese köstliche Frucht nicht selbst pflückte – und zwar jetzt.

»Es ist so weit, Reverend«, ertönte Charles’ leise Stimme hinter ihm.

Die Scheinwerfer flammten auf, und die Menge brüllte vor Begeisterung, als Reverend Spates die Bühne betrat; er senkte den Kopf, faltete die Hände und hob sie rhythmisch in die Höhe.

»God’s Prime Time!«, rief er mit seiner klangvollen Bassstimme und reichlich Vibrato. »God’s Prime Time! Es naht die beste Zeit für den Ruhm und die Herrlichkeit Gottes!« In der Mitte der Bühne blieb er abrupt stehen, hob den Kopf und streckte die Arme den Zuschauern entgegen, als flehe er sie an. Seine Fingerspitzen zitterten. Seine Worte rollten wie eine Woge über das Publikum hinweg.