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Eddy ging in die Kirche, rückte die Stühle zurecht, bis sie wieder ordentliche Reihen bildeten, und fegte mit einem Handbesen den Sand von den Sitzflächen. Währenddessen dachte er an Lorenzo und wurde immer wütender, scheppernd riss er die Stühle auseinander und stieß sie grob an ihre Plätze. Das wäre eigentlich Lorenzos Arbeit gewesen.

Als er damit fertig war, holte er den großen Besen, ging zu dem hölzernen Podest, auf dem er seine Predigten hielt, und begann, auch dieses zu fegen. Da sah er Lorenzo im Hof erscheinen. Endlich. Der Navajo ging die drei Kilometer von Blue Gap hierher immer zu Fuß, und er hatte die Angewohnheit, lautlos einzutreffen, unerwartet, wie ein Geist.

Eddy richtete sich auf und stützte sich auf den Besenstiel, als der junge Navajo den Schatten der Kirche betrat.

»Hallo, Lorenzo«, sagte Eddy und bemühte sich, gelassen zu klingen. »Der Herr segne und schütze dich an diesem Tag.«

Lorenzo warf sich die langen Zöpfe über die Schulter zurück. »Hi.«

Eddy forschte in dem missmutigen Gesicht nach Anzeichen von Drogen-oder Alkoholrausch, doch Lorenzo wich seinem Blick aus, nahm ihm wortlos den Besen aus der Hand und machte sich an die Arbeit. Navajos waren schwer zu durchschauen, aber Lorenzo war besonders unzugänglich – ein schweigsamer Einzelgänger, der nur sich selbst zu vertrauen schien. Es war schwierig zu beurteilen, ob in diesem Kopf überhaupt etwas vorging, außer der Gier nach Drogen und Alkohol. Eddy konnte sich nicht erinnern, dass Lorenzo in seiner Gegenwart je einen einzigen vollständigen Satz gesprochen hätte. Kaum zu glauben, dass er an der Columbia University studiert, wenn auch keinen Abschluss gemacht hatte.

Er trat zurück und sah zu, wie Lorenzo fegte, langsam und ungeschickt, so dass er breite, sandige Streifen hinterließ. Eddy unterdrückte den Drang, Lorenzo jetzt gleich auf die Kollekte anzusprechen. Eddy hatte selbst kaum mehr genug zu essen und würde sich das Benzingeld schon wieder borgen müssen, und dieser Lorenzo stahl Gottes Geld, zweifellos, um damit Drogen oder Schnaps zu kaufen. Bei der Vorstellung, Lorenzo endlich damit zu konfrontieren, regte er sich immer mehr auf. Aber er musste erst abwarten, bis er von dem Ladenbesitzer hörte, denn er brauchte einen Beweis. Wenn er Lorenzo beschuldigte, und der Junge stritt alles ab – und das würde er, der kleine Lügner –, was konnte er dann ohne Beweise gegen ihn unternehmen?

»Lorenzo, wenn du hier fertig bist, könntest du dann bitte die neuen Kleiderspenden sortieren?« Er deutete auf mehrere Kartons, die am Freitag angekommen waren, gespendet von einer Kirche in Arkansas.

Der junge Indianer ließ ihn mit einem Brummen wissen, dass er verstanden hatte. Eddy beobachtete ihn noch einen Moment lang bei seiner schlampigen Kehrarbeit. Lorenzo war high, daran bestand kein Zweifel – er hatte die Kollekte gestohlen und sich davon Drogen gekauft. Jetzt würde Eddy nicht einmal mehr diese Woche überstehen, ohne sich Geld für Benzin und Essen leihen zu müssen.

Er bebte vor Zorn – doch er sagte nichts, wandte sich ab und marschierte steif zu seinem Trailer, um sein kärgliches Frühstück zuzubereiten.

9

Ford blieb auf der Schwelle des Stalls stehen. Die Montagmorgensonne fiel schräg herein und erleuchtete einen kleinen Sturm aus Staubflocken. Er hörte, wie sich die Pferde in ihren Boxen beim Fressen leicht bewegten. Er trat ein, schlenderte die Stallgasse entlang und blieb stehen, um sich das Pferd in der ersten Box anzusehen. Ein Paint Horse, das gerade an einem Maul voll Hafer kaute, blickte ihm entgegen.

»Howdy, Partner, wie heißt du denn?«

Das Pferd schnaubte laut und senkte dann das Maul wieder zum Hafer.

Am anderen Ende des Stalls klapperte ein Eimer. Ford drehte sich um und sah einen Kopf aus der letzten Box ragen: Kate Mercer.

Sie starrten einander an.

»Morgen«, sagte Ford und rang sich ein Lächeln ab, das hoffentlich locker wirkte.

»Morgen.«

»Stellvertretende Leiterin, Stringtheoretikerin, Köchin und … Stallbursche? Du bist eine vielseitig begabte Frau.« Er bemühte sich, das leichthin klingen zu lassen. Sie besaß nämlich noch weitere Talente, an die zu denken er möglichst vermied.

»Das könnte man so sagen.«

Sie drückte sich den behandschuhten Handrücken gegen die Stirn und kam dann mit einem Eimer voll Getreide auf ihn zu. Ein Strohhalm hatte sich in ihrem glänzenden Haar verfangen. Sie trug enge Jeans und eine uralte Jeansjacke über einem frischen weißen Männerhemd. Der Kragenknopf war offen, und er erhaschte einen Blick auf den gerundeten Ansatz ihrer Brüste.

Ford schluckte, und alles, was er herausbrachte, war ein dümmliches: »Du hast dir die Haare abschneiden lassen.«

»Haare neigen nun mal zum Wachsen, das ist richtig.«

Er ging nicht auf die Spitze ein. »Sieht hübsch aus«, sagte er freundlich.

»Das ist sozusagen meine Version einer traditionellen japanischen Frisur, die man umano-o nennt.«

Kates Frisur war schon immer ein empfindliches Thema gewesen. Ihre japanische Mutter wollte nicht, dass Kate irgendetwas Japanisches an sich hatte. In ihrem Haus durfte kein Japanisch gesprochen werden, und sie bestand darauf, dass Kate ihr Haar lang und offen trug, wie jedes amerikanische Durchschnittsmädchen. Kate hatte nachgegeben, was die Frisur anging, doch als ihre Mutter anzudeuten begann, dass Ford einen idealen, echt amerikanischen Ehemann abgeben würde, suchte Kate nur umso gründlicher nach seinen Fehlern und Mängeln.

Ford begriff plötzlich, was diese neue Frisur bedeuten musste. »Deine Mutter?«

»Sie ist vor vier Jahren verstorben.«

»Das tut mir leid.«

Kurze Pause. »Willst du ausreiten?«, fragte Kate.

»Ich hatte daran gedacht.«

»Ich wusste gar nicht, dass du reiten kannst.«

»Ich habe einen Sommer auf einer Pferderanch verbracht, als ich zehn war.«

»In diesem Fall würde ich dir nicht empfehlen, Snort zu reiten.« Sie wies mit einem Nicken auf das Paint Horse. »Wohin willst du denn ausreiten?«

Ford zog eine genaue Karte der Umgebung aus seiner Tasche und faltete sie auf. »Ich wollte nach Blackhorse, um den Medizinmann dort zu besuchen. Sieht so aus, als wären das mit dem Auto dreißig Kilometer auf furchtbar schlechten Straßen. Aber zu Pferd sind es nur knapp zehn Kilometer, wenn man den Pfad an der Rückseite der Mesa nimmt.«

Kate nahm ihm die Karte ab und begutachtete die Strecke. »Das ist der Midnight Trail. Nichts für unerfahrene Reiter.«

»Aber so spare ich mir die stundenlange Fahrerei.«

»Ich würde trotzdem lieber den Jeep nehmen.«

»Ich will da nicht in einem Auto voll hochoffizieller Regierungsembleme vorfahren.«

»Hm. Ich verstehe, was du meinst.«

Ein Schweigen entstand.

»Also schön«, sagte Kate. »Das richtige Pferd für dich ist Ballew.« Sie nahm ein Halfter von einem Haken, betrat eine Box und führte gleich darauf ein staubgraues Pferd mit Hirschhals, Rattenschwanz und einem dicken Heubauch heraus.

»Den wollte die Hundefutterfabrik wohl nicht nehmen.«

»Beurteile ein Pferd nie allein nach dem Aussehen. Der alte Ballew ist bombensicher. Und er ist klug genug, um beim Abstieg auf dem Midnight Trail Ruhe zu bewahren. Hol seinen Sattel und die Satteldecke von dem Ständer da, ich helfe dir beim Aufzäumen.«