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Er bemerkte einen Vorhang am Wohnwagen, der sich leicht bewegte, und schloss daraus, dass Begay ihn beobachtete.

Er fragte sich, wie lange der Kerl brauchen würde, um zu kapieren, dass Ford nicht die Absicht hatte, sich von der Stelle zu rühren. Hoffentlich begriff er es bald – der Sand drang allmählich durch seine Hose, arbeitete sich in seine Stiefel vor und rieselte bis in seine Socken.

Die Tür schlug knallend auf, und Begay erschien unter dem hölzernen Vorbau; er verschränkte die Arme und wirkte sehr verärgert. Er musterte Ford mit finsterem Blick, hinkte dann die klapprigen Holzstufen herunter und kam auf ihn zu. Er streckte die Hand aus und half Ford auf.

»Sie sind verdammt noch mal der geduldigste weiße Mann, dem ich je begegnet bin. Sie werden wohl reinkommen müssen. Aber bürsten Sie sich ab, ehe Sie mir mein neues Sofa ruinieren.«

Ford klopfte sich den Staub von der Hose und folgte Begay ins Wohnzimmer, wo sie sich setzten.

»Kaffee?«

»Ja, gern.«

Begay kam mit zwei Bechern Flüssigkeit zurück, so dünn wie Tee. Auch daran erinnerte Ford sich – der Grund dafür war Sparsamkeit. Die Navajos brühten den Kaffeesatz mehrmals auf.

»Milch? Zucker?«

»Nein, danke.«

Begay löffelte Unmengen Zucker in seinen Becher, gefolgt von einem kräftigen Schluck Kaffeesahne.

Ford sah sich inzwischen um. Das braune Sofa mit billigem Baumwollsamt-Bezug sah alles andere als neu aus. Begay mach-te es sich in einem kaputten Ledersessel bequem. Ein riesiger, teurer Fernseher stand in der Ecke, soweit Ford sehen konnte, das einzige wertvolle Stück in diesem Heim. Die Wand dahinter war mit Familienfotos bedeckt, auf denen oft junge Männer in Uniformen zu sehen waren.

Ford warf Begay einen neugierigen Blick zu. Der Medizinmann war völlig anders, als er erwartet hatte – weder ein hitzköpfiger junger Aktivist noch ein weiser, runzliger Ältester. Er war schlaksig, hatte ordentlich kurz geschnittenes Haar und sah aus wie Anfang vierzig. Statt der Cowboystiefel, die die meisten Navajo-Männer in Ramah trugen, hatte er knöchelhohe Sneakers an den Füßen, zerschrammt und ausgebleicht und mit halb abgelöstem Gummi an den Zehen. Das einzige Zugeständnis an seine indianische Identität war eine Halskette aus ungeschliffenen Türkisen.

»Also schön, was wollen Sie nun von mir?« Er sprach leise, mit einer Stimme so weich wie ein Holzblasinstrument und diesem seltsamen Navajo-Akzent, der jedem Wort eine besondere Bedeutung zu verleihen schien.

Ford wies mit einem Nicken auf die Fotowand. »Ihre Familie?«

»Neffen.«

»Sie sind beim Militär?«

»Bei der Army. Einer ist in Südkorea stationiert. Der andere, Lorenzo, hat eine Runde Irak hinter sich und ist jetzt …« Kurzes Zögern. »Wieder da.«

»Sie müssen sehr stolz auf sie sein.«

»Das bin ich.«

Wieder Schweigen. »Wie ich höre, organisieren Sie den berittenen Protestmarsch gegen das Isabella-Projekt.«

Keine Antwort.

»Nun, deshalb bin ich hier. Um mir Ihre Bedenken dagegen anzuhören.«

Begay verschränkte die Arme. »Es ist zu spät fürs Zuhören.«

»Geben Sie mir eine Chance.«

Begay ließ die Arme sinken und beugte sich vor. »Niemand hat die Leute hier in der Gegend damals gefragt, ob wir Isabella wollten. Das wurde alles in Window Rock ausgehandelt. Die kriegen das Geld, und wir kriegen gar nichts. Sie haben uns erzählt, es würden Arbeitsplätze entstehen – dann habt ihr Bauarbeiter von auswärts hergebracht. Sie haben uns erzählt, unsere Wirtschaft würde sich endlich entwickeln – aber ihr Leute da oben lasst euch Essen und Vorräte mit Lastwagen aus Flagstaff bringen. Nicht ein einziges Mal hat einer von euch in unseren Geschäften in Blue Gap oder Rough Rock eingekauft. Ihr habt eure Häuser in einem Anasazi-Tal gebaut, ihr habt Gräber entweiht und uns Weideland weggenommen, das wir regelmäßig benutzt haben, ohne jede Entschädigung. Und jetzt hören wir alles Mögliche über zerschossene Atome und gefährliche Strahlung.«

Er legte die großen Hände auf die Knie und funkelte Ford an.

Ford nickte. »Ich höre zu.«

»Schön, dass Sie nicht taub sind. Sie wissen so verdammt wenig über uns – ich wette, Sie wissen nicht mal, wie spät es ist.« Fragend zog er die Brauen hoch. »Na los, sagen Sie schon – was meinen Sie, wie spät es ist?«

Ford wusste, dass der andere ihm irgendeine Falle stellte, spielte aber mit. »Neun.«

»Falsch!«, rief Begay triumphierend. »Es ist zehn.«

»Zehn?«

»So ist es. Hier im Reservat sind wir das halbe Jahr lang in einer anderen Zeitzone als der Rest von Arizona, und das übrige halbe Jahr in derselben. Wenn Sie im Sommer ins Big Rez kommen, ist es hier eine Stunde später als im übrigen Staat. Stunden und Minuten sind sowieso eine Erfindung der Bilagaana, aber der springende Punkt ist: Ihr Genies da oben wisst so wenig über uns, dass ihr noch nicht mal eure Uhren richtig gestellt habt.«

Ford sah ihn gelassen an. »Mr. Begay, wenn Sie bereit sind, mit mir zusammenzuarbeiten, um wirklich etwas zu verändern, dann verspreche ich Ihnen, dass ich alles tun werde, was in meiner Macht steht. Sie haben einige berechtigte Einwände vorgebracht.«

»Was sind Sie überhaupt, Wissenschaftler?«

»Ich bin Ethnologe.«

Plötzlich herrschte Schweigen. Dann lehnte Begay sich gemächlich zurück. Ein trockenes Lachen schüttelte den mageren Mann. »Ein Ethnologe. Als wären wir irgendein primitiver Stamm von Eingeborenen. Oh, das ist ja todkomisch.« Er hörte auf zu lachen. »Also, ich bin Amerikaner, genau wie Sie. Ich habe Verwandte, die für dieses Land kämpfen. Es passt mir nicht, dass ihr hier raus zu meiner Mesa kommt, eine Maschine baut, die allen furchtbare Angst einjagt, einen Haufen Versprechungen macht, die ihr dann nicht einhaltet – und jetzt schickt ihr uns noch einen Ethnologen, als wären wir Wilde, die Tier-knochen in der Nase tragen.«

»Sie haben mich deshalb hierhergeschickt, weil ich einige Zeit in Ramah verbracht habe. Ich möchte Sie gern zum Isabella-Projekt einladen, damit Sie sich alles ansehen können, Sie mit Gregory Hazelius bekannt machen, Ihnen zeigen, was wir dort tun, und Ihnen das gesamte Team vorstellen.«

Begay schüttelte den Kopf. »Die Zeit für Führungen ist vorbei.« Er zögerte und fragte dann beinahe widerstrebend: »Was für Forschung betreiben Sie da oben eigentlich genau? Ich habe ein paar seltsame Geschichten gehört.«

»Wir erforschen den Urknall.«

»Was ist das?«

»Die Theorie, dass das Universum vor dreizehn Milliarden Jahren durch eine Explosion entstanden ist und sich seither immer weiter ausdehnt.«

»Mit anderen Worten, ihr steckt die Nase in die Angelegenheiten des Schöpfers.«

»Der Schöpfer hat uns sicher nicht umsonst mit Verstand ausgestattet.«

»Ihr da oben glaubt also nicht, dass ein Schöpfer das Universum erschaffen hat.«

»Ich bin Katholik, Mr. Begay. Ich sehe das so: Der Urknall war einfach die Art, wie Er es getan hat.«

Begay seufzte. »Wie ich schon sagte: Genug geredet. Wir reiten am Freitag auf die Mesa. Das ist die Nachricht, die Sie Ihrem Team ausrichten können. Und wenn Sie jetzt so freundlich wären, ich habe zu arbeiten.«

Ford ritt auf Ballew zurück zu der Stelle, wo der Steilpfad anfing. Er blickte zu den Felstürmen, Spalten und Klippen auf. Nun, da er wusste, dass Ballew die Serpentinen und schwierigen Passagen meistern konnte, brauchte er nicht mehr zu laufen. Er würde das alte Pferd dort hinaufreiten.