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Auf halbem Weg über die Mesa bremste Ford den Jeep ab, kniff die Augen gegen die Sonne zusammen und starrte durch die Windschutzscheibe.

»Was ist denn?«

»Da sind ganz schön viele Geier.«

»Na und?«

Er hielt den Wagen an und zeigte aus dem Fenster. »Sieh mal. Frische Reifenspuren, die von der Straße weg nach Westen führen – direkt auf die Geier zu.«

Sie weigerte sich, hinzuschauen.

»Ich will mir das mal ansehen.«

»Na toll. Ich werde jetzt schon die halbe Nacht drangeben müssen, um mit meinen Berechnungen fertig zu werden.«

Er parkte im schwächlichen Schatten eines Wacholderbuschs und folgte den Reifenspuren; seine Schritte knirschten auf dem trockenen, verkrusteten Boden. Es war immer noch sengend heiß, denn die Erde hatte die Hitze des Tages in sich aufgesogen und strahlte sie nun wieder ab. In der Ferne stahl sich ein Kojote davon, der irgendetwas im Maul trug.

Nach zehn Minuten erreichte Ford den Rand eines tiefen, schmalen, trockenen Bachbetts und blickte hinunter. Dort unten lag ein Auto auf dem Dach. Geier hockten wartend in einer toten Pinyon-Kiefer. Ein zweiter Kojote hatte den Kopf durch die geborstene Windschutzscheibe gesteckt, er riss und zerrte an irgendetwas. Als er Ford bemerkte, ließ er davon ab und rannte mit blutroter, heraushängender Zunge davon.

Ford kletterte die Sandsteinfelsen hinunter und musste sich das T-Shirt vor die Nase halten, um den Gestank des Todes, vermischt mit einem starken Geruch nach Benzin, etwas zu dämpfen. Die Geier erhoben sich als ungeschickt flatternde Masse. Er bückte sich und lugte ins Innere des zerschmetterten Wagens.

Ein menschlicher Körper war seitwärts auf dem Vordersitz eingeklemmt. Augen und Lippen fehlten. Ein Arm, der aus dem geborstenen Seitenfenster ragte, war abgenagt, die Hand fehlte ganz. Trotz allem war die Leiche noch zu erkennen.

Wolkonski.

Ford blieb still hocken, seinem Blick entging kein noch so kleines Detail. Dann wich er zurück, achtete sorgsam darauf, keine Spuren zu zerstören, drehte sich um und krabbelte wieder aus dem Bachbett. Sobald es möglich war, atmete er ein paarmal tief die frische Luft ein und rannte dann zur Straße zurück. In der Ferne konnte er vor einer Anhöhe die Umrisse zweier Kojoten sehen, die sich kläffend um ein schlaffes Stück Fleisch stritten.

Er erreichte den Wagen und beugte sich durchs offene Seitenfenster. Kate stand die Missbilligung ins Gesicht geschrieben.

»Es ist Wolkonski«, sagte er. »Es tut mir leid, Kate … Er ist tot.«

Sie blinzelte und schnappte nach Luft. »O Gott … Bist du sicher?«

Er nickte.

Ihre Unterlippe bebte. Dann fragte sie mit heiserer Stimme: »Ein Unfall?«

»Nein.«

Ford schluckte gegen eine leichte Übelkeit an, zog sein Handy aus der Hosentasche und rief die Polizei an.

15

Lockwood betrat das Oval Office, und der dicke Teppich schluckte das Geräusch seiner Schritte. Wie immer fand er es erregend, dem stillen Mittelpunkt der Macht auf dieser veränderlichen Welt so nahe zu sein.

Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika kam um seinen Schreibtisch herum mit ausgestreckter Hand auf ihn zu, ein strahlendes Politiker-Lächeln im Gesicht.

»Stanton! Schön, Sie zu sehen. Wie geht es Betsy und den Kindern?«

»Großartig, danke sehr, Mr. President.«

Der Präsident hielt Lockwoods Hand weiter fest, legte die andere an seinen Arm und führte ihn so zu dem Sessel, der dem Schreibtisch am nächsten stand. Lockwood setzte sich und legte die Akten auf seinen Knien ab. Durch das Fenster, das nach Osten hinausging, konnte er den Rosengarten im sanften, spätsommerlichen Abendlicht sehen. Der Stabschef, Roger Morton, trat ein und nahm in einem weiteren Sessel Platz, während Jean, die Sekretärin des Präsidenten, sich auf dem dritten niederließ, bereit, sich Notizen zu machen, und zwar auf die altmodische Art – mit einem Stenoblock.

Ein massiger Mann im dunkelblauen Anzug trat ein und setzte sich, ohne eine Einladung abzuwarten, auf den Sessel neben Lockwood. Das war Gordon Galdone, der die Kampagne zur Wiederwahl des Präsidenten leitete. Lockwood konnte den Mann nicht ausstehen. In letzter Zeit war der Kerl dabei, wo man hinsah, bei jeder Besprechung, einfach überall. Nichts wurde ohne seinen Segen entschieden oder veranlasst.

Der Präsident nahm wieder hinter seinem Schreibtisch Platz. »Also schön, Stan, Sie fangen an.«

»Ja, Mr. President.« Lockwood zog eine Aktenmappe hervor. »Ist Ihnen ein Fernsehprediger namens Don T. Spates ein Begriff? Er leitet von Virginia Beach aus eine virtuelle Gemeinde, die sich God’s Prime Time Ministry nennt.«

»Sie meinen den Kerl, den sie dabei erwischt haben, wie er es gleich mit zwei Nutten getrieben hat?«

Die Herren im Raum glucksten dezent. Der Präsident, ein ehemaliger Strafverteidiger aus den Südstaaten, war für seine unverblümte Ausdrucksweise bekannt.

»Ja, Sir, genau den meine ich. Er hat in seiner Sonntagspredigt im christlichen Kabelfernsehen das Isabella-Projekt zum Thema gemacht. Hat richtig vom Leder gezogen. Im Wesentlichen behauptet er, dass die Regierung vierzig Milliarden an Steuergeldern dafür ausgegeben hat, das Buch Genesis zu widerlegen.«

»Das Isabella-Projekt hat doch nichts mit der Genesis zu tun.«

»Selbstverständlich. Das Problem ist, dass er damit anscheinend einen Nerv getroffen hat. Soweit mir bekannt ist, haben einige Senatoren und Kongressabgeordnete zahlreiche E-Mails und Anrufe diesbezüglich erhalten. Und jetzt auch Ihr eigenes Büro. Diese Sache ist so groß, dass wir irgendwie darauf reagieren sollten.«

Der Präsident wandte sich an seinen Stabschef. »Ist das auch auf Ihrem Radarschirm aufgetaucht, Roger?«

»Bisher fast zwanzigtausend E-Mails, sechsundneunzig Prozent davon gegen Isabella.«

»Zwanzigtausend?«

»Ja, Sir.«

Lockwood warf einen Seitenblick auf Galdone. Dessen steinerne Miene gab rein gar nichts preis. Galdones typische Methode war, abzuwarten und als Letzter zu sprechen. Lockwood hasste Leute, die so vorgingen.

»Wir sollten im Kopf behalten«, sagte Lockwood, »dass zweiundfünfzig Prozent der amerikanischen Bevölkerung nicht an die Evolution glauben – und bei denen, die sich selbst als Republikaner bezeichnen, sind es sogar achtundsechzig Prozent. Die Attacke gegen Isabella fällt genau in dieses Raster. Das könnte eine Art Glaubensfrage werden – und damit sehr hässlich.«

»Woher haben Sie diese Zahlen?«

»Aus einer Gallup-Umfrage.«

Der Präsident schüttelte den Kopf. »Wir bleiben bei unserer Linie. Amerika muss auf den Gebieten der Forschung und Technologie weltweit konkurrenzfähig bleiben, und dafür brauchen wir das Isabella-Projekt. Nachdem wir jahrelang hinterhergehinkt sind, haben wir nun die Europäer und die Japaner überholt. Das Isabella-Projekt ist gut für die Wirtschaft, gut für unsere Forschung und Entwicklung, gut fürs Geschäft. Es könnte uns helfen, unseren Energiebedarf zukünftig selbst zu decken, und uns unabhängig vom Öl aus dem Nahen Osten machen. Stan, geben Sie dahin gehend eine Presse erklärung raus, organisieren Sie eine Pressekonferenz, machen Sie ein bisschen Lärm. Wir bleiben bei unserer Message.«

»Ja, Mr. President.«

Nun war Galdone an der Reihe. Sein massiger Körper rutschte auf dem Sessel herum. »Wenn das Isabella-Projekt jede Menge gute Nachrichten hervorbringen würde, wären wir nicht so angreifbar.« Er wandte sich Lockwood zu. »Dr. Lockwood, können Sie uns sagen, wann die Probleme da draußen endlich behoben sein werden?«

»In allerhöchstens einer Woche«, sagte er. »Wir haben die Sache im Griff.«

»Eine Woche ist sehr lang«, sagte Galdone, »wenn ein Mann wie Spates die Buschtrommel rührt und schon mal die Gewehre ölt.«

Lockwood verzog ob dieser Mischung von Metaphern das Gesicht. »Mr. Galdone, ich möchte Ihnen versichern, dass wir alles in unserer Macht Stehende unternehmen.«