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Hazelius blickte zu dem Visualizer auf, stutzte und machte ein überraschtes Gesicht. Er drehte sich um. »Rae? Was ist denn mit dem Visualizer los?«

»Keine Ahnung. Ich bekomme ständig kohärente Daten von den Detektoren. Bei mir sieht es nicht so aus, als sei Isabella abgestürzt.«

»Wie würden Sie das Ding auf dem Monitor interpretieren?«

Chen blickte auf, und ihre Augen weiteten sich. »Himmel. Ich habe keine Ahnung.«

»Es bewegt sich«, sagte Dolby. »Es … Na ja, ich glaube, es wird deutlicher.«

Die Detektoren sangen, und ihr hohes Summen ließ den Raum vibrieren.

»Rae, das ist nur Datenschrott«, erwiderte Edelstein. »Der Computer ist abgestürzt – wie könnte er da noch echte Daten liefern?«

»Ich weiß nicht, ob das wirklich Schrott ist«, sagte Hazelius, der immer noch den Monitor anstarrte. »Michael, was meinen Sie?«

Der Teilchenphysiker starrte wie gebannt auf das Bild. »Das verstehe ich nicht. Die Farben und Formen korrespondieren überhaupt nicht mit irgendwelchen Teilchenladungen oder -klassen. Es ist nicht mal radial um K-Null zentriert – sieht aus wie eine seltsame, magnetisch gebundene Plasmawolke.«

»Ich sage euch«, drängte Dolby, »es bewegt sich, es kommt heraus. Das ist wie ein … Herrgott, was zum Teufel ist das?« Er kniff fest die Augen zu, kämpfte gegen Kopfschmerz und Erschöpfung. Vielleicht hatte er schon Halluzinationen. Er öffnete die Augen. Das Ding war immer noch da – und dehnte sich weiter aus.

»Abschalten! Sofort Isabella abschalten!«, schrie Mercer.

Plötzlich war nur noch flimmernder Grieß zu sehen, dann wurde der Monitor pechschwarz.

»Was zur Hölle …?«, rief Chen und tippte hektisch auf ihrer Tastatur herum. »Ich habe keinen Zugriff mehr!«

Mitten auf dem Monitor erschienen langsam zwei Worte. Schweigen senkte sich über die Gruppe, alle starrten hinauf. Sogar Wolkonski, der vor Aufregung recht laut geworden war, verstummte mitten im Wort. Niemand rührte sich.

Dann begann Wolkonski zu lachen, ein angespanntes, schrilles Lachen, hysterisch, verzweifelt.

Dolby packte die Wut. »Du Scheißkerl, du hast das getan.«

Wolkonski schüttelte den Kopf, dass seine fettigen Locken flogen.

»Findest du das etwa komisch?«, fragte Dolby und stand mit geballten Fäusten von seiner Workstation auf. »Du beschissener Hacker ruinierst ein Vierzig-Milliarden-Dollar-Projekt und findest das komisch?«

»Ich nichts hacken«, sagte Wolkonski und wischte sich den Mund ab. »Halt deine Maul.«

Dolby drehte sich zu den anderen um. »Wer war das? Wer hat an Isabella herumgespielt?« Dann drehte er sich wieder zu dem Visualizer um und las laut die beiden Worte vor, die dort in der Schwärze hingen – vor lauter Wut spuckte er sie förmlich aus. »SEID GEGRÜSST.«

Er wandte sich ab. »Ich bringe den Scheißkerl um, der das getan hat.«

September

2

Wyman Ford blickte sich im Büro von Dr. Stanton Lockwood III. um, dem wissenschaftlichen Berater des Präsidenten, der seinen Amtssitz in der 17th Street hatte. Aus langjähriger Erfahrung in Washington wusste Ford, dass ein solches Büro zwar stets so eingerichtet war, dass es den äußeren Eindruck, die öffentliche Persona eines Menschen, repräsentierte, doch irgendetwas darin verriet einem immer auch ein wenig über die wahre Persönlichkeit. Ford ließ den Blick durch den Raum schweifen, auf der Suche nach diesem Geheimnis.

Das Büro war in dem Stil eingerichtet, den Ford als »WWMM« bezeichnete – Wichtiger Washingtoner Machtmensch. Die Antiquitäten waren sämtlich echt und von allerbester Qualität, von dem Schreibtisch im Stil des zweiten Empire, so mächtig und hässlich wie ein Hummer-Jeep, bis hin zu der vergoldeten französischen Kaminuhr und dem dezenten Sultanabad-Teppich. Alles in diesem Raum hatte ein verdammtes Vermögen gekostet. Und natürlich war da noch die obligatorische Wand, an der gerahmte Diplome, Ehrenurkunden, Auszeichnungen und Fotos des Büroinhabers mit diversen Präsidenten, Botschaftern und Mitgliedern der Regierung zur Schau gestellt wurden.

Stanton Lockwood wollte, dass die Welt ihn als bedeutenden und wohlhabenden Mann wahrnahm, einflussreich, aber diskret. Doch Ford nahm vor allem wahr, wie grimmig Lockwood sich um diesen Eindruck bemühte. Hier hatte er es mit einem Mann zu tun, der wild entschlossen war, etwas zu sein, das er nicht ist.

Lockwood wartete, bis sein Gast Platz genommen hatte, bevor er sich auf dem Sessel auf der anderen Seite der Sitzecke niederließ. Er schlug ein Bein über und strich mit langen, weißen Fingern über die Bügelfalte seiner Hose. »Sparen wir uns die üblichen Washingtoner Formalitäten«, sagte er. »Nennen Sie mich Stan.«

»Wyman.« Er lehnte sich zurück und musterte Lockwood: gutaussehend, Ende fünfzig, mit einem Hundert-Dollar-Haarschnitt, die Fitnessstudio-Figur in einem anthrazitfarbenen Anzug bestens zur Geltung gebracht. Vermutlich Squashspieler. Sogar das Foto auf dem Schreibtisch von drei perfekten, flachsblonden Kindern mit ihrer attraktiven Mutter wirkte so individuell wie die Aktienfonds-Werbung einer Bank.

»Also«, begann Lockwood in einem Kommen-wir-zur-Sache-Tonfall. »Ich habe nur das Beste über Sie gehört, Wyman, von Ihren ehemaligen Kollegen in Langley. Dort bedauert man Ihren Weggang sehr.«

Ford nickte.

»Es ist schrecklich, was Ihrer Frau zugestoßen ist. Mein aufrichtiges Beileid.«

Ford zwang seinen Körper, sich nicht zu versteifen. Er wusste bis heute nicht, wie er damit umgehen sollte, wenn jemand seine verstorbene Frau erwähnte.

»Man hat mir berichtet, Sie hätten zwei Jahre in einem Kloster verbracht.«

»Fast drei Jahre.«

»Aber das Leben im Kloster war dann doch nichts für Sie?«

»Nur ganz spezielle Menschen eignen sich wirklich zum Mönch.«

»Sie haben also das Kloster verlassen und sich selbständig gemacht.«

»Man muss schließlich von irgendetwas leben.«

»Und, schon interessante Fälle?«

»Überhaupt keinen Fall bisher. Sie sind mein erster Klient – falls es bei dieser Besprechung um einen Auftrag geht.«

»So ist es. Ich habe eine besondere Aufgabe für Sie, und Sie müssten sofort anfangen. Ich werde Sie zehn Tage brauchen, vielleicht auch zwei Wochen.«

Ford nickte.

»Es gibt da einen kleinen Haken, den ich lieber gleich offen ansprechen möchte. Sobald ich Ihnen Einzelheiten über diesen Auftrag genannt habe, dürfen Sie ihn nicht mehr ablehnen. Ihr Einsatzgebiet befindet sich in den Vereinigten Staaten, es besteht keinerlei Risiko, und der Auftrag wird nicht schwer zu erfüllen sein – zumindest meiner Ansicht nach. Aber ob Sie es schaffen oder versagen, Sie dürfen niemals darüber sprechen, also fürchte ich, Sie werden Ihre Referenzenliste nicht damit schmücken können.«

»Und die Bezahlung?«

»Einhunderttausend Dollar in bar, unter der Hand, plus ein offizielles Honorar nach G-elf, Ihrem verdeckten Einsatz angemessen.« Er zog die Augenbrauen hoch. »Wollen Sie mehr hören?«

Er zögerte nicht. »Nur zu.«

»Sehr schön.« Lockwood zog eine Aktenmappe aus dem Stapel. »Wie ich sehe, haben Sie in Harvard einen Abschluss in Ethnologie gemacht. Wir brauchen einen Ethnologen.«

»Dann fürchte ich, dass ich doch nicht der Richtige für Sie bin. In Ethnologie habe ich nur den Bachelor gemacht. Dann bin ich ans MIT und habe dort in Kybernetik promoviert. Bei meiner Tätigkeit für die CIA hatte ich es hauptsächlich mit Kryptologie und Computern zu tun.«

Lockwood machte eine wegwerfende Handbewegung, wobei sein Princeton-Ring im Licht aufblitzte. »Nicht wichtig. Sagt Ihnen das, äh, Isabella-Projekt etwas?«

»Wer hätte davon noch nicht gehört?«

»Dann verzeihen Sie, wenn ich etwas wiederhole, was Sie vielleicht schon wissen. Isabella wurde vor über zwei Monaten fertiggestellt – für insgesamt vierzig Milliarden Dollar. Ein ungeheuer leistungsfähiger Teilchenbeschleuniger der zweiten Generation für Super-Collider-Experimente. Er wurde gebaut, um die Energieverhältnisse des Urknalls zu erforschen und irgendwelche exotischen Ideen für die Energiegewinnung zu testen. Das ist das Lieblingsprojekt unseres Präsidenten – die Europäer haben schließlich gerade den Large Hadron Collider beim CERN fertiggebaut, und er wollte die amerikanische Führung in der Teilchenphysik nicht einfach abgeben.«