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»Aha.« Eddy trank einen Schluck Kaffee und verbrannte sich daran den Mund.

»Er hat gesagt, Sie hätten Geldscheine markiert und ihn gebeten, die Augen danach offen zu halten.«

Eddy wartete.

»Also, gestern sind ein paar dieser Scheine aufgetaucht.«

»Ich verstehe.« Eddy schluckte. Gestern?

»Das ist eine unangenehme Sache«, sagte Bia, »deshalb hat der Händler sich auch an mich gewandt, statt Sie direkt anzurufen. Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür, wenn ich Ihnen erst erklärt habe, warum. Ich will die Sache nicht unnötig aufbauschen.«

»Schon klar.«

»Kennen Sie die alte Benally? Elizabeth Benally?«

»Natürlich, sie besucht meine Gottesdienste.«

»Früher hat sie jeden Sommer ihre Schafe oben auf der Mesa geweidet und derweil in einem alten Hogan da oben gewohnt, in der Nähe von Piute Spring. Das war nicht ihr Land, sie hatte kein Recht dazu, aber sie hat diese Weiden fast ihr Leben lang genutzt. Als die Stammesregierung die Mesa für dieses Isabella-Projekt geräumt hat, hat sie ihr Weideland verloren und musste ihre Schafe verkaufen.«

»Tut mir leid, das zu hören.«

»War im Grunde nicht übel für sie. Sie ist schon über siebzig und hat von der Regierung ein nettes Häuschen drüben in Blue Gap zugewiesen bekommen. Das Problem ist, dass man mit einem solchen Haus plötzlich Stromrechnungen bekommt, Wasserrechnungen und so weiter – Sie verstehen, was ich meine? Sie hatte in ihrem ganzen Leben noch nie eine Rechnung zu bezahlen. Und jetzt lebt sie nur noch von ihrer Rente, weil sie ja keine Schafe mehr hat.«

Er sagte, er verstehe schon.

»Na ja, diese Woche hat ihre Enkelin Geburtstag, sie wird zehn, und gestern hat die gute alte Benally ihr im Laden im Ort einen Gameboy gekauft – hat ihn als Geschenk verpacken lassen, mit allem Drum und Dran.« Er hielt inne und sah Eddy mit festem Blick an. »Sie hat ihn mit Ihren markierten Scheinen bezahlt.«

Eddy saß da und starrte Bia an.

»Ich weiß. Ganz schöne Überraschung.« Bia zog seine Geldbörse aus der hinteren Hosentasche. Seine große, staubige Hand holte einen Fünfziger heraus und schob ihn über den Tisch. »Aber es lohnt sich nicht, daraus eine große Sache zu machen.«

Eddy konnte sich nicht rühren.

Bia erhob sich und steckte die Brieftasche wieder ein. »Wenn so etwas noch einmal vorkommt, sagen Sie mir Bescheid, und ich ersetze den Schaden. Wie gesagt, ich fände es wenig sinnvoll, das Ganze offiziell zu machen, Anzeige zu erstatten und so weiter. Wahrscheinlich ist sie sowieso nicht ganz zurechnungsfähig.« Er nahm seinen Hut vom Tisch und stülpte ihn wieder über sein schweißnasses schwarzes Haar.

»Danke für Ihr Verständnis, Pastor.«

Er wandte sich zum Gehen, hielt aber noch einmal inne. »Und wenn Sie Lorenzo sehen, sagen Sie mir kurz Bescheid, ja?«

»Mache ich, Lieutenant.«

Pastor Russ Eddy sah zu, wie Lieutenant Bia zur Tür hinausging, verschwand und dann im Fenster wieder auftauchte, als er über den Hof ging. Genau über der Stelle, wo der Leichnam vergraben war, wirbelten seine Cowboystiefel kleine Staubfähnchen auf.

Eddys Blick fiel auf die schmuddelige Fünfzig-Dollar-Note, und ihm wurde schlecht. Dann wurde er zornig. Sehr zornig.

22

Ford betrat sein Wohnzimmer, stellte sich ans Fenster und betrachtete den krummen Umriss des Nakai Rock, der über den Pappeln aufragte. Er hatte seinen Auftrag erfüllt und stand nun vor der Entscheidung: Sollte er darüber Bericht erstatten?

Er ließ sich in einen Sessel fallen und schlug die Hände vors Gesicht. Kate hatte recht: Wenn diese Neuigkeit nach außen drang, würde das Projekt es vermutlich nicht überstehen. Diese Sache würde die Karrieren aller Beteiligten ruinieren – Kates eingeschlossen. In der wissenschaftlichen Welt war schon der Verdacht einer Vertuschung oder Lüge ein absoluter Karriere-Killer.

Zufrieden?, fragte er sich erneut.

Er stand auf und ging ärgerlich auf und ab. Lockwood hatte von Anfang an gewusst, dass Ford die Antwort ausgraben würde, indem er Kate fragte. Er war nicht engagiert worden, weil er ein ach so brillanter ehemaliger CIA-Agent war, der sich selbständig gemacht hatte, sondern weil er zufällig etwas mit einer bestimmten Frau gehabt hatte, vor zwölf Jahren. Er hätte Lockwood auf seinem Auftrag sitzenlassen sollen, als er noch die Chance dazu gehabt hatte. Aber er hatte den Auftrag spannend gefunden. Sich geschmeichelt gefühlt. Und er musste sich eingestehen, dass die Vorstellung, Kate wiederzusehen, ihn sehr gereizt hatte.

Einen Moment lang sehnte er sich nach seinem Leben im Kloster, nach jenen dreißig Monaten, in denen ihm das Leben so einfach, so klar erschienen war. Dort hatte er beinahe vergessen, wie schrecklich grau und zwiespältig die Welt war, und welche unmöglichen moralischen Entscheidungen sie einem aufzwang. Doch er wäre nie ein guter Mönch geworden. Er war ins Kloster gegangen in der Hoffnung, seinen Glauben an sich selbst, seine Zuversicht wiederzufinden. Aber das Kloster hatte bei ihm genau das Gegenteil bewirkt.

Er senkte den Kopf und versuchte zu beten, doch das waren bloß Worte. Worte in der Stille.

Vielleicht gab es so etwas wie richtig oder falsch gar nicht mehr – die Menschen taten eben, was sie taten. Er traf seine Entscheidung. Auf keinen Fall würde er etwas unternehmen, was Kates Karriere schaden könnte. Sie hatte in ihrem Leben schon genug Tiefschläge einstecken müssen. Er würde ihnen noch zwei Tage geben, die Malware aufzuspüren. Und er würde ihnen dabei helfen. Er vermutete stark, dass der Saboteur ein Mitglied des Teams war. Niemand sonst hätte Zugang zum Computer oder das nötige Fachwissen.

Ford trat aus der Haustür und machte eine langsame Runde ums Haus, als wolle er frische Luft schnappen, um sich zu vergewissern, dass Wardlaw sich nicht hier herumtrieb. Dann ging er ins Schlafzimmer, schloss einen Schrank auf und holte seine Aktentasche heraus. Er tippte den Zifferncode ein, schloss den Aktenkoffer auf, holte das Telefon heraus und wählte die Nummer.

Lockwood meldete sich so schnell, dass Ford meinte, der wissenschaftliche Berater müsse neben dem Telefon gewartet haben.

»Neuigkeiten?«, fragte Lockwood atemlos.

»Nicht viel.«

Ein scharfes, ungeduldiges Seufzen von Lockwood. »Sie hatten schon vier Tage Zeit, Wyman.«

»Sie bekommen Isabella einfach nicht richtig zum Laufen. Allmählich glaube ich, Sie könnten sich geirrt haben, Stan. Die versuchen hier nichts zu vertuschen. Es ist genau so, wie sie sagen – die Maschine funktioniert einfach nicht richtig, und sie kriegen das nicht hin.«

»Verdammt noch mal, Ford, das kaufe ich Ihnen nicht ab!«

Er konnte Lockwood ins Telefon atmen hören. Auch Lockwoods Karriere stand hier auf dem Spiel. Doch Ford war der Mann völlig egal. Sollte er daran zugrunde gehen. Nur Kate war ihm wichtig. Wenn er ihnen ein bisschen mehr Zeit erkaufen konnte, um den Computerwurm zu finden, musste Lockwood überhaupt nicht erst davon erfahren.

Lockwood fuhr fort: »Sie haben sicher von diesem Evangelisten Spates und seiner Fernsehpredigt gehört?«

»Ja.«

»Das verkürzt unseren Zeitrahmen. Sie haben noch zwei, maximal drei Tage, ehe wir den Stecker rausziehen müssen. Wyman, finden Sie heraus, was diese Leute verheimlichen – haben Sie mich verstanden? Finden Sie es heraus!«

»Ich verstehe.«

»Sie haben Wolkonskis Haus durchsucht?«

»Ja.«

»Haben Sie etwas gefunden?«

»Nichts Besonderes.«

Schweigen von Lockwood, dann: »Ich habe gerade den vorläufigen Bericht der Gerichtsmedizin über Wolkonski bekommen. Sieht immer mehr nach Selbstmord aus.«

»Aha.«

Ford hörte Papier rascheln.

»Ich habe außerdem die Nachforschungen anstellen lassen, um die Sie gebeten haben. Was Cecchini angeht … Die Sekte hieß Heaven’s Gate. Vielleicht erinnern Sie sich, das war diese Sekte, deren Mitglieder neunzehnhundertsiebenundneunzig Massenselbstmord verübt haben, weil sie glaubten, ihre Seelen würden von einem außerirdischen Raumschiff aufgenommen werden, das sich im Schatten des Kometen Hale-Bopp der Erde näherte? Cecchini hat sich der Sekte fünfundneunzig angeschlossen, ist aber kaum ein Jahr dabeigeblieben und vor dem Massenselbstmord ausgestiegen.«