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»Gibt es Hinweise darauf, dass er immer noch daran glaubt? Der Kerl kommt mir ein bisschen vor wie ein Roboter.«

»Die Sekte existiert nicht mehr, und es gibt keine Hinweise darauf, dass er noch daran glaubt. Seitdem führt er ein ganz normales Leben – ein bisschen einsam vielleicht. Trinkt nicht, raucht nicht, offenbar keine Freundinnen, und sehr wenig Freunde. Sein Leben dreht sich nur um seinen Beruf. Der Mann ist ein brillanter Physiker – geht völlig in seiner Arbeit auf.«

»Und Chen?«

»In ihrem Dossier steht, dass ihr Vater ein einfacher Arbeiter gewesen sei, Analphabet, gestorben, bevor sie und ihre Mutter aus China emigriert sind. Das stimmt nicht. Er war Physiker und hat auf dem chinesischen Atomwaffen-Testgelände in Lop Nor gearbeitet. Und er lebt noch, allerdings in China.«

»Wie ist die falsche Information in das Dossier gelangt?«

»Aus der Akte der Einwanderungsbehörde – und durch Chens eigene Angaben.«

»Sie lügt also.«

»Nicht unbedingt. Ihre Mutter hat sie aus China weggebracht, als sie zwei Jahre alt war. Könnte sein, dass die Mutter sie belogen hat. Aber es könnte eine weitere harmlose Erklärung für diese falschen Behauptungen geben: Die Mutter hätte kein Visum für die Einreise nach Amerika bekommen, wenn sie die Wahrheit gesagt hätte. Chen weiß vielleicht gar nicht, dass ihr Vater noch lebt. Wir haben keinerlei Hinweise darauf, dass sie Informationen über das Projekt weitergibt.«

»Hmm.«

»Uns läuft die Zeit davon, Wyman. Hängen Sie sich rein. Ich weiß, dass die irgendetwas verheimlichen – ich weiß es einfach.«

Lockwood legte auf.

Ford trat wieder ans Fenster und starrte auf den Nakai Rock. Nun war er einer von ihnen – er hütete das Geheimnis mit. Doch im Gegensatz zu ihnen hatte er mehr als nur ein Geheimnis.

23

Um zwanzig nach elf raste Pastor Russ Eddy in seinem zerbeulten 1989er Ford Pick-up die brandneue, asphaltierte Straße entlang, die quer über die Red Mesa führte. Der Wind, der durch die offenen Fenster hereinwehte, ließ die Seiten der King-James-Bibel auf dem Beifahrersitz flattern, und sein Puls hämmerte von einer Mischung aus Verwirrung, Wut und Angst. Der Dieb war also doch nicht Lorenzo gewesen. Trotzdem, Lorenzo war betrunken gewesen, aufsässig – und er hatte Gott, den Herrn, auf abscheuliche Weise gelästert. Eddy hatte mit seinem Tod praktisch nichts zu tun – Lorenzo hatte sich selbst gerichtet. Doch letzten Endes gehorchte alles Gottes Plan. Und Gott wusste, was Er tat.

Gottes Wege sind unergründlich.

Das sagte er sich immer wieder vor. Sein Leben lang hatte er auf seine Berufung gewartet – darauf, dass Gott ihm seine wahre Aufgabe enthüllte. Es war ein langer, beschwerlicher Weg gewesen. Gott hatte ihn so streng geprüft wie Hiob, ihm seine Frau und sein Kind durch die Scheidung genommen, ihm seine Karriere genommen, sein Geld, seine Selbstachtung.

Und nun diese Sache mit Lorenzo. Lorenzo hatte sich der Blasphemie schuldig gemacht, er hatte Gott und Jesus mit den abscheulichsten Worten geschmäht, und Gott hatte ihn vor Eddys eigenen Augen dafür mit dem Tod bestraft. Vor seinen Augen. Aber Lorenzo war nicht der Dieb gewesen: Eddy hatte ihn zu Unrecht beschuldigt. Was hatte das zu bedeuten? Wo war Gottes Wille bei alldem? Was hatte Gott mit ihm vor?

Gottes Wege sind unergründlich.

Der Pick-up hustete und ratterte den glänzenden schwarzen Asphalt entlang, nahm eine weite Kurve, fuhr zwischen Sandsteinklippen hindurch – und dort unter ihm lag eine Ansammlung von Adobe-Häusern, halb unter Pappeln verborgen. Rechts von ihm, etwa anderthalb Kilometer entfernt, befanden sich die beiden neuen Start-und Landebahnen des kleinen Flugplatzes und ein paar große Hangars. Jenseits davon, am Rand der Mesa, war der Isabella-Komplex selbst, umgeben von doppelten Reihen hoher Zäune.

Das meiste von Isabella, so viel wusste er schon, befand sich unter der Erde. Der Eingang musste in diesem eingezäunten Bereich liegen.

Himmlischer Vater, führe mich, betete er.

Eddy fuhr in das grüne Tälchen hinab. Am anderen Ende erkannte er ein altes Blockhaus – das musste der alte Handelsposten von Nakai Rock sein. Zwei Männer und eine Frau gingen gerade darauf zu. Andere warteten bereits an der Tür. Gott hatte sie hier für ihn versammelt.

Er atmete tief durch, bremste den Pick-up und parkte vor dem Gebäude. Auf einem handbemalten Schild über der Tür stand: »Nakai Rock Trading Post, 1888«.

Durch die Fliegengittertür zählte er acht Menschen im ersten Raum. Er klopfte an den hölzernen Rahmen. Niemand reagierte. Er klopfte lauter. Der Mann ganz vorn drehte sich um, und Russ fielen sofort seine Augen auf. Sie waren so blau, dass er meinte, sie hätten ihm einen elektrischen Schlag versetzt.

Hazelius. Das musste er sein.

Russ murmelte ein kurzes Gebet und trat ein.

»Was kann ich für Sie tun?«, fragte der Mann.

»Mein Name ist Russ Eddy. Ich bin der Pastor der Mission unten in Blue Gap«, erklärte er hastig. Er kam sich dumm und linkisch vor.

Mit einem herzlichen Lächeln löste sich der Mann von dem Sessel, an dem er gelehnt hatte, und kam auf ihn zu. »Gregory North Hazelius«, sagte er und drückte ihm kräftig die Hand. »Freut mich, Sie kennenzulernen, Russ.«

»Danke, Sir.«

»Was kann ich denn für Sie tun?«

Russ spürte Panik in sich aufsteigen. Wo waren die gewählten Worte, die er eingeübt hatte, während der Pick-up sich den Dugway hinaufquälte? Doch zum Glück fand er sie wieder. »Ich habe von dem Isabella-Projekt gehört und beschlossen, Sie hier zu besuchen, um Ihnen von meiner Mission zu erzählen und Ihnen meine volle Unterstützung in Form meines geistlichen Beistands anzubieten. Wir treffen uns jeden Sonntag um zehn Uhr, drüben in Blue Gap, etwa vierhundert Meter westlich des Wasserturms.«

»Ich danke Ihnen sehr, Russ«, sagte Hazelius mit warmer, aufrichtig klingender Stimme. »Wir werden Sie bald besuchen – und wenn Sie mögen, bekommen Sie selbstverständlich eine Führung durch Isabella. Bedauerlicherweise stecken wir jetzt gerade mitten in einer wichtigen Besprechung. Möchten Sie vielleicht nächste Woche wiederkommen?«

Die Hitze stieg Russ ins Gesicht. »Äh, nein, Sir, ich glaube nicht.« Er schluckte. »Verstehen Sie, meine Schäfchen und ich, wir machen uns Gedanken darüber, was hier oben vor sich geht. Ich bin hier, um ihnen ein paar Antworten zu bringen.«

»Ich kann Ihre Besorgnis gut verstehen, Russ, wirklich.« Mr. Hazelius warf einem Mann, der ganz in der Nähe stand, einen Blick zu – ein großer, kantiger, hässlicher Kerl. »Pastor, darf ich Ihnen Wyman Ford vorstellen, unseren Verbindungsmann zur lokalen Bevölkerung?«

Der Mann trat mit ausgestreckter Hand vor. »Freut mich, Sie kennenzulernen, Pastor.«

Hazelius zog sich bereits zurück.

»Ich bin hier, um mit ihm zu sprechen, nicht mit Ihnen«, sagte Eddy, und die schrille Stimme, die er an sich so verabscheute, brach beinahe vor Anstrengung.

Hazelius wandte sich um. »Entschuldigen Sie bitte, Pastor. Wir wollen gewiss nicht unhöflich sein. Wir haben nur im Augen blick sehr viel zu tun … Könnten wir uns morgen treffen, um dieselbe Zeit?«

»Nein, Sir.«

»Bei allem Respekt, darf ich fragen, warum es so wichtig ist, das sofort zu klären?«

»Weil ich erfahren habe, dass es hier einen … einen unerwarteten Trauerfall gegeben hat, und ich denke, so etwas muss angemessen zur Sprache gebracht werden.«