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Eddy blickte zum Umriss der hohen Mesa auf, die ein wenig bedrohlich vor ihm aufragte, und erinnerte sich an die Dunkelheit der vergangenen Nacht, die Verzweiflung, die Leere. Das Summen und Knistern der Stromleitungen, den Geruch nach Ozon. Er konnte die Gegenwart Satans da oben fühlen.

Eine verräterische Staubwolke am Horizont kündigte ein nahendes Fahrzeug an. Er kniff gegen die tiefstehende Sonne die Augen zusammen, und bald erschien ein Pick-up aus dem Staub, der sich schlingernd und stöhnend über die löchrige, unbefestigte Straße quälte. Bebend kam er zum Stehen. Eine große Indianerin stieg aus, gefolgt von zwei Jungen. Der eine trug ein Star-Wars-Gewehr, der andere eine Plastik-Uzi. Sie rannten ins Gestrüpp und taten so, als würden sie aufeinander schießen. Russ folgte ihnen mit Blicken, dachte an seinen eigenen Sohn, der ohne ihn aufwuchs, und sein Zorn wurde stärker.

»Hallo, Pastor, na, wie geht’s?«, rief die Frau fröhlich.

»Sei gegrüßt im Geiste Christi, Muriel«, sagte Eddy.

»Was ham Sie denn heute?«

»Bedienen Sie sich.« Sein Blick huschte wieder zu den Jungen hinüber, die aus der Deckung magerer Beifußbüsche aufeinander schossen.

Die Klingel, die er außen am Trailer angebracht hatte, schrillte und sagte ihm, dass drinnen das Telefon läutete. Er eilte hinein und suchte zwischen Stapeln von Büchern nach dem schnurlosen Telefon.

»Hallo?«, meldete er sich atemlos. Es kam sehr selten vor, dass ihn jemand anrief.

»Pastor Russ Eddy?« Das war Reverend Don T. Spates.

»Guten Morgen, Reverend Spates. Gott sei mit …«

»Ich habe mich gerade gefragt, ob Sie sich schon ein wenig umgesehen haben – worum ich Sie gebeten hatte.«

»Das habe ich, Reverend. Ich war gestern Nacht noch einmal auf der Mesa. Die Häuser und das Dorf waren völlig verlassen. Die Hochspannungsleitungen, alle drei, haben gesummt vor Spannung. Mir haben geradezu die Haare zu Berge gestanden.«

»Ach ja?«

»Dann gegen Mitternacht habe ich eine Vibration gespürt, eher ein singendes Geräusch, aus dem Boden. Es hat etwa zehn Minuten lang angehalten.«

»Sind Sie über den Sicherheitszaun gekommen?«

»Ich … ich konnte es nicht riskieren.«

Ein Brummen, dann ein langes Schweigen. Eddy hörte draußen weitere Pick-ups kommen, und jemand rief seinen Namen. Er ignorierte es.

»Ich will Ihnen mein Problem schildern«, sagte Spates. »Meine Talkshow – Roundtable America – wird morgen Abend um sechs Uhr live im Fernsehen gesendet. Als Gast habe ich einen Physiker von der Liberty University. Ich brauche unbedingt etwas Neues über das Isabella-Projekt.«

»Ich verstehe, Reverend.«

»Deshalb habe ich Ihnen neulich gesagt, dass Sie etwas wirklich Gutes für mich ausgraben müssen. Sie sind mein Mann vor Ort. Dieser Selbstmord ist ein Anfang, aber das reicht noch nicht. Wir brauchen etwas, das den Leuten Angst macht. Was tun die wirklich da oben? Gibt es Lecks, durch die radioaktive Strahlung entweicht, wie die Gerüchte behaupten, von denen Sie mir berichtet haben? Werden sie die Erde in die Luft sprengen?«

»Das kann ich doch nicht wissen …«

»Das ist es ja gerade, Russ! Sehen Sie zu, dass Sie da reinkommen und es herausfinden. Begehen Sie ruhig Landfriedensbruch, beugen Sie die bloßen menschlichen Gesetze, um dem Gesetz Gottes zu dienen. Ich zähle auf Sie!«

»Danke, Reverend. Ich danke Ihnen. Ich werde es schaffen.«

Nach dem Telefonat trat Pastor Russ wieder hinaus ins helle Sonnenlicht und ging zu dem halben Dutzend Leuten hinüber, die die Kleiderspenden durchwühlten – die meisten waren alleinstehende Mütter mit Kindern. Er hob die Hände. »Leute? Tut mir leid, aber wir müssen für heute Schluss machen. Etwas Wichtiges ist dazwischengekommen.«

Enttäuschtes Murmeln war zu hören, und Eddy fühlte sich mies – er wusste, dass einige der Mütter eine lange Strecke gefahren waren, um hierherzukommen, obwohl Benzin teuer war.

Sobald sie weg waren, hängte Russ ein Schild auf, das erklärte, der Kleidertag müsse heute ausfallen, und stieg in seinen Pick-up. Er warf einen prüfenden Blick auf die Tankuhr: ein Achtel voll, nicht genug Benzin, um auf die Mesa und wieder zurück zu fahren. Er fischte seine Brieftasche heraus und fand darin drei Dollar. Er hatte bereits Schulden in Höhe von ein paar hundert Dollar bei der Tankstelle in Blue Gap und beinahe ebenso viel in Rough Rock. Er musste eben beten, dass er es bis Piñon schaffen würde, wo er hoffentlich noch anschreiben lassen konnte. Er war ziemlich sicher, dass sie ihm Kredit einräumen würden – bei Navajos konnte man immer borgen.

Es hatte keinen Zweck, tagsüber näher an Isabella heranzufahren, wenn sie ihn sehen konnten. Er würde erst nach Sonnenuntergang hochfahren, seinen Pick-up hinter dem Nakai Rock verstecken und dann im Dunkeln herumschnüffeln. Bis dahin würde es ihm vielleicht gelingen, in Piñon etwas mehr über den Selbstmord auf der Mesa zu erfahren.

Er atmete tief und befriedigt durch. Gott hatte ihm endlich eine große Aufgabe anvertraut. Gregory North Hazelius, diese antichristliche Dreckschleuder, musste aufgehalten werden.

28

Ford saß in einem alten, ledernen Sessel in einer Ecke des Aufenthaltsraums und beobachtete, wie der Rest des Teams aus dem Bunker zurückkehrte, erschöpft und demoralisiert. Die ersten Sonnenstrahlen tasteten sich über den Horizont, fielen grell durch die östlich gelegenen Fenster herein und erfüllten den Raum mit goldenem Licht. Stumm ließen sich die Leute auf die Stühle sinken, alle Blicke wirkten leer. Hazelius kam als Letzter. Er ging zum Kamin und entzündete das Papier unter dem bereits fertig aufgeschichteten Holz. Dann sank auch er auf einen Stuhl am Tisch.

Eine Weile saßen sie schweigend herum, nur das Knacken des Feuers war zu hören. Schließlich stand Hazelius langsam auf. Alle Blicke wandten sich ihm zu. Er schaute von einem zum anderen, die blauen Augen vor Erschöpfung dunkelrosa umrandet, die Lippen weiß vor Anspannung.»Ich habe einen Plan.«

Diese Ankündigung wurde schweigend aufgenommen. Ein feuchtes Holzscheit im Kamin knallte so laut, dass alle zusammenzuckten.

»Morgen Mittag bereiten wir alles für einen weiteren Durchlauf vor«, erklärte Hazelius,»bei hundert Prozent, wohlgemerkt. Und jetzt kommt das Wichtigste: Wir lassen Isabella laufen, bis wir die Logikbombe zu ihrer Quelle zurückverfolgt haben.«

Ken Dolby holte ein Taschentuch hervor und wischte sich über das feuchte Gesicht.»Hören Sie, Gregory, Sie haben meine Maschine schon beinahe ruiniert. Ich kann nicht zulassen, dass das noch einmal passiert.«

Hazelius neigte den Kopf.»Ken, Sie haben recht. Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Ich weiß, dass ich manchmal zu energisch vorgehe. Ich war wütend und frustriert und habe mich aufgeführt wie ein Irrer. Bitte verzeihen Sie mir.« Er streckte Dolby die Hand hin.

Nach kurzem Zögern schlug Dolby ein.

»Sind wir wieder Freunde?«

»Ja, klar«, sagte Dolby.»Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass ich keinen Betrieb bei hundertprozentiger Leistung mehr zulassen werde, bis wir dieses Hackerproblem gelöst haben.«

»Und wie sollen wir Ihrer Meinung nach dieses Problem lösen, ohne hundertprozentige Leistung zu fahren?«

»Vielleicht ist es an der Zeit, das Versagen unseres Projekts einzugestehen und Washington darüber zu informieren. Sollen die sich was einfallen lassen.«

Danach herrschte lange Schweigen, bis Hazelius fragte:»Hat noch jemand einen Vorschlag?«

Melissa Corcoran wandte sich Dolby zu.»Ken, wenn wir jetzt zugeben, dass wir versagt haben, können wir unsere Karriere gleich im Klo runterspülen. Ich weiß nicht, wie das bei euch ist, aber für mich war das eine einmalige Chance. Und die will ich auf keinen Fall hinschmeißen.«