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Der Pilot winkte zum Abschied, stieg wieder ein, und gleich darauf war der kleine Jet wieder in der Luft und verschwand als glitzernder Aluminiumstreif im türkisfarbenen Himmel.

Ford sah dem Flugzeug nach und ging dann auf das Wellblech-Terminal zu.

An der Tür hing ein Holzschild, von Hand mit Buchstaben im Wildwest-Stil beschriftet.

KEIN ZUTRITT

EINDRINGLINGE WERDEN ERSCHOSSEN

DAMIT BIST DU GEMEINT, KUMPEL!

G. HAZELIUS,

MARSHALL

Er stupste das Schild mit dem Finger an, so dass es knarrend hin und her schwang. Daneben war an zwei im Boden versenkten Metallpfosten ein hellblaues, hochamtliches Schild angebracht, auf dem im Grunde dasselbe stand, nur in trockener Bürokratensprache. Ein Windstoß strich über die Landebahn und ließ eine Sandwolke über den Asphalt tanzen.

Ford drückte gegen die Tür des Terminals. Verschlossen.

Er trat zurück, blickte sich um und kam sich vor, als hätte der Pilot ihn in der Geisterstadt aus Zwei glorreiche Halunken abgesetzt.

Das Knarren des Schildes und der stöhnende Wind weckten plötzlich eine Erinnerung in ihm – dieser Augenblick, jeden Tag, wenn er von der Schule nach Hause kam, die Schnur mit dem Schlüssel über den Kopf zog, die Tür seines Elternhauses in Washington aufschloss und dann ganz allein in dieser riesigen, hallenden Villa stand. Seine Mutter war stets bei irgendeinem Empfang oder organisierte einen Wohltätigkeitsball, sein Vater war in Regierungsangelegenheiten unterwegs.

Das Dröhnen eines Motors brachte ihn in die Wirklichkeit zurück. Ein Jeep Wrangler kam über eine Anhöhe, verschwand hinter dem Terminal und raste dann über den Asphalt. Der Wagen legte sich mit quietschenden Reifen in die Kurve und blieb abrupt vor Ford stehen. Ein Mann sprang heraus, mit breitem Grinsen und freundlich ausgestreckter Hand. Gregory North Hazelius. Er sah genau so aus wie auf dem Foto im Dossier und vibrierte förmlich vor innerer Energie.

»Yá’át ééh, shi éi Gregory!«, sagte Hazelius und drückte Ford die Hand.

»Yá’át ééh«, erwiderte Ford. »Sagen Sie bloß, Sie sprechen Navajo.«

»Nur ein paar Worte, die ich bei einem ehemaligen Studenten aufgepickt habe. Willkommen.«

Ford hatte Hazelius’ Akte überflogen und festgestellt, dass der Mann angeblich zwölf Sprachen beherrschte, darunter Persisch, zwei chinesische Dialekte und Kisuaheli. Von Navajo hatte da nichts gestanden.

Ford war es bei seiner Größe von gut einem Meter neunzig gewohnt, hinabschauen zu müssen, wenn er anderen in die Augen sehen wollte. Diesmal musste er noch weiter nach unten schauen als sonst. Hazelius war knapp über einen Meter sechzig groß, eine leger, aber elegant wirkende Erscheinung in ordentlich gebügelter, khakifarbener Hose, einem cremeweißen Seidenhemd – und indianischen Mokassins. Seine Augen strahlten so blau wie hinterleuchtete Buntglasfenster. Er hatte eine scharf gebogene Nase, eine glatte Stirn und welliges braunes Haar, säuberlich gekämmt. Ein kleines Päckchen konzentrierter Energie.

»Ich hatte nicht erwartet, vom großen Chef selbst empfangen zu werden.«

Hazelius lachte. »Wir füllen hier alle mindestens zwei Positionen aus. Ich bin nebenbei auch noch der Chauffeur. Bitte, steigen Sie ein.«

Ford faltete seinen langen Leib auf den Beifahrersitz, während Hazelius leicht und anmutig hinters Lenkrad schlüpfte. »Während der heißen Phase, bis Isabella wirklich einsatzbereit ist, wollte ich hier nicht allzu viel zusätzliches Personal herumlaufen haben. Außerdem« – Hazelius wandte sich ihm mit strahlendem Lächeln zu – »wollte ich Sie persönlich kennenlernen. Sie sind unser Jona.«

»Jona?«

»Wir waren zwölf. Jetzt sind wir dreizehn. Ihretwegen müssen wir womöglich jemanden von Bord werfen.« Er kicherte.

»Sie sind wohl ein abergläubischer Haufen hier.«

Er lachte. »Wenn Sie wüssten! Ohne meine Hasenpfote gehe ich nirgendwo hin.« Er holte einen uralten, ekelhaften

und beinahe haarlosen, amputierten Hasenlauf aus der Tasche. »Die hat mein Vater mir geschenkt, als ich sechs war.«

»Entzückend.«

Hazelius trat das Gaspedal durch, und der Jeep schoss vorwärts, so dass Ford in den Sitz gedrückt wurde. Der Wrangler flog nur so über den Asphalt und bog dann mit kreischenden Reifen auf eine frisch geteerte Straße ein, die sich zwischen Wacholderbüschen hinzog. »Hier ist es wie im Ferienlager, Wyman. Wir verrichten alle alltäglichen Arbeiten selbst – Kochen, Putzen, Fahren, was auch immer. Wir haben eine Stringtheoretikerin, die am Grill einfach phantastisch ist, einen Psychologen, der uns geholfen hat, einen exzellenten Weinkeller anzulegen, und diverse andere Leute mit multiplen Talenten.«

Ford hielt sich am Handgriff fest, als der Jeep quietschend um eine Kurve schleuderte.

»Nervös?«

»Wecken Sie mich, wenn wir da sind.«

Hazelius lachte. »Ich kann diesen leeren Straßen nicht widerstehen – keine Cops, kaum ein anderes Auto, und das würde man schon von weitem sehen. Was ist mit Ihnen, Wyman? Was haben Sie für besondere Talente?«

»Ich bin ein sauguter Tellerwäscher.«

»Hervorragend!«

»Ich kann Holz hacken.«

»Wunderbar!«

Hazelius fuhr wie ein Irrer, er raste mit Vollgas dahin und ignorierte die durchgezogene Mittellinie völlig. »Tut mir leid, dass ich Sie nicht gleich bei der Landung in Empfang nehmen konnte. Wir beenden gerade einen Probedurchlauf mit Isabella. Hätten Sie gern eine Schlossführung?«

»Sehr gern.«

Der Jeep setzte bei rasender Fahrt über eine Hügelkuppe hinweg. Fords Körper fühlte sich einen Moment lang an wie schwerelos.

»Der Nakai Rock«, sagte Hazelius und deutete auf die Felsnadel, die Ford vom Flugzeug aus gesehen hatte. »Der alte Handelsposten ist nach diesem Felsen benannt. Unser Dorf nennen wir auch Nakai Rock. Nakai – was bedeutet das eigentlich? Das wollte ich schon immer mal erfahren.«

»Das ist das Navajo-Wort für Mexikaner.«

»Danke. Ich bin wirklich froh, dass Sie so kurzfristig herkommen konnten. Bedauerlicherweise haben wir es uns wohl mit den Einheimischen verscherzt. Lockwood spricht in den höchsten Tönen von Ihnen.«

Die Straße führte in einem Bogen in ein geschütztes Tal hinab, dicht mit Pappeln bewachsen und von roten Sandsteinfelsen umgeben. An der Außenseite des Bogens, unter den Pappeln kunstvoll verteilt, reihten sich ein gutes Dutzend Häuser im nachgeahmten Adobe-Stil aneinander, die mit ihren gepflegten Rasenflächen und Holzzäunen wie eine Postkarten-Kulisse wirkten. Ein smaragdgrünes Baseball-Spielfeld im Zentrum des Bogens bildete einen starken Kontrast zu den roten Klippen. Am anderen Ende des Tals ragte die hohe, ein wenig unheimliche Felsnadel auf wie ein Richter über seinen Gerichtssaal.

»Langfristig werden wir hier Wohnraum für bis zu zweihundert Familien bauen. Das wird ein richtiges kleines Dorf für Wissenschaftler, ihre Familien, Besucher und alle möglichen Angestellten.«

Der Jeep ratterte an den Häusern vorbei und folgte einer lässigen Kurve. »Tennisplatz.« Hazelius deutete nach links. »Stall mit drei Pferden.«

Sie erreichten ein pittoreskes Gebäude aus Holz und traditionellen Lehmziegeln im Schatten großer alter Pappeln. »Der alte Handelsposten. Wir haben ihn umgebaut, er dient jetzt als Speisesaal, Küche und Aufenthaltsraum. Billardtisch, Tischtennis, Kicker, Fernsehraum, Videothek, Bibliothek, Kantine.«

»Warum gab es denn so weit hier oben einen Handelsposten?«

»Bevor die Bergbaugesellschaft die Navajos vertrieben hat, haben sie auf der Red Mesa ihre Schafe geweidet. Der Handelsposten hat Nahrungsmittel und andere Vorräte gegen die Teppiche getauscht, die aus der Schafwolle gewebt wurden. Die Navajo-Teppiche von Nakai Rock sind weniger bekannt als die aus Two Grey Hills, aber von ebenso guter Qualität – sogar noch besser.« Er drehte sich halb zu Ford herum. »Wo haben Sie Ihre Feldforschung gemacht?«