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»Ramah, New Mexico.« Was Ford nicht hinzufügte, war: Nur einmal, in den Semesterferien, und da war ich noch im Grundstudium.

»Ramah. Ist da nicht der berühmte Ethnologe Clyde Kluckhohn gestorben, bei Nachforschungen für sein berühmtes Buch Navaho Witchcraft?«

Das Ausmaß von Hazelius’ Kenntnissen überraschte Ford. »So ist es.«

»Sprechen Sie fließend Navajo?«, fragte Hazelius.

»Gerade genug, um mich um Kopf und Kragen zu reden. Navajo gilt als die vermutlich schwierigste Sprache der Welt.«

»Mich hat sie ja schon immer interessiert – hat uns schließlich geholfen, den Zweiten Weltkrieg zu gewinnen.«

Mit quietschenden Reifen kam der Jeep vor einem kleinen, gepflegten Häuschen zum Stehen; der Holzzaun umgab einen künstlich wirkenden grünen Rasen und eine Terrasse mit Picknicktisch und gemauertem Grill.

»Die Villa Ford«, verkündete Hazelius.

»Entzückend.« In Wahrheit war es alles andere als entzückend. Das billige kleine Einfamilienhaus im nachgeahmten Pueblo-Stil hätte in einer spießigen Vorstadtsiedlung stehen können. Aber die Umgebung war märchenhaft.

»Staatlicher Wohnungsbau sieht eben überall gleich aus«, sagte Hazelius. »Aber ich verspreche Ihnen, es ist sehr komfortabel.«

»Wo sind denn alle anderen?«

»Unten im Bunker. So nennen wir den unterirdischen Komplex, in dem sich Isabella befindet. Ach, übrigens, wo ist eigentlich Ihr Gepäck?«

»Das kommt erst morgen.«

»Die müssen es ja sehr eilig gehabt haben, Sie hier rauszuschaffen.«

»Sie haben mir nicht mal genug Zeit gelassen, um meine Zahnbürste einzupacken.«

Hazelius ließ den Motor aufheulen und legte die letzte Kurve des weiten Bogens auf qualmendem Gummi zurück. Dann hielt er, schaltete den Vierradantrieb ein und lenkte den Wagen vorsichtig von der Straße und einen löchrigen Feldweg entlang durchs Gebüsch.

»Wo fahren wir hin?«

»Sehen Sie gleich.«

In tiefen Rinnen drehten die Räder durch, und die beiden Männer wurden kräftig durchgerüttelt, während der Jeep sich in dem seltsamen, verkrüppelten Wäldchen aus Wacholder und abgestorbenen Pappeln ein paar Kilometer weit bergauf arbeitete. Vor ihnen ragte ein langer, steiler Felshang aus glattem rotem Sandstein auf.

Der Jeep blieb stehen, und Hazelius sprang heraus. »Es ist gleich da oben.«

Neugierig folgte Ford ihm den Abhang hinauf bis zum Gipfel der seltsam geformten Sandsteinklippe. Oben erwartete ihn eine Überraschung: Völlig unerwartet fand er sich am Rand der Red Mesa wieder, und vor ihm stürzten die Klippen fast sechshundert Meter in die Tiefe. Er hatte nicht das Gefühl gehabt, sich ganz am Rand zu befinden, und nichts hatte darauf hingewiesen, dass die Klippe direkt vor ihm lag.

»Schön, was?«, fragte Hazelius.

»Beängstigend. Man könnte glatt aus Versehen über den Rand hinausfahren.«

»Ja, es gibt da so eine Legende von einem Navajo-Cowboy, der zu Pferd einen Maverick verfolgt hat und hier von den Klippen gestürzt ist. Es heißt, sein chindii, sein Geist, reite in gewissen dunklen, stürmischen Nächten noch heute über den Rand der Klippe.«

Die Aussicht war atemberaubend. Unter ihnen breitete sich eine uralte Landschaft aus, kleine Tafelberge und Felsnadeln von blutroter Farbe, von Wind und Regen glattgeschliffen und zu seltsamen Formen verwittert. Dahinter lagen Mesas und viele Schichten ferner Berge. Man hätte beinahe glauben können, dies sei der Rand der Schöpfung selbst, wo Gott schließlich aufgegeben hatte, weil es ihm nicht gelingen wollte, das störrische Land friedlicher zu gestalten.

»Diese große Mesa in der Ferne, die wie eine Insel heraussticht«, sagte Hazelius, »ist die No Man’s Mesa, über vierzehn Kilometer lang und gut anderthalb Kilometer breit. Es heißt, es gebe einen geheimen Pfad dort hinauf, den noch kein weißer Mann je gefunden hat. Links davon liegt die Piute Mesa. Ganz vorn sehen Sie die Shonto Mesa, und weiter hinten die Goosenecks des San Juan River, die Cedar Mesa, Bears Ears und die Manti La Sal Mountains.«

Zwei Raben ließen sich vom Aufwind emportragen, setzten dann zum Sturzflug an und glitten zurück in die schattigen Tiefen. Ihr Krächzen hallte in den Canyons wider.

»Die Red Mesa ist nur an zwei Stellen zugänglich – es gibt den Dugway, jetzt hinter uns, und einen Pfad, der ein paar Kilometer weiter dort drüben beginnt. Die Navajos nennen ihn den Midnight Trail. Er führt nach Blackhorse, das ist die kleine Siedlung da unten.«

Als sie sich zum Gehen wandten, fiel Ford etwas an der Flanke eines riesigen Felsbrockens auf, der sich an der Grenze zweier Sedimentschichten gespalten hatte.

Hazelius folgte seinem Blick. »Haben Sie etwas entdeckt?«

Ford ging hinüber und legte eine Hand auf die unebene Oberfläche. »Versteinerte Löcher von Regentropfen. Und … die versteinerte Spur eines Insekts.«

»Na so was«, sagte der Wissenschaftler leise. »Alle waren schon hier oben, um die Aussicht zu bewundern. Aber Sie sind der Erste, dem das aufgefallen ist – abgesehen von mir, natürlich. Versteinerte Spuren von Regentropfen, die im Zeitalter der Dinosaurier fielen. Dann, nach dem Regen, ist ein Käfer über den nassen Sand gekrabbelt. Und entgegen aller Wahrscheinlichkeit ist dieser kleine Augenblick der Geschichte als Fossil verewigt.« Hazelius berührte es ehrfurchtsvoll. »Nichts, was wir Menschen auf dieser Erde geschaffen haben, keine unserer großen Schöpfungen – weder die Mona Lisa noch die Kathedrale von Chartres, ja, nicht einmal die ägyptischen Pyramiden – wird so lange überdauern wie die Spur dieses Käfers im nassen Sand.«

Ford fühlte sich eigenartig berührt von dieser Vorstellung.

Hazelius wandte sich nach Süden und deutete auf die weite Mesa. »Im Paläozän war das alles hier ein riesiges Sumpfgebiet. Dieser Tatsache verdanken wir ein paar der dicksten Kohlenflöze in ganz Amerika. Sie wurden in den fünfziger Jahren abgebaut. Diese alten Minen eigneten sich perfekt dafür, sie für Isabella umzurüsten.«

Die Sonne erleuchtete Hazelius’ glattes Gesicht, als er sich umdrehte und Ford anlächelte. »Wir hätten keinen besseren Standort finden können, Wyman – abgelegen, ungestört, unbewohnt. Aber für mich war am wichtigsten die Schönheit dieser Landschaft, denn die Schönheit und das Geheimnisvolle sind in der Physik von zentraler Bedeutung. Wie Einstein schon sagte: ›Das Schönste, was wir erleben können, ist das Mysteriöse. Aus ihm entspringt alle wahre Kunst und Wissenschaft.‹«

Ford beobachtete, wie die Sonne langsam in den tiefen Canyons im Westen erstarb, wie Gold, das zu Kupfer geschmolzen wurde.

Hazelius sagte: »Sind Sie bereit, unter die Erde abzutauchen?«

5

Der Jeep holperte zur Straße zurück. Ford packte den Handgriff über der Tür und bemühte sich, entspannt zu wirken, während Hazelius am Landeplatz vorbeiraste und auf der schnurgeraden Straße bis an die hundertvierzig beschleunigte.

»Sehen Sie hier irgendwelche Cops?«, fragte Hazelius grinsend.

Anderthalb Kilometer weiter wurde die Straße von Toren in zwei Zaunreihen mit Stacheldraht darüber blockiert; der Doppelzaun schützte einen großen Sicherheitsbereich am Rand der Mesa. Hazelius bremste im letzten Augenblick mit quietschenden Reifen vor dem ersten Tor.

»Alles da drin gehört zur Sicherheitszone«, erklärte er. Er gab einen Zahlencode in ein Tastenfeld am Torpfosten ein. Ein Warnton, und die beiden Tore rollten beiseite. Hazelius fuhr weiter und parkte den Jeep neben einigen anderen Autos. »Der Fahrstuhl«, sagte er und wies mit einem Nicken auf einen hohen Turm am Rand der Klippen, der von Antennen und Satellitenschüsseln starrte. Sie gingen darauf zu, und Hazelius zog eine Karte durch einen Schlitz neben der Metalltür. Dann legte er die Hand auf einen flachen Sensor. Gleich darauf sagte eine rauchige Frauenstimme: »Tag, Süßer. Wen hast du mir da mitgebracht?«