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Mindestens tausend Leute hatten sich dort versammelt. Nun konnte Begay, der die Hölle der Mesa mit dem Fernglas beobachtete, nur noch vereinzelte Grüppchen geschockter Menschen sehen, die zwischen Rauch und Flammen umherirrten, nach anderen riefen oder nur stumm voranstolperten, wie Zombies. Der Zustrom von Fahrzeugen auf dem Dugway war verebbt, und einige der dort geparkten Wagen hatten ebenfalls Feuer gefangen; die Benzintanks explodierten einer nach dem anderen.

Willy schüttelte den Kopf. »Mann, die haben ganze Arbeit geleistet. Der Bilagaana hat es endlich geschafft.«

Sie stiegen von dem Haufen Felsbrocken herunter, und Begay ging langsam auf die Pferde zu und pfiff nach Winter. Das Pferd stellte die Ohren und trabte gleich darauf heran; die anderen folgten ihm.

»Guter Junge, Winter.« Begay streichelte seinen Hals und befestigte einen Führstrick an seinem Halfter. Einige Pferde waren bereits zum Aufbruch gesattelt gewesen, und Begay stellte erleichtert fest, dass sie ihre Sättel nicht abgestreift hatten. Er nahm dem Pferd, das er bis hierher geritten hatte, seinen Sattel ab, sattelte Winter und saß auf. Willy bestieg sein Pferd ohne Sattel, und sie trieben die nervösen Tiere in Richtung Midnight Trail, zum Glück an dem Ende der Mesa, wo noch nicht das Chaos herrschte. Sie ritten langsam, hielten die Pferde ruhig und wählten immer den möglichst hohen Weg, wo der Boden am sichersten war. Als sie über eine Anhöhe kamen, hielt Becenti, der voranritt, plötzlich an.

»Was zum Teufel ist denn da drüben los?«

Begay hielt neben ihm und hob das Fernglas. Ein paar hundert Meter entfernt hatte sich eine Gruppe Männer auf einem sandigen, offenen Fleckchen versammelt. Sie starrten vor Dreck, als wären sie gerade einem Grubeneinsturz entkommen, und umzingelten ein anderes Grüppchen – diese Leute wirkten wie zerlumpte, schmutzige Gefangene. Begay hörte höhnischen Jubel.

»Sieht aus wie ein Lynchmob«, sagte Becenti.

Begay betrachtete die Gefangenen genauer. Zu seinem Entsetzen erkannte er die Wissenschaftlerin, die ihn besucht hatte – Kate Mercer. Und nicht weit von ihr stand Wyman Ford, der einen offenbar verletzten Mann stützte.

»Das gefällt mir nicht«, sagte Begay. Er saß ab.

»Was machst du denn? Wir müssen hier weg.«

Begay band sein Pferd an einen Baum. »Die brauchen vielleicht unsere Hilfe.«

Grinsend schwang sich Becenti vom Pferd. »Du warst schon immer scharf auf Action.«

Sie schlichen sich an die Gruppe heran und fanden Deckung hinter einigen großen Felsbrocken. Sie waren nun keine vierzig Meter von der seltsamen Versammlung entfernt, gut versteckt in der Dunkelheit. Begay zählte vierundzwanzig Männer mit Schusswaffen. Jeder dort drüben war schwarz vor Kohlenstaub, die Gesichter hätten aus der Hölle kommen können.

Fords Gesicht war blutverschmiert und sah aus, als hätten sie ihn zusammengeschlagen. Die anderen Gefangenen kannte er nicht, aber er vermutete, dass auch sie Wissenschaftler des Isabella-Projekts waren, da die meisten Laborkittel trugen. Ford stützte einen von ihnen, dessen Arm um Fords Schultern lag. Der Mann hatte einen hässlichen, offenen Beinbruch, und Begay war es ein Rätsel, wie er sich überhaupt aufrecht halten und die Schmerzen ertragen konnte. Warum ihn jemand zwang, hier zu stehen, konnte er erst recht nicht begreifen. Die Männer spuckten die Gefangenen an, verhöhnten und beschimpften sie. Schließlich trat ein Mann vor, hob die Hände, und der Mob verstummte.

Begay wollte seinen Augen nicht trauen: Das war Pastor Eddy aus der Mission unten in Blue Gap – doch der Mann war wie verwandelt. Pastor Eddy war ein verwirrter, halbverrückter Versager gewesen, der Altkleider verschenkte und Begay sechzig Dollar schuldete. Dieser Eddy hier strahlte kalte Autorität aus, und die Menge hörte auf sein Kommando.

Begay duckte sich und beobachtete gemeinsam mit Becenti die Szene.

Eddy hob die Hände. »Und es ward ihm gegeben ein Mund, zu reden große Dinge und Lästerungen! Meine Christenfreunde, der Antichrist will sprechen. Wir werden gemeinsam Zeugen seiner Lästerungen sein.«

Hazelius versuchte zu sprechen. Der Großbrand um Isabella flackerte im Hintergrund, Flammenwände und Feuersäulen breiteten sich gierig aus. Hazelius wurde von einer Reihe scharfer Explosionen in der Ferne übertönt. Er begann von vorn, und seine Stimme wurde kräftiger.

»Pastor Eddy, es tut mir leid, dass ich Sie enttäuschen muss. Ich habe nur eines anzumerken. Diese Leute sind nicht meine Jünger, und ich habe nichts Böses getan. Tun Sie mit mir, was Sie wollen, aber lassen Sie sie gehen.«

»Lügner!«, schrie jemand aus der Menge.

»Gotteslästerer!«

Eddy hob mahnend eine Hand, und die Männer schwiegen. »Niemand ist ohne Schuld«, brüllte er. »Wir alle sind Sünder in den Händen eines zornigen Gottes. Allein Gottes Gnade kann uns retten.«

»Lassen Sie meine Leute in Ruhe, Sie durchgeknalltes Arschloch.«

Sehr wahrscheinlich, dachte Ford und warf einen Blick auf Eddys Schäfchen, die tollwütig nach Hazelius’ Blut brüllten.

Hazelius wurde schwächer, sein gesundes Bein gab nach.

»Haltet ihn fest!«, schrie Eddy.

Kate eilte an Fords Seite und half ihm, den Wissenschaftler aufrecht zu halten.

Eddy wandte sich um. »Der Tag des Zorns ist angebrochen«, donnerte er.

Die Menge stürzte sich auf Hazelius, sie umdrängten ihn, stießen ihn hin und her, als kämpften sie um eine Puppe. Sie schlugen ihn, schubsten ihn, spien ihn an und prügelten mit Stöcken auf ihn ein. Ein Mann schlitzte ihm mit einem abgebrochenen Stück Kaktus das Gesicht auf.

»Fesselt ihn an den Baum da.«

Sie zerrten ihn zu einer gewaltigen, abgestorbenen Pinyon-Kiefer und rangelten dabei um ihn wie ein ungeschicktes, hundertfüßiges Ungeheuer. Sie fesselten ein Handgelenk, führten das Seil über einen kräftigen Ast, zogen es stramm, fesselten dann das andere Handgelenk und verknoteten das Seil, so dass Hazelius aufrecht, halb hängend, halb stehend, mit gespreizten Armen an den Baum gebunden war. Seine Kleidung hing in Fetzen von seinem schmutzstarrenden Körper.

Plötzlich riss Kate sich von ihren Bewachern los, rannte hinüber und fiel Hazelius um den Hals.

Die Menge brüllte wütend, und mehrere Männer packten Kate, zerrten sie zurück und schleuderten sie zu Boden. Eine Vogelscheuche von einem Mann mit eckig gestutztem Bart schoss vor und trat sie, sobald sie am Boden lag.

»Dreckskerl!«, schrie Ford. Er traf den Mann mit der Faust am Kiefer, stieß einen anderen beiseite und kämpfte sich zu Kate durch, doch der Mob überwältigte ihn, und er wurde mit Fäusten und Knüppeln niedergeprügelt. Nur noch halb bei Bewusstsein, bekam er kaum mit, was als Nächstes geschah.

Das Knattern einer Motocross-Maschine am Rand der Menge war zu hören, dann wurde der Motor stotternd abgestellt. Eine tiefe, respekteinflößende Stimme dröhnte: »Seid ge grüßt, Christen!«