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Gelb ist die Farbe der Unsicherheit, kränkliches Gelb, Gelb wie Galle, Gelb wie Wahnsinn, Gelb wie Blüten, die sich um einen herum öffnen und sich im Kreis drehen, so dass man nicht entscheiden kann, welche die Beste ist, welche die Vollkommenste ist, welche den herrlichsten, süßesten Duft hat, Gelb wie Säure, die alles zersetzt, was man denkt und weiß, bis man auf einem verrotteten Skelett aus Rost steht und man gleichzeitig kleiner als das winzigste gelbe Pollenkorn und unermesslich groß, größer als die größten Städte ist.

Der Schock ist ein dumpfer Druck, der versucht, einem das Gehirn im Schädel zu zerquetschen.

Das Gefühl, verraten worden zu sein, ist leuchtend blau und unendlich kalt.

Das Unverständnis fühlt sich wie ein Haar auf der Zunge an.

Und der Zorn ist schwer wie ein Hammer, aber so leicht, dass er mit seinen Flügeln fliegen kann, und er ist der dunkelste Rost.

Das bedeutet es, ein Mensch zu sein.

»Warum habt ihr es mir nicht gesagt?«, schreit sie die Götter an, während die Straße um sie herum aufbricht und Regen auf ihr emporgerecktes Gesicht fällt.

Und die Götter antworten: Wir wussten es nicht. Das hätten wir nie gedacht. Und erneut: Jetzt verstehen wir. Dann erlöschen sie einer nach dem anderen wie Diyas im Regen.

Shiv kann den Geruch nicht einordnen. Er ist süßlich, er ist moschusartig, er erinnert ihn an Dinge, die tief in seinem Gedächtnis vergraben sind, und er kommt vom Datenraja Ramanandacharya. Er ist ein fettes Arschloch, aber das sind sie alle. Fett und zitternd. Jetzt sieht er in seinen wallenden Gewändern gar nicht mehr so cool aus. Ganz besonders hasst Shiv den altmodischen Schnurrbart im Mughal-Stil. Er würde ihn gern abschneiden lassen, aber Yogendra muss die hakenförmige Klinge des großen Messers an die Lenden von Ramanandacharya halten. Eine kleine Bewegung aus dem Handgelenk, und die Oberschenkelarterie ist durchtrennt. Shiv kennt die Anatomie. Der Raja wird in weniger als vier Minuten verblutet sein.

Sie gehen über das nasse Kopfsteinpflaster von Hastings’ Pavillon zum Tempel hinauf, einander so nahe wie Liebende oder Betrunkene.

»Wie viele haben Sie davon?«, flüstert Shiv und stupst Ramanandacharya gegen die Schulter. »Da drinnen, wie viele Frauen, hm?«

»Vierzig«, sagt Ramanandacharya. Shiv schlägt ihm mit dem Handrücken ins Gesicht. Er weiß, dass es an den Pillen liegt, dass sie ihn ungeduldig machen, mutiger, als ein kluger Mann sein sollte, aber er mag das Gefühl.

»Vierzig Frauen? Wo haben Sie die alle her?« Stups.

»Von überall. Philippinen, Thailand, Russland. Wo sie billig sind?« Wieder ein Rückhandschlag. Ramanandacharya krümmt sich. Sie kommen am Wachroboter vorbei, der sich auf den Stahlbeinen niedergehockt hat.

»Sind auch ein paar gute Bharati-Frauen dabei?«

»Ein paar aus dem Dorf ... ah!« Shiv schlägt fester zu, Ramanandacharya reibt sich das Ohr. Shiv nimmt ein Stück der reichlich mit Gold bestickten Seide zwischen die Finger, spürt das feine Gewebe, die hautartige Glätte, die Leichtigkeit.

»Mögen die Weiber das? Den ganzen Mughal-Scheiß?« Er schubst Ramanandacharya mit beiden Händen. Der Datenraja stolpert auf einer Stufe. Yogendra zieht schnell das Messer zurück. »Warum konnten Sie kein Hindu sein, hm?«

Ramanandacharya zuckt mit den Schultern.

»Das Mughal-Fort ...«, versucht er zu erklären. Shiv schlägt ihn noch einmal.

»Mughal-Fort-Ficker!« Er nähert sich seinem Ohr. »Und wie oft ... Sie wissen schon. Jede Nacht?«

»Auch am Mittag ...« Der Satz geht in einen schrillen Schrei über, als Shiv dem Datenraja einen heftigen Schlag gegen den Kopf verpasst.

»Dreckiges Chuutya-Arschloch!« Jetzt weiß er, was es für ein Geruch ist. Dieser süßliche, säuerliche, dunkle Moschusgeruch an Ramanandacharyas Gewändern und Schmuck: Sex.

»Uh«, sagt Yogendra.

Der Schwarm der Roboter hat den Orbit um den Lodi-Tempel verlassen und fließt über den Hof auf das Trio zu wie ein schwarzer Pfeil aus Öl. Plastikfüße trippeln auf dem Kopfsteinpflaster. Die feuchten Panzer glänzen schwärzlich. Ramanandacharya schnalzt mit der Zunge und seufzt und dreht den Ring am linken kleinen Finger. Der Schwarm teilt sich wie das Meer in dieser christlichen Geschichte, die freundliche amerikanische Missionare guten jungen Frauen in den Kopf setzen, um aus ihnen unverheiratbare Wesen zu machen, die nie einen anständigen Ehemann bekommen werden.

»Sie hätten Ihre Füße in zwanzig Sekunden bis auf die Knochen abgenagt«, sagt Ramanandacharya.

»Halt’s Maul, Fettsack.« Shiv schlägt ihn wieder, weil die Skarabäen ihm Angst eingejagt haben. Ramanandacharya macht einen Schritt, dann einen weiteren. Der Ring aus Robotern folgt ihm fließend. Yogendra streift mit der Messerspitze Ramanandacharyas Leistengegend.

Der Säulengang des Tempels ist dieselbe trostlose, tropfende Hülle aus graffitiertem Gips und hingekritzelter religiöser Volkskunst, die Shiv von der Festungsmauer aus gesehen hat, aber nun aktiviert Ramanandacharyas Kirlian-Signatur die Staffeln der blauen Flutlichter, und Shiv bemerkt, dass er den Atem anhält. Der Suddhavasa im Innern ist ein durchsichtiger Plastikwürfel, dessen Kanten unter dem grellen blauen Licht leuchten. Die Skarabäen kehren wieder in ihren Orbit zurück. Ramanandacharya streckt eine Hand zur durchscheinenden Plastikyoni der Luftschleusentür. Ein Ziffernfeld schält sich aus der fließenden Oberfläche. Ramanandacharya tritt vor, um den Kode einzugeben; das Messer blitzt auf, Ramanandacharya stößt einen Schrei aus, greift nach seiner Hand. Blut quillt aus einem feinen Schnitt an seinem rechten Zeigefinger.

»Du machst es.« Yogendra zeigt mit der Messerklinge auf Shiv.

»Was?«

»Er könnte mit Tricks oder Fallen arbeiten, Sachen, von denen wir nichts wissen. Er denkt, wenn wir es haben, wird er sowieso sterben. Du gibst den Kode ein.«

Ramanandacharya reißt die Augen auf, als Shiv den Palmer hervorzieht und das Passwort für die Tür eintippt.

»Woher haben Sie das? Von Dane? Wo ist Dane?«

»Im Krankenhaus«, sagt Shiv. »Dem hat es die Sprache verschlagen.«

Yogendra kichert. Das Ziffernfeld versinkt wieder in der Fläche aus intelligentem Kunststoff (Shiv findet das cool, würde es aber niemals vor einem Chuutya wie Ramanandacharya zugeben), und mit einem völlig undramatischen Klicken öffnet sich die Tür.

Das Dechiffriersystem ist eine Garbhagriha aus leuchtendem Plastik, klein genug, um Shiv juckende Klaustrophobie zu bereiten.

»Wo ist der Computer?«, fragt Shiv.

»Das ganze Ding ist der Computer«, sagt Ramanandacharya, und mit einem Wink macht er die Wände durchsichtig. Sie sind mit Proteinschaltungen vollgepackt, eng verwoben wie Varanasi-Seide, wie Nervenfasern. Flüssigkeit umströmt das Netz aus künstlichen Neuronen. Shiv wird sich bewusst, dass er in seiner nassen Cargohose zittert.

»Warum ist es hier drinnen so scheißkalt?«

»Mein Hauptquantenprozessor benötigt eine konstant niedrige Temperatur.«

»Dein was?«

Ramanandacharya streicht mit den Händen über einen geschlitzten Zylinderkopf aus Titan, der aus der ansonsten glatten Plastikwand ragt.

»Er träumt in Kodes«, sagt er. Shiv beugt sich vor, um die Inschrift auf der Metallscheibe zu lesen. Sir William Gates.

»Was ist das?«

»Eine unsterbliche Seele. Zumindest glaubte sie das von sich. Hochgeladene Erinnerungen, ein Bodhisoft. Die Amerikaner glauben, dass sie so den Tod besiegen können. Eines der größten Genies seiner Generation — ihm haben wir es zu verdanken, dass es all das hier gibt. Jetzt arbeitet er für mich.«

»Geben Sie mir einfach diese Datei und überspielen Sie sie hierauf.« Shiv schlägt Ramanandacharya mit seinem Palmer gegen den Kopf.

»Oh, nicht den Tabernakel-Schlüssel, dann wäre ich ein toter Mann, die CIA würde mich umbringen«, fleht Ramanandacharya. Doch dann schließt er den idiotisch plappernden Mund, lässt ein weiteres Tastenfeld im Plastik entstehen und gibt eine kurze Zeichenfolge ein. Shiv denkt über die gefrorene Seele nach. Er hat davon gelesen, wie sie in Armreifen aus supraleitender Keramik zirkulieren. Ein ganzes Leben: alle sexuellen Erlebnisse, die Bücher, die Musik und die Zeitschriften, die Freunde und Abendessen und Kaffeepausen, die Geliebten und Feinde, die Augenblicke, in denen man die Fäuste in die Luft reckt und Jai! ruft, und die, wenn man jeden töten möchte, alles reduziert auf etwas, das man einer Frau in einer Bar schenkt, damit sie es am Handgelenk trägt.